25.12
2024
08:40
Uhr

Chanukka und Weihnachten

Ein Beitrag von Viktoria Hellwig

Autorin:
Es begann mit einem Wunder. Dunkel war es und auch kalt, denn das Wunder geschah mitten in der Nacht. Sie hatten es weit gehabt und nun waren sie endlich angekommen. Das Licht es war erst ganz klein, dann strahlte es über alle Köpfe hinweg.
Wissen Sie worauf ich hinaus will? Ist es das Wunder, das Christinnen und Christen gestern Abend feierten? Das Licht, das in die Welt kommt. Jesu Geburt im Stall, der Stern, der alle erleuchtete? Aber nein, das ist es nicht. 

Ich spreche von dem Wunder von Chanukka, das ab heute Abend Zimmer, Wohnungen und Städte erleuchten soll. Das hebräische Wort חֲנֻכָּה heißt übersetzt Weihung, denn es bezieht sich auf die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahre 164 v. Chr., und beginnt am 25. Tag des jüdischen Monats Kislew, das fällt dieses Jahr auch auf Weihnachten, den 26. Dezember. Um mehr zu den Hintergründen von Chanukka zu erfahren, habe ich mit Rabbiner Andreas Nachama gesprochen und ihn gefragt: Wie ist denn der Ursprung von Chanukka?

Andreas Nachama
Der Ursprung dieses Festes liegt auch ein bisschen im Dunkeln, aber das war beim Lichterfest auch nicht ungewöhnlich sein. Es gibt zwei Quellen, die man benennen könnte. Die eine ist tatsächlich eine Art Guerillakrieg, den die Makkabäer, also die Leute um Juda Makkabi gegen die griechische Besatzung, aber auch gegen die sich hellenisierenden Juden geführt haben. Also es war ein Krieg nach innen und nach außen und der gegen 164/165, auf der Jahreswende zu Ende. Der Tempel in Jerusalem wurde wieder geweiht und man fand, und das ist sozusagen die zweite Quelle ein Fässchen Öl, das für die Menorah eigentlich für einen Tag gut gewesen wäre und dann eben oh Wunder acht Tage lang brannte. Und jetzt sieht man dann die Parallele zwischen den acht Tagen Ölkrüglein und acht Tagen feiern. Und interessant ist natürlich auch, dass die Rabbiner diesen Gewaltexzess nicht zum Feiertag gemacht haben, sondern zum Feiertag das Wunder, das Licht Wunder gemacht haben. Also לֹ֤א בְחַ֙יִל֙ וְלֹ֣א בְכֹ֔חַ Nicht durch Gewalt und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, sprich der Herr Zebaoth. Das ist auch die Haftara, die an dem Tag gelesen wird.
 

Autorin:
Es ist das Wunder, das gefeiert werden soll. Nicht der Krieg, nicht die Gräueltaten, die vielleicht verübt wurden, sondern das Licht. Aber man erzählt davon, man probiert es einzuordnen. Ebenso wie bei dem Lichtwunder, das die Christen heute feiern. Auch da wird in der Geschichte erst mal erzählt, dass Maria sich auf den Weg machen sollte zu Stadt Davids, denn eine Volkszählung stand an. Der politische Hintergrund war ebenso unfeierlich, wie bei Chanukka: Kaiser Augustus hatte eine Volkszählung angeordnet, denn er wollte wissen, wie viel Geld seine Beamten wirklich einnahmen und wieviel in die eigenen Taschen ging. Rabbiner Andreas Nachama kennt noch andere Ähnlichkeiten der beiden Feste:

Andreas Nachama
Man müsste natürlich dann auch sagen Weihnachten also 25. Dezember - Chanukka 25. Kislew, acht Tage von Weihnachten ist die Beschneidung des Herrn. Acht Tage dauert das Chanukka Fest. Wer da nicht gewisse Parallelen auch in der Struktur des Kalenders sieht, der hat nicht die richtige Brille auf. Das ist natürlich ein ganz anderer Inhalt, aber diese Kalender Strukturen sind geblieben. Und übrigens Lichtwendefest das hat, wird ja auch immer über Weihnachten sozusagen gesagt. Also schon im Talmud heißt es schon, dass der Adam, der Urmensch ein Lichtwendefest gefeiert hat. Also möglicherweise ist es eben auch so, dass das Ganze, also auch diese Befreiungsfeier und das Licht Wunder, das es da gibt auf ältere Volksbräuche zurückgeht, die jetzt in anderen Büchern der Bibel nicht dokumentiert sind, aber die es doch durchaus gegeben haben mag.

Musik: Jacob Spike Kraus – Light up the Night

Autorin:
נס גדול היה שם wurde gerade gesungen. Das heißt übersetzt: “Ein großes Wunder geschah dort”. Es bezieht sich auf ein Spiel mit einem Kreisel: Dreidel heißt dieser Kreisel mit vier Ecken. Auf jeder von ihnen steht ein hebräischer Buchstabe: נ (Nun), ג (Gimel), ה (He) und ש (Schin), es sind die jeweiligen Anfangsbuchstaben der Worte : נס גדול היה שם . Mehr zum Dreidel verrät Rabbiner Andreas Nachama:

Andreas Nachama
Das ist ein Spielinstrument. Da sind vier Buchstaben und diese Buchstaben, die da drauf sind, haben eben eine, sagen wir mal, nette Bedeutung. נס גדול היה שם , also das ist die Abkürzung. Das Spielen war eigentlich nur der der Punkt: Solange wie die Kerzen nicht runter gebrannt sind, soll man sich von ihnen nicht abwenden. Natürlich aus unterschiedlichen Gründen, aber natürlich auch, damit man das Wunder sieht. Und was macht man dabei? Man spielt solche Spiele oder man isst diese Pfannkuchen oder man unterhält sich miteinander. Natürlich, bei acht Tagen ist mal das eine und mal das andere. Aber Kinder, solange man klein ist, will man natürlich immer irgendwie spielen, damit das Spiel Instrument auch noch gibt. Ja, dann ist es natürlich gut.

Autorin:
Der Dreidel ist eins der bekanntesten Symbole von Chanukka, ein sehr bekanntes Lied wurde um den Dreidel gedichtet, denn das beliebte Spiel kennt wahrscheinlich jedes jüdische Kind. Vor allem der Wetteinsatz ist wertvoll, da wird um Süßigkeiten gewürfelt oder um Chanukkagelt.

Andreas Nachama
Das sind silberne und goldene Papp Münzen jetzt hier, die man sich herausschneidet oder ausgestanzt. Und das war, sagen wir mal, eben auch einer der Punkte. Man kann das also um Schokolade spielen oder um Nüsse oder was auch immer, oder man kann es hier so rum um Papier oder Spielgeld machen, aber es gehörte schon dazu, dass man das immer macht, es Spielgeld, das musste selbst hergestellt werden. 

Musik: Maccabeats - I have a little dreidel 

Autorin:
Alles wird vorbereitet, geschmückt, geputzt. Freunde und Familie werden eingeladen. Ein Tisch wird festlich geschmückt, wie vielleicht bei Ihnen heute zuhause auch. In christlichen Wohnungen und Häusern wurde seit dem ersten Advent ein Licht entzündet, jede Woche eines mehr. In jüdischen Häusern werden heute Abend Kerzen entzündet, jeden Tag kommt eine dazu auf der Chanukkia. Zu den Kerzen wird eine Bracha, ein Segen gesungen:

O-Ton Bracha:

ברוך אתה יי, אלוהינו מלך העולם, אשר קידשנו במצוותיו, וציוונו להדליק נר של חנוכה

Autorin:
Die Bracha sagt übersetzt: 

Gepriesen bist Du,
unser Gott, Herrscher des Universums,
der Du uns heilig gemacht hast durch Deine Gebote
und uns befohlen hast
die Chanukka-Lichter anzuzünden.

Warum der Leuchter an Chanukka, nicht sieben, sondern neun Arme hat, erklärt Rabbi Andreas Nachama:

Andreas Nachama
Die Menorah hat sieben Arme, die Menorah, die im Tempel stand. Acht Tage lang wird dieses Fest gefeiert, und der neunte ist sozusagen eigentlich nur da, um die anderen acht anzustecken. Und um sicher zu sein, dass diese acht Lampen, wenn sie dann am achten Tag brennen oder die eine, die am ersten Tag brennt, nicht zu profanen Zwecken den Saal erleuchtet, sondern es gibt dann immer noch ein anderes Licht, nämlich dieses Hilfslicht zum Anstecken und das leuchtet dann sozusagen. Es ist ein wirklich heiliges Leuchten und nicht eins, das profaniert wird, damit auch unser Zimmer heller wird.

Autorin:
Kein profanes, also kein einfaches Licht soll es sein. Nicht einfach wie eine Kerze nebenher leuchten, sonders besonders. Die Chanukkia soll heilig leuchten, aber nicht nur für sich, sondern für alle Menschen gut sichtbar sein. Das Licht soll geteilt werden mit allen Menschen, auch den nichtjüdischen. Deshalb wird die Chanukkia gut sichtbar, zum Beispiel am Fenster aufgestellt. Das Licht zu teilen ist eine Mitzwa, ein Gebot für jüdische Menschen an Chanukka. 

Das Licht wird auch in christlichen Haushalten gefeiert, im Advent wurde es immer heller in den Wohnzimmern und Küchen. Jeden Sonntag eine Kerze mehr, bis dann gestern auch alle Kerzen am Weihnachtsbaum endlich leuchteten. Seit einigen Jahren gibt es auch eine Vermischung der Traditionen, schließlich leben ja viele Religionen Tür an Tür. Aus dem christlichen Weihnachten und dem jüdischen Chanukka wird Weihnukka. Nicht immer beliebt ist diese Vermischung der Feste. Eine „Verballhornung“ nennt es Rabbiner Andreas Nachama:

Andreas Nachama
Ich würde auch bei mir zu Hause dagegen protestieren, wenn Söhne oder Enkel mir jetzt mit Weihnukka begegnen würden. Das ist so eine Verballhornung, die natürlich auch im deutschsprachigen Bereich deshalb eher funktioniert als andernorts, weil es hier eben auch Weihnachten ist. Also die Weihe der Kerzen. Da kommt man vielleicht auf so eine Verballhornung. Ich mag das nicht, aber richtig ist ja schon. Es ist oftmals tatsächlich direkt in der gleichen Zeit. Es bleibt sozusagen immer im Dezember. Und das ist, sagen wir mal etwas, was dann doch in der Advents- und Weihnachtszeit ist und wo dann natürlich Dinge sozusagen parallel laufen, also Süßigkeiten. So sind eben viele Dinge da, die am Ende dadurch, dass man vielleicht ja auch also ich war in meiner Kindheit immer bei den Nachbarn, bei den nichtjüdischen Nachbarn, meinen christlichen Nachbarn eingeladen zum Advent oder auch am zweiten Weihnachtsfeiertag. Und dann hat man das alles gesehen und umgekehrt sind die gekommen, standen dann mit uns vor dem Chanukka Leuchter. Und so ist es ja einfach, wenn man beieinander wohnt, dann gibt es direkten Kontakt oder einen direkten Austausch und der ist natürlich gewünscht. Also nicht das verballhornen, sondern dass man sich gegenseitig einlädt und gemeinsam erlebt.

Autorin:
Gemeinsam Feiertag erleben, gemeinsam feiern. Mal nicht nur die Familie einladen, sondern eben auch die Nachbarn von gegenüber, die vielleicht gar nicht Weihnachten feiern, aber sich trotzdem freuen würden. Und was gehört zu so einem gemeinsamen Feiern dazu? Natürlich Essen. Wahrscheinlich schon wochenlang geplant und vorbereitet. Weihnachten bei uns hieß immer Tafelspitz und Meerrettich Soße.

An Chanukka gibt es neben der Mitzwa zum Licht auch besondere Speisen, die an das Ölwunder erinnern sollen. Nämlich in Öl gebackene Speisen, eine davon ist Sufganyah. Was das ist erklärt Rabbiner Nachama:

Andreas Nachama
Das sind eigentlich Berliner Pfannkuchen und die gehören dazu, weil eben das Öl sozusagen im Mittelpunkt steht. Das heißt, eigentlich macht man Pfannkuchen, die werden ja auch in Öl gebraten und daher hat sich das in Berlin oder von Berlin ausgehend sozusagen in die jüdische Welt geschoben. Also eigentlich macht man, meine Mutter hätte noch immer Pfannkuchen gemacht, dann gibt es dazu wunderbar. Also entweder Zucker drauf gestreut oder Schmand oder was auch immer. Also so kann man ein mögliches Ja mit machen. Das gehört ja auch dazu, dass man, sagen wir mal, in dieser schwierigen Zeit diese dunkel ist, die auch kalt ist. An vielen Punkten der Welt, auch Europas und natürlich auch im Israel, im Heiligen Land war es ja die kälteste Jahreszeit, also dass man da sozusagen gut durchkommt. Das ist ja auch gar nicht so selbstverständlich. Wir haben halt überall Heizung und elektrisches Licht. Das muss man sich einfach auch noch 100, 150 Jahre zurück vorstellen, weil das eher die Ausnahme ist. Man muss dann schon immer im Winter viel tun, um da durchzukommen.

Autorin:
Heute ist der erste Weihnachtstag und heute Abend wird auch die erste Kerze am Chanukka Leuchter entzündet. Zwei Feste, die das Licht feiern. Wie das Licht in die Welt kam und wieder kommen wird. Jedes mit seinen ganz eigenen Traditionen und Bräuchen, und doch eins haben sie gemein: zusammen soll gefeiert werden, das Licht geteilt an Weihnachten und Chanukka. חַג שַׂמֵחַ – frohes Fest.

Musik: Hans Bloemendahl - Maoz Tzur