Autor 1:
Am 5. September 1774 – vor 250 Jahren - wurde Caspar David Friedrich in der Stadt Greifswald geboren. Er gilt als der bedeutendste Maler der Romantik. Kunstfreunde in Deutschland erleben gerade ein ganzjähriges Ausstellungsfestival: Schon im Herbst letzten Jahres konnte man in der Schweiz und in Bayern die ersten Sonderausstellungen besuchen. Dann folgten zu Jahresbeginn die Hamburger Kunsthalle, danach die Nationalgalerie in Berlin, das Pommersche Landesmuseum Greifswald und die Staatliche Kunstsammlung Dresden. Kommendes Jahr reisen viele seiner Werke nach New York.
O-Ton 1 Helmut Börsch-Supan:
„Ich meinesteils fordere von einem Kunstwerk, Erhebung des Geistes, wenn auch nicht allein und ausschließlich religiösen Aufschwung“
Autor 2: Einer der größten Kenner des Werkes von Caspar David Friedrich ist der heute 91jährige Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan. Hier zitierte er den Maler aus dessen Aphorismen, die nach 1830 erschienen. Er selber deutet die Werke des Malers so:
O-Ton 2 Helmut Börsch-Supan:
„Man kann letzten Endes sagen, dass in Friedrichs Bildern, dass sie alle eine Einführung sind in die christliche Tugend der Hoffnung.“
Autor 3: Nach dem Studium der Kunstgeschichte ging Helmut Börsch-Supan zuerst an die Pinakothek nach München. In den 50er Jahren kam er nach Berlin und war dort viele Jahre für die Preußische Stiftung Schlösser und Gärten in Charlottenburg tätig. Hier erwarb er viele Werke der Romantiker für die deutsche Hauptstadt. Darunter auch viele von Caspar David Friedrich. Die Bilder des Malers ohne dessen christlichen Hintergrund zu betrachten, greift für den Kunsthistoriker zu kurz:
O-Ton 3 Helmut Börsch-Supan:
„Es läuft immer darauf hinaus, dass es nach dem Tod ein ewiges Leben gibt. Das ist nicht sehr modern gedacht. Und das wird auch von vielen Experten und das sage ich jetzt mal in Anführungsstrichen geleugnet und übergangen. Denn, und das ist der große Fehler heute, man will Friedrich modernisieren. Ihn dem modernen Zeitgenossen schmackhaft machen. Aber man muss sehr tief einsteigen in den protestantischen Pietismus“.
Autor 4: Der Buchmarkt reagiert auf den 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich mit vielen Veröffentlichungen rund um den Maler und die Romantik. Darunter auch ein Buch von Helmut Börsch-Supan unter dem Titel „Caspar David Friedrich - Seine Gedankengänge.“ Der Kunsthistoriker beschäftigt sich seit über sechs Jahrzehnten mit Leben und Werk des Malers. Er erzählt, wie auch der später so berühmte Maler klein und mit Selbstzweifeln begann:
O-Ton 4 Helmut Börsch-Supan:
„Er hat vier Jahre …auf der Kopenhagener Kunstakademie verbracht und …fühlte sich noch ganz unfertig und hat dann nochmal begonnen in Dresden zu studieren. Es gibt frühe Zeichnungen da steht ausdrücklich dran: nach der Natur.“
MUSIK
Autor 5: Die Kunst des Malers Caspar David Friedrich wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt, weil sie nach seinem Tod erst vielen Menschen als zu düster und weltfremd galt. Heute gilt Friedrich wegen seiner berühmten Naturgemälde als „Star der Romantik“. Doch ohne die Religion und das Christentum wäre das Werk des Malers bis heute undenkbar.
O-Ton 5 Birgit Verwiebe:
„Das Geheimnis dieser Werke von Friedrich besteht darin, dass diese Bilder Gedanken und Gefühlsräume anbieten. Und dass man als Individuum Kontakt aufnimmt und sein ICH einbringt, bei der Betrachtung. Es berührt eben nicht nur den Verstand, sondern auch die Seele“,
Autor 6: …sagt Kuratorin Birgit Verwiebe in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel in Berlin. Sie hat mit ihren Kolleginnen die große Caspar David Friedrich Ausstellung für die Hauptstadt vorbereitet.
O-Ton 6 Birgit Verwiebe:
„Von Friedrich weiß man, dass er sehr religiös war. Er hat sicher die Bibel auch sehr gut gekannt. Er hätte wahrscheinlich gar nicht überlebt, wenn er diese Religiosität nicht gehabt hätte, denn er musste sehr viele Schicksalsschläge ertragen.“
Autor 7: Schon als Schülerin in der damaligen DDR konnte die heutige Kuratorin Bilder des Künstlers in einer Jubiläums-Ausstellung in Dresden sehen. Damals beging man den 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich. Die Bilder beeindruckten das Mädchen. Bis heute gehört der romantische Maler zu ihren Lieblingskünstlern; auch weil sein Lebensweg sie beeindruckt hat:
O-Ton 6 Birgit Verwiebe:
„Ganz früh verliert er die Mutter, da ist er sieben. Dann stirbt sein Bruder, der ihn beim Ertrinken im Eis rettet, vor seinen Augen. Und viele, viele andere Schicksalsschläge, bis dahin, dass es ihm nie vergönnt war, wirklich richtig Erfolg zu haben und auch von seiner Arbeit leben zu können.“
Autor 8: Ich stehe mit der Kuratorin vor dem Bild „Abtei im Eichwald“. Es ist ein düsteres Bild. Die Bäume tragen keine Blätter. Es ist Nacht. Birgit Verwiebe erklärt:
O-Ton 7 Birgit Verwiebe:
„Friedrich stammt ja aus Greifswald. In diesem Bild sieht man eine Gruppe von Mönchen, die einen Sarg tragen. Sie werden an einem Altar vorbeikommen, auf dem Kerzen brennen mit einem Christus am Kreuz. Es geht um das letzte Geleit und dann um die Frage, was kommt nach dem Tod?“
Autor 9: Der berühmte Maler Caspar David Friedrich schuf zu diesem Bild ein Pendant: seinen berühmten „Mönch am Meer“. Er hängt heute in der Alten Nationalgalerie gleich links neben der „Abtei im Eichwald“. Zwei Jahre soll der Künstler daran gearbeitet haben:
O-Ton 8 Birgit Verwiebe:
Beide Bilder waren 1810 auf der Berliner Akademieausstellung. Und dann wurden sie sofort verkauft. Und wer hat sie gekauft? Das war damals der preußische König, Friedrich Wilhelm III.
Autor 10: Ein prominenter Käufer. Der einsame Mönch am Meer zählt bis heute zu den berühmtesten Bildern des Künstlers. Jeder kennt dieses Gefühl, an einem Strand zu stehen und raus auf das Meer zu schauen: die unendliche Weite, der Himmel darüber, das Rauschen der Wellen. Die Gedanken können schweifen. Der von hinten vor dem dunklen Meer gemalte, so verloren wirkende Mönch scheint mit seinen philosophisch-theologischen Fragen auf der Suche zu sein:
O-Ton 9 Birgit Verwiebe:
„Wo ist der Anfang? Wo ist das Ende? Was kommt nach dem Tod? Und es geht auch um Sehnsucht. Die unerfüllten Dinge. Die nicht aussprechbaren Dinge im Leben des Menschen. Oben haben wir die Hoffnung, durch den hellen Himmel. Auch wenn es schwierige Themen sind, um den Tod geht, kommt die Hoffnung auch immer vor.“
MUSIK
Autor 11: In diesem Jahr feiert der berühmte Maler der Romantik Caspar David Friedrich 250. Geburtstag. Er malte Landschaften und setzte Menschen in Beziehung zur Natur. Viele seiner Bilder sind vom christlichen Glauben geprägt. Eines davon trägt den Titel „Kreuz im Gebirge“. Eine Zeichnung in Sepia-Tinte. Anna Pfäfflin ist Kuratorin für die Kunst des 19. Jahrhunderts am Kupferstichkabinett in Berlin. Sie erklärt die großformatige Zeichnung von 1806, die zum Vorbild für den berühmten „Tetschener Altar“ wurde – ein Gemälde, das heute in Dresden hängt:
O-Ton 10 Anna Pfäfflin:
„Eine Kulisse, das ist einmal ein großer Fels. Dann sind es Tannen und dann ist es ein Kreuz mit nem Christuskörper dran. In der protestantischen Ausdeutung, sagt man eben der Fels steht für den Glauben, Tannengrün für die Hoffnung und das Kreuz, das sich von uns abwendet, wird aber angestrahlt von einer Sonne, die wir nicht sehen – vielleicht eine göttliche Sonne und wir sehen nur diesen göttlichen Schein in diesem von uns abgewandten Christus.“
Autor 12: Alles hat bei Caspar David Friedrich eine Bedeutung, weil nach seiner Meinung nur der ein richtiger Maler ist, der auch das malt, was er in seinem Inneren sieht. Genau das hat ihn besonders gemacht:
O-Ton 11 Anna Pfäfflin:
„Und dann kommt eben dieser unglaubliche Himmel, der einen wirklich glauben lässt, dass die Erde rund ist. Und dass es irgendwie weiter geht. Dass es mehr gibt, als das wir nur sehen.“
Autor 13: Bereits zu seinen Lebzeiten polarisierte Caspar David Friedrich. Die einen sahen in seinen Gemälden die Malerei der Zukunft, andere reagierten verstört, weil sie am Traditionellen festhalten wollten. Sie fragten kritisch:
O-Ton 12 Anna Pfäfflin:
„Kann ein solches Landschaftsbild ein Altarbild sein? Darf die Landschaftskunst auf die Altäre kriechen?“
Autor 14: Für die Kunsthistorikerin Anna Pfäfflin ist besonders die Landschaftsmalerei von Caspar David Friedrich durch seinen inneren Blick geprägt. Sie deutet die Botschaften des Malers in seinen Bildern nicht nur theologisch, sondern auch konfessionell:
O-Ton 13 Anna Pfäfflin:
„Und damit ist es vielleicht auch wieder sehr protestantisch – der Versuch einen zurückzubinden auf sein eigenes Gotteserlebnis und damit zu einer Erkenntnis oder zu einer Form von Gebet zu kommen. Und das eben gleichzeitig kombiniert damit, dass Landschaft an sich als Schöpfung, dann auch eine Möglichkeit der Gotteserfahrung sein kann.“
Autor 15:
Im Jubiläumsjahr erlebt der Maler Caspar David Friedrich einen wahren Ansturm auf seine Werke. Überall stehen Menschen Schlange, um seine berühmten Bilder zu sehen. Viele Sonderschauen sind ausverkauft. Menschen bleiben berührt stehen vor dem einsamen Mönch am meer oder den Kreidefelsen auf Rügen. Anna Pfäfflin hat auch eine Erklärung dafür, warum der Maler und seine Kunst gerade wieder so gefragt sind, auch unabhängig von seinem 250. Geburtstag.
O-Ton 14 Anna Pfäfflin:
„Die Bewegung der Letzten Generation, die haben auch eine Aktion gehabt in der Hamburger Kunsthalle, wo sie den Wanderer über dem Nebelmeer haben die ein Transparent darüber gemacht, wo er vor einem Flammenmeer steht. Einerseits könnte man sagen, ja Caspar David Friedrich das ist elitär, das ist Hochkunst, das hat mit uns gar nichts zu tun. Und dann ist er … auch sehr heutig und sehr spannend, weil er ein absoluter Individualist ist, hat eine innige Beziehung, zu jedem Blättchen, zu jedem Steinchen, aber auch zur großen Natur. Da würde ich schon denken, was die Letzte Generation ansprechen könnte.“
Autor 15: Auch die Kunsthistorikerin Birgit Verwiebe sieht in den Bildern, die bald vor einem Vierteljahrhundert gemalt wurden, eine zeitlose Botschaft:
O-Ton 15 Birgit Verwiebe:
„Ob das nicht auch an diesen schwierigen Zeiten liegt, die wir haben, mit Blick auf die Geschehnisse in der Welt. Hier kann man zu sich selber wieder finden vor diesen Bildern.“
Schlussmusik