Samuel:
Also ich find, es macht Spaß, mit Freunden mal lange Strecken zu gehen und mal keine Schule zu machen; und auch Orte zu sehen, wo wir noch nicht waren…
Constantina:
Wir machen aber jeden Tag so ne Mittagspause, so nach 10 km ungefähr, und zwischendurch machen wir auch so kleinere Pausen.
Tobi:
Es war sehr gut, ich glaube alle haben gut durchgehalten
Lexi:
Wir haben auch viel gesehen, wir durften Kirschen pflücken gehen, wir haben ganz viele schöne Pferde gesehen auf unserm Weg.
Samuel, Constantina, Tobi und Lexi haben etwas Besonderes erlebt. Die Jungs und Mädchen aus der 5. Klassenstufe der katholischen Marienschule in Potsdam sind gewandert. Vier Tage lang, von Potsdam über Werder, Lehnin und Brandenburg an der Havel bis nach Kirchmöser. Der mehrtägige Schulausflug war aber kein gewöhnlicher Wandertag, sondern eine Pilgertour, also eine Mischung aus körperlicher Herausforderung und geistlichen Akzenten. Constanze Berndt ist Lehrerin an der Marienschule. Sie erklärt das Programm:
Constanze Berndt:
Wir laufen jeden Tag ungefähr 20 Kilometer, mal ein zwei mehr, mal etwas weniger. Wir laufen im Prinzip den Jakobsweg in Brandenburg lang, haben ihn ein kleines bisschen begradigt, damit wir bei den 20 km bleiben.
20 Kilometer pro Tag, ist das nicht ein bisschen viel für die Kinder?
Constanze Berndt:
Dachten wir tatsächlich auch erst, sind auch das erste Jahr mit Sechstklässlern gelaufen, haben aber festgestellt, das war für die Kinder gar kein Problem. Die sind sofort erholt nach kurzen Pausen und haben jetzt die fünfte Klasse genommen, damit die Kinder mehr die Chance haben zusammen zu wachsen. Und auch die Fünftklässler verbringen ihre Pausen mit Fußballspielen und abends fangen ums Haus, zusätzlich zum Laufen.
Die Wanderstrecke führte entlang eines alten Pilgerwegs, der von Pommern über Brandenburg nach Süden führt. Immer wieder taucht am Wegesrand die Muschel auf, das Symbol der Pilger, deren Weg seit dem Mittelalter hier entlang führte in Richtung des weit entfernten Santiago de Compostela
Constanze Berndt:
Wir sind die meiste Zeit am Wasser lang, laufen viel durch Wälder, viel durch Wiesen, teilweise durch Straßen, wenn wir zu unseren Unterkünften gehen, vermeiden aber größere Hauptstraßen und sind mehr in der Natur unterwegs.
Die Unterkünfte sind schlicht, wie es sich für richtige Pilger gehört: mit der Liegematte auf dem Boden von Pfarrheimen oder in Zelten. An zwei Nächten gab es auch richtige Betten:
Constanze Berndt:
Wir sind in verschiedenen Gemeinden untergebracht. Am ersten Tag in …. Maria Meeresstern in Werder, am zweiten Tag im Pater Engler Haus in Lehnin, am dritten Tag sind wir in der kath. Gemeinde in Brandenburg, und in der letzten Nacht sind wir in Kirchmöser in der Familienferienstätte.
Was eine Pilgerwanderung von einer normalen Klassenfahrt unterscheidet, erklärt Lehrerin Constanze Berndt so:
Pilgern bedeutet, so haben wir es gestern mit den Kindern nochmal besprochen, „Beten mit den Füssen“; wir sind nicht nur wandernd unterwegs, sondern wandernd mit einem Ziel, mit Gott auf unserm Weg, wir haben Impulse, wir haben stille Zeiten, in denen wir uns darauf konzentrieren „Warum sind wir unterwegs?“, wir sprechen darüber: Was macht das mit uns? Was bedeutet „Auf dem Weg sein?“, wir hören verschiedenen Geschichten aus der Bibel, wir singen immer wieder zwischendurch christliche Lieder; Sachen, die auch die Gemeinschaft stärken.
35 Mädchen und Jungen aus zwei Klassen der Potsdamer Marienschule nehmen an der Pilgerwanderung teil. Ich treffe die Gruppe am zweiten Tag während der Mittagsrast im idyllischen Pfarrgarten der Gemeinde Bliesendorf. Ortspfarrer Andreas Uecker begrüßt seine jugendlichen Gäste mit launigen Worten:
Pfr. Andreas Uecker:
Ich heiße Andreas Uecker und bin seit 22 Jahren hier Pfarrer …. und meine größten Hobbys sind Lego. Ich habe hier oben mein Legozimmer und bin dabei, ziemlich viel Lego zu verschenken, weil ich bald umziehen muss, also der zweite Flughafen ist schon weg und einige ICE-Züge und ich hab noch ganz altes Lego und das zweite Hobby von mir ist Drachensteigen. Drachensteigen lassen mit Drachensegeln. Mein größter Drachen ist 8 qm groß. Und ich hab da noch einen Buggy drin, den würde ich auch noch abgeben, dass man sich dann am Strand reinsetzen kann und von einem großen Drachen ziehen lassen kann…
Auf den Tischen steht reichlich Proviant bereit. Doch bevor das Essen startet, gibt es, wie es sich für Pilger gehört, erstmal ein gesungenes Gebet: (Musik)
Knapp 10 Km betrug der Strecke am Vormittag. Der 11jährige Samuel lässt sich die Anstrengung kaum anmerken:
Samuel:
Irgendwann wird’s auch so ein bisschen anstrengend, aber bisher geht’s noch.
Schlapp gemacht hat keiner? – Nein.
Was war das beste bisher? Am besten wars: wo wir bei nem Kirschbaum Pause gemacht haben, da haben wir ganz viele Kirschen gepflückt.
Seid ihr richtig reingeklettert in den Baum? Ja.
Warn se gut die Kirschen? Ja!
Julius findet es toll, dass die Pilgerwanderung über mehrere Tage geht und mal was anderes bietet als Schulalltag und Klassenzimmer. Und auch die geistlichen Programmpunkte haben es ihm angetan:
Julius:
Es ist nicht nur so an einem Tag und dann ist wieder ganz normaler Alltag, sondern man kommt mal raus aus dem Alltag. Wir singen ganz viele Lieder, und jeden Tag lesen wir immer ein bisschen weiter in einer Geschichte, und jeden Tag haben wir dann auch ein neues Thema quasi. Was war heute das Thema? Dass wir uns gegenseitig helfen.
Warst du auch im Zelt heute nacht? Ja!
Wars gut! Ja! Ich wurde aber von paar Mücken gestochen…Mücken? Ja!
Aber nen Überfall gabs nicht? Nee!
Müsst ihr da früh aufstehen morgens? Ja, es geht, wenn man früh genug ins Bett geht, kriegt man auch genug Schlaf.
Auch die Mädchen lassen sich die Mühen des Pilgerwegs kaum anmerken. Fernanda und Sonja sind tapfer:
Fernanda:
es war gut, nur dass die Füße wehgetan haben nach ner Zeit
Sonja:
ja, man kriegt dann auch wirklich Blasen, aber dann… jetzt ist ok
Und Lexi wird die Nacht im Gemeindehaus der Pfarrei Maria Meeresstern nicht so schnell vergessen, wegen der kleinen Krabbeltiere, und weil die Jungs nachts Rabatz gemacht haben:
Lexi:
Ja es gab auch Spinnen – und es gab auch Streit unter uns. Die Jungs haben Tannenzapfen an unser Fenster geworfen, aber wir ….. mögen uns aber auch alle.
Habt ihr euch aber nicht gefallen lassen, oder?
Fernanda:
Wir sind zu den Lehrern gegangen, haben dann aber auch bisschen mitgemacht, es war eigentlich schon lustig.
Fernanda, Sonja und Lexi sind vor allem von dem intensiven Naturerlebnis der Wiesen und Wälder im Lehniner Wald- und Seengebiet begeistert. Da könne man so richtig abschalten und auf ganz andere Ideen kommen:
Fernanda:
Also man entdeckt halt viel und man erkundet was von der Natur.
Sonja:
Wenn man draußen ist in der Natur ist das doch viel schöner, und man hat auch ganz viel Zeit, nachzudenken über Sachen.
Und was für Gedanken kommen einem da, wenn man so viel Zeit hat?
Lexi:
Also man denkt über die anderen nach, also man redet nicht nur mit den Personen, mit denen man sonst in der Schule redet, Sitznachbarn oder so, sondern man geht manchmal zu anderen hin und unterhält sich mit denen, die man noch gar nicht so richtig kennt, weil, wir pilgern auch mit der Parallelklasse, und wir sind da so ein bisschen befeindet, mehr oder weniger, aber jetzt merken wir: hey, die sind ja doch nicht so doof…
Eine mehrtägige Pilgerwanderung mit mehr als 30 Jungen und Mädchen, das geht nicht ohne die Mitwirkung engagierter Eltern. Zwischen 15 und 20 Väter und Mütter konnten zur freiwilligen Mitarbeit gewonnen werden. Sie kauften ein und bereiteten Frühstück und Mittagsimbiss vor. Abends wurde in der Unterkunft gekocht. Die Eltern erklären sich gerne bereit, denn sie wissen den Mehrwert einer solchen Klassenfahrt zu schätzen, fördert sie doch Freundschaften und Zusammenhalt unter den Schülern. Vater Dirk Hinrich Haar hat einen ganzen Tag für die Begleitung der Pilgerwanderung eingeplant:
Dirk Hinrich Haar:
Wir haben heute Morgen angefangen, sind um 7 Uhr los, haben dann mit den Kindern versucht aufzuräumen, es ist durchaus etwas anstrengend, wir bewundern da schon die Lehrer, die das raushaben, wie man die Schüler dazu anhält mitzumachen und so, aber das hat dann auch gut geklappt, und …. Es musste auch gründlich gewischt und die Zelte mussten aufgebaut werden, und dann sind die Schüler losmarschiert und wir sind an ihnen vorbeigefahren, alle haben gewunken, und wir sind im Bus mit dem Gepäck nach Lehnin gefahren und jetzt sind wir zurück und warten auf die Kinder, damit die unser Büffet essen.
Wie wichtig ist das Engagement der Eltern bei so einer Aktion?
Ja ich denke, das ist nicht anders möglich, wenn man sehen muss, man kann sich Essen liefern lassen, aber dann wird’s auch teuer usw. aber so günstig aber dann auch mit echtem Engagement geht das nur mit den Eltern.
Am Abend treffe ich die Pilgergruppe nach weiteren knapp acht Kilometern in ihrem Nachtquartier im Pater Engler-Haus in Lehnin, einem Jugendgästehaus der katholischen Gemeinde. Aurel, Max und Anton haben die Strecke gut bewältigt, wenn es auch Kraft gekostet hat:
Aurel:
Ja es war sehr anstrengend, ich hatte auch kurzzeitig kein Wasser mehr und in der Mittagspause habe ich dann meine Wasserflasche wieder aufgefüllt und dann wars wieder gut.
Was hat dir am meisten gefallen heute?
Also dass wir im Wasser baden konnten und dass wir halt alle in einer Gruppe waren und uns halt gut verstanden haben.
Max:
Ja, es war nicht so warm, weil wir auch viel Schatten hatten wegen den Bäumen und dass man sich dann auch ins Wasser sich erfrischen konnte, das war noch mal ein anderes Feeling sozusagen.
10 Minuten seid ihr schweigend im Wald gegangen, warum?
Dass man die Natur wahrnimmt und auch einfach, dass man nicht die ganze Zeit rumbrüllt, sondern dass man auch mal einfach die Stille genießen kann.
Anton:
Wir singen immer so zum Abendessen, also zum Essen, wir machen so ne, ich hab vergessen wie das heißt, äh, Impuls, wir machen son Impuls.
Was heißt Impuls?
Impuls heißt, ich weiß nicht so genau, ja mal nachdenken. Oder kurz in sich zu schauen.
Aurel:
Ja es war sehr cool, als wir sehr still waren. Wir haben halt die Vögel gehört, wie die gezwitschert haben und dann der Wind, wie der durch die Blätter gekommen ist, und das war halt sehr schön.
Die Station in Lehnin ist Halbzeit der Pilgerwanderung. Die Kinder spielen Tischtennis und toben im Haus umher. Andere gehen im Ort spazieren und belagern die Eisdiele. Klassenlehrerin Ursula Hayungs, die die Pilgerwanderungen der Marienschule seit Jahren organisiert, ist zufrieden mit dem bisherigen Lauf der Dinge:
Ursula Hayungs:
Bisschen erschöpft, aber doch auch guten Mutes, es hat bisher alles gut geklappt und vor allem freut mich, dass die Kinder da jetzt auch ein bisschen hineinwachsen, nach dem ersten Tag, wo sich das noch mehr wie ein Wandertag anfühlte, dass sie jetzt ins Pilgern hineinkommen. Zum Beispiel das schweigend Laufen, gestern haben wir das zum ersten Mal gemacht mit den Schülern, aber heute – heute wars ne Viertelstunde - da sind die wirklich schon ganz gut still und leise gelaufen, fand ich schon gut. Schweigend durch den Wald! Aber ich merke dass gerade Kinder, die auch in der Schule sehr laut sind, das auch durchaus mal genießen, wenn sie sowas erleben, wir hatten das bei einem Schüler, der sonst in der Schule sehr laut ist und immer viel reinruft, der hat jetzt ganz am Ende gesagt hat, dass mich so stolz macht, dass ichs mal geschafft habe, 20 Min am Stück mal nichts zu sagen, das hätt ich nicht gedacht, dass ich das mal schaffen würde.