24.11
2024
08:40
Uhr

Auf den Spuren der Heiligen Hedwig

Zur Eröffnung der Hedwigs-Kathedrale

Ein Beitrag von Michael Kinnen

Kinder: Es geht also um eine Hedwig. Kennt ihr denn jemanden, der Hedwig heißt? - Die heilige Hedwig. - Sehr gut, die heilige Hedwig. Kennt ihr noch eine andere Hedwig? - Unsere Schule. - Eure Schule ist die Schule St. Hedwig. Sehr gut, dann sammeln wir mal weiter. - Die Eule von Harry Potter.

Autor: Hedwig, die Eule von Harry Potter. Das wäre wohl sonst das erste, was Kindern einfällt, wenn sie nach Hedwig gefragt werden. Bei diesen Kindern hier ist es anders. Sie sind Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse der Sankt-Hedwigs-Grundschule in Petershagen. Eine katholische Schule, die dem Erzbistum Berlin gehört. Benannt nach der Heiligen Hedwig. Und deshalb wissen die Schülerinnen und Schüler da schon eher Bescheid, so wie die zehnjährige Linda:

Linda: Ja, auf jeden Fall, weil wir sind ja an der katholischen Schule St. Hedwig, da hatten wir auch schon über die Hedwig sehr viel erfahren und den Patronatstag haben wir ja auch jedes Jahr und erfahren auch immer mehr über die heilige Hedwig. In der ersten Klasse haben wir darüber ja auch schon angefangen und es macht auch Spaß, über die Hedwig zu erfahren, dass sie den anderen Menschen hilft und auch obwohl sie adelig war, sagt: ich bin adlig für andere Menschen und sie ihr auch die Schuhe verschenkt - und das finde ich sehr gut. 

Autor: Hedwig, eine Adelige. Geboren im 13. Jahrhundert im bayerischen Andechs. Dann wurde sie als Frau von Herzog Heinrich dem Ersten Herzogin von Schlesien. Dort hieß sie Jadwiga. Ein bisschen wie die berühmte Elisabeth von Thüringen und ein bisschen wie der nicht minder berühmte Martin von Tours wurde sie zum Inbegriff der Wohltätigkeit. Sie teilte nicht den Mantel wie Martin, aber der Legende nach hat sie ihre Schuhe verschenkt. Sie kümmerte sich um die Armen des Landes und organisierte in Klöstern, Krankenhäusern und Kinderheimen die karitativen Hilfen. Gerade jährte sich ihr 850. Geburtstag. Die Kinder der Sankt-Hedwigs-Grundschule feiern den Gedenktag in jedem Jahr, erinnern an sie und überlegen, was das Leben der Heiligen mit ihnen heute zu tun hat.

Kinder: Ja, wir haben jedes Jahr den Tag auch gemacht und dann haben wir immer die Geschichte sollten wir die mit Bildern darstellen. Und dann wurden die uns auch ganz oft vorgelesen. Ich fand es sehr cool. Ich fand es auch spannend mit anzusehen, wie die Hedwig halt den anderen geholfen hat. Also ich finde es toll, dass sie auch ganz viel geteilt hat. Ich würde mitnehmen, dass ich da vielleicht auch mal ein bisschen gucken kann, ob ich auch mal vielleicht irgendwas teilen kann, z.B. essen, was ich mithabe. Ich teile auch gerne und ich freue mich, wenn die anderen sich freuen. 

Autor: Eine Heiligen-Legende. Das hört sich gut an, ist aber lange her. So eine Heilige kann und will aber auch Vorbild sein. Und das hat dann was mit heute zu tun. Ganz konkret, auch wenn das mit dem Teilen nicht immer so einfach ist, wie die kleine Frida aus eigener Erfahrung berichten kann:

Frida: Naja, mit meinen Geschwistern ist es ein bisschen schwierig zu teilen, weil die ganz schön nervig sind, aber mit Freunden oder so, das ist besser zu teilen, da geht es einfacher. Die sind ja dann wahrscheinlich in meiner Klasse oder so.

Autor: Für die Kinder aus der Sankt-Hedwigs-Grundschule in Petershagen ist Hedwig also mehr als die Schnee-Eule von Harry Potter. Hedwig ist eine Person, eine Heilige, ein Vorbild auch für heute. 850 Jahre alt und doch ganz nah und aktuell. Ob sie ihr denn gerne mal „in echt“ und persönlich begegnen würden, wenn sie könnten, hab ich sie dann gefragt.

Loreana / Fine: Also ich habe sie noch nie gesehen, würde erstmal geschockt sein, dass sie da um die Ecke gerade kommt und ja, dass also... ich weiß dann gar nicht, was ich sagen würde. ...weil Hedwig ja irgendwie schon eine Berühmtheit ist. Doch vielleicht würde ich sie fragen, wie es da so war, als sie gelebt hat. 

Musik: Paul Young, Love is in the air

Autor: Die Heilige Hedwig: Vor 850 Jahren wurde sie in Andechs geboren. Als Herzogin von Schlesien kümmerte sie sich um die Armen. Und das hat sie zur Heiligen gemacht. So berühmt, dass sie heute Vorbild für viele ist - und Namensgeberin etwa der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Die wird heute nach langjährigen Umbauarbeiten wieder eröffnet. Die Kinderbuchautorin Anna Maria Praßler hat ein Buch über die Heilige Hedwig geschrieben. Für Kinder gut verständlich - und auch für Erwachsene geht die Geschichte ans Herz. Es heißt: „Hedwigs Spuren im Schnee. Eine Geschichte von Wärme und Freundschaft“. Anna Maria Praßler:

Anna Maria Praßler und Ulrike Baier

Anna Maria Praßler: Das Besondere an Hedwig ist für mich ihre Empathie, die sie zur Brückenbauerin macht. Eine Frau, die Verbindungen schafft, nicht nur zwischen den Ländern, also Hedwig gilt ja immer als die Brückenbauerin zwischen Deutschland und Polen, sondern auch zwischen den Menschen. Also sie wollte polnisch lernen... sie wollte mit den Menschen sprechen können, ist auf die Menschen zugegangen. Das finde ich das bemerkenswerteste, dass sie wirklich aus ihrer Burg gegangen ist, dass sie zu den Menschen gegangen sind, die ausgegrenzt waren, arme, behinderte Menschen, dass sie ihnen geholfen hat, ihnen zugehört hat und somit diese Brücken gebaut hat zwischen Menschen. Und da ist sie für mich ein riesengroßes Vorbild für Heute, für diese Zeit, in der wir leben, mit Ausgrenzungen, Hass und Hetze, leuchtet sie als ein Beispiel der Caritas, der Empathie. 

Autor: Das Buch erzählt legendenhaft von einer Begegnung Hedwigs mit der kleinen Aneta. Sie beiden werden Freundinnen. Bauen Brücken, suchen Wege der Verständigung. Auch wenn die Geschichte, so wie sie im Buch steht, erfunden ist, Hedwig hat es wirklich gegeben. Und ihre Wohltätigkeit und ihr Brücken-Bauen ist reich bezeugt. Das macht ihre Lebensgeschichte dann auch für Anna Maria Praßler ganz aktuell:

Anna Maria Praßler: Ich sehe das überall eigentlich in unserer Welt. Und in diesen vielfältigen Krisen, in denen wir leben, in denen das Mitgefühl abhanden kommt und die Empathie so auf der Strecke bleibt, da freue ich mich über ein Buch zur heiligen Hedwig, weil sie genau das geleistet hat. Sie hat den Menschen zugehört, sie hat mitgefühlt mit denen, die ausgegrenzt wurde. Sie ist eine Figur, die sich Hass und Hetze entgegenstellt. Sie ist diese empathische Frau, die wir uns als Vorbild nehmen können.

Autor: „Hedwigs Spuren im Schnee - eine Geschichte von Wärme und Freundschaft“: Anna Maria Praßler hat die Texte geschrieben. Die Illustratorin Ulrike Baier die Bilder dazu gemalt. Auch für sie ist so ein religiöses Buch für Kinder etwas Besonderes:

Ulrike Baier: Also ich habe schon öfter religiöse Kinderbücher illustriert, das hat sich aber mehr so zufällig ergeben, und ich glaube, dass meine Art zu malen eher so eine ruhige, kontemplative ist. Also die Bilder strahlen ja viel Ruhe aus und dass das dem entgegenkommt und mich deswegen auch so spirituelle Themen irgendwie reizen. Also es macht mir irgendwie Freude, da so eine gewisse Seele in die Bilder reinzulegen.

Musik: Paul Young, Love is in the air

Autor: Auch den Kindern der Sankt Hedwigs-Grundschule in Petershagen haben Praßler und Baier ihr Kinderbuch von Hedwig und Aneta schon vorgestellt. Und die Kinder hörten gespannt zu, bei der Geschichte von Hedwigs Spuren - denn die wirken auch heute:

Kinder: Hedwig lernt viele neue Wörter von Anetas Eltern und Geschwistern. „Przyjaciolki“, sagt Aneta und zeigt auf sich und Hedwig. „Freundinnen“. „Przyjaciolki“, wiederholt Hedwig und lächelt. Sie fühlt sich nicht mehr fremd im neuen Land.

Autor: So wird die heilige Hedwig für die Schülerinnen und Schüler heute lebendig. Mit Freundschaft und Wärme. Mit Mitgefühl und Spannung. „Hedwigs Spuren im Schnee“ soll nicht nur eine nette Geschichte sein. Hedwig hat Spuren hinterlassen. Und einen Auftrag für die Menschen heute. Davon ist Illustratorin Ulrike Baier überzeugt:

Ulrike Baier: Ja, wirklich. Die Spuren, also diese Barfußspuren, das war von Anfang an, habe ich, als ich den Text gelesen habe, gleich gewusst, also da muss man irgendwas machen mit den Spuren. Die müssen auch aufs Titelbild drauf. Und deswegen habe ich die ja dann noch mal in diesem Vorsatz-Bild auch Tierspuren reingebaut, dass man also sieht, Spuren. Jeder Mensch hinterlässt Spuren in seinem Leben, so wie die Hedwig eben ihre Fußspuren hinterlässt, aber auch, wie sagt man im übertragenen Sinne Spuren. Ja, dass sie halt was Gutes getan hat. Das war das, was ich auch unbedingt ins Bild setzen wollte und was man dann eben auch darüber hinaussehen kann, außer bloße Fußspuren.

Autor: Die Heilige Hedwig lebte vor 850 Jahren. Aber ihre Spuren sind auch heute top-aktuell, sagt der Theologe Stefan Schöch:

Stefan Schöch: Hedwig wäre heute aktiv, nicht mehr so in den Klöstern und in den Kirchen, die ja jetzt nicht mehr den Einfluss auf die Gesellschaft haben, wie es damals war. Sie wäre in Schulen, in Armenhäusern, sie wäre in sozialen, karitativen Einrichtungen aktiv und vergleichbar mit einer Rolle als Politikerin, die das nicht nur zu Marketingzwecken macht, sondern auch aus innerer, tiefer Überzeugung. Und das machte sie damals sympathisch und macht sie auch heute noch sympathisch.

Autor: Nicht nur sympathisch, sondern auch zum Vorbild. Und zwar ganz konkret. Die Heilige Hedwig gilt als Inbegriff der Nächstenliebe, ein Vorbild für die christliche Caritas. Für die Berliner Caritas-Direktorin Ulrike Kostka ist Hedwig aber noch mehr als eine Namensgeberin oder Schutzpatronin; das Lebenswerk der Heiligen Hedwig setzt sich fort, ganz konkret - und hat heute viele Gesichter, sagt Ulrike Kostka:

Ulrike Kostka: Also ich glaube, in der Caritas der Kirche sind ganz viele Hedwige unterwegs. Starke Frauen, natürlich auch starke Männer, aber viele, die sich engagieren und daran mitwirken, wie Hilfe langfristig organisiert werden kann und wie wir auch als Kirche zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen können. Und damit wirken sie eigentlich wie Hedwig. Und ich muss sagen, ich sehe auch Hedwig als eine starke Partnerin für mich, weil sie mich motiviert und weil sie mich einfach bestärkt in der Ansicht, dass Frauen in Kirche viel bewirken können. 

Musik: Karat, Über sieben Brücken