Die Kreuzigung, dargestellt auf dem Sankt-Martin-Berg bei Vonyarcvashegy, Ungarn. Die Kreuzigung, dargestellt auf dem Sankt-Martin-Berg bei Vonyarcvashegy, Ungarn.
Die Kreuzigung, dargestellt auf dem Sankt-Martin-Berg bei Vonyarcvashegy, Ungarn.
18.04
2025
08:40
Uhr

Die Frauen unterm Kreuz

Ein Beitrag von Viktoria Hellwig

Autorin:
Die Szene am Kreuz. Vielen kennen sie, verfilmt wurde sie auch schon. Die letzten Tage der Passion, also des Leiden Jesu Christi sind ein einprägsames Bild, nicht nur in Kirchen. Da hängt Jesus am Kreuz. Neben ihm noch zwei andere Gekreuzigte. Soldaten sind auch da, die haben ihn ja schließlich gekreuzigt. Aber wer noch? Wer schaut diesem Schrecken zu? In den Evangelien wird davon berichtet.

Markus 15, 37, 40f.

Aber Jesus schrie laut und verschied. Und es waren auch Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome, die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren. 

Ulrike Metternich
Es ist super mutig unter einem Kreuz zu stehen, denn warum wurde gekreuzigt? Das war eine öffentliche, grausame Hinrichtung von Menschen, die als Staatsverbrecher galten. Das musste eine abschreckende Wirkung haben. Und da musste man auch hingehen und gucken, wie schlecht es denen geht. Pontius Pilatus hat Tausende von Leuten gekreuzigt. In Rom haben mal die Sklaven rebelliert. Da wurden 6000 Sklaven auf einmal gekreuzigt und es war so unmenschlich, dass es keine einzige Darstellung des Kreuzes gab von Jesus solange noch gekreuzigt wurde. Es gibt keine Darstellung vorher, weil es so grausam war. Es gibt keine Beschreibung, was am Kreuz passiert, weil es so grausam war. Und natürlich durfte kein römischer Bürger gekreuzigt werden. Das war was für die unterdrückten Bevölkerungsschichten. Damit Ruhe im Land herrschte.

Autorin:
Das war Ulrike Metternich, die Neutestamentlerin beschäftigt sich in ihrem Podcast „Feministische Bibelgespräche“ zusammen mit ihrer Kollegin Luzia Sutter-Rehmann mit biblischen Auslegungen und Erzählungen rund um Frauen in den biblischen Texten. Sie setzt die Erzählungen in den Evangelien noch einmal in den historischen Kontext. Die Kreuzigung im Römischen Reich war eine politische Strafe, zur Abschreckung. Damit diese auch wirksam war, mussten alle hin. Mussten hinsehen, und durften keine Miene verziehen. Wer Mitleid zeigte mit den Gekreuzigten, war selbst in Gefahr. Die Evangelien schreiben nicht davon, sie beschreiben erst lange danach wer unterm Kreuz gewesen sein soll. Wer die Geschehnisse mitverfolgte, still mitlitt. Es waren Frauen. Die Männer waren geflohen, einige noch vor der Kreuzigung.

Markus 14,50 ff.
Da verließen ihn alle und flohen. Und ein junger Mann folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt. 

Autorin:
Die Männer waren weg, Angst vor der Obrigkeit trieb sie vielleicht. Angst die nächsten zu sein. Oder auch Schuldgefühle. Doch einige standen da noch. Die Frage bleibt, wer? Und warum wird von ihnen berichtet?

Ulrike Metternich
Das ist eine total spannende Frage. Warum werden die Frauen unterm Kreuz überhaupt erwähnt? Gucken Sie sich mal an Markus 14. Da steht auf jeden Fall, dass die Jünger alle geflohen waren. Und dann erscheinen auf einmal alle Frauen, die mit Jesus schon von Galiläa, mit ihm gezogen sind. Das heißt, der Plural die Jünger enthält immer auch ganz viele Frauen. Und die werden jetzt sichtbar, wo alle Männer geflohen sind.

Johannes 19,25
Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. 

Ulrike Metternich
Ja namentlich genannt wird Maria Magdalena und andere Frauen werden genannt, noch viele Marien. Maria war ja immer was ganz Aufständiges. Der Name Maria wurde gerne vergeben in der damaligen Zeit, weil er eher erinnerte an Miriam, die Schwester Mose, die aus Ägypten herausführte und die Frauen aus der Jüngerschaft Jesu waren. Viel mutiger, muss man sagen in diesem Moment als die Jünger, denn es durfte auch unter dem Kreuz nicht geweint werden, sonst würde man selbst gekreuzigt. Und sie standen sicher auch nicht zu Unrecht etwas von Ferne.

Musik: Kaddisch – Maurice Ravel 

Autorin:
Jesus stirbt allein am Kreuz. So wird es erzählt. So wird es oft dargestellt. Aber ganz allein war er nicht. In drei der vier Evangelien und der Berichte von Jesu Leben und Sterben werden sie erwähnt. Im Markusevangelium stehen „Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und des Josef, und die Mutter der Söhne des Zebedäus“. Sie werden genannt, aber definiert über ihre Männer und Söhne. Nur eine steht für sich, Maria aus Magdala.

Ulrike Metternich
Auf jeden Fall ist Maria Magdalena eine total mutige und widerständige Frau. Ganz wichtig ist, dass wir erst mal das hören, was das Wort Maria kommt aus Magdala für die Menschen damals bedeutet hat. Magdala war ein Ort eines riesig großen römischen Kriegsverbrechens. Das heißt, Maria von Magdala kannte den Krieg, und sie war selber verletzt. Jesus heilt sie, und sie ist in der Nachfolge mit vielen anderen Frauen.

Das muss man auch immer betonen. Also die Frauen werden da wirklich genannt, wo alle Männer weggehen. Alle Männer sind geflohen, als es zur Kreuzigung Jesu kam. Das war sehr, sehr mutig, da stehen zu bleiben, denn wer unter dem Kreuz weinte, landete als nächstes am Kreuz.

Autorin:
Maria und die anderen Frauen stehen unterm Kreuz und bleiben bei Jesus, sie begleiten ihn in den Tod. Maria Magdalena wird auch diejenige sein, die den auferstandenen Jesus als erstes sieht. Sie wird die erste Apostelin sein, seine Botschaft weitertragen, eine Rolle die ihr viele Jahrhunderte in den Auslegungen der Schriften verwehrt wurde. Dabei ist sie nicht die einzige Frau, erzählt Theologin Ulrike Metternich:

Ulrike Metternich
Wenn ich jetzt mal in der Auslegung der Bibel gehe, ist Frauen traditionellerweise keine große Rolle zugedacht worden, weil sie sich sehr darauf fokussiert hat auf Jesus und die Zwölf. Man hat sich ja immer zwölf Männer darunter vorgestellt. Allerdings wenn wir den Text jüdisch lesen, kann man natürlich sagen: Die Zwölf, das waren die 12 Stämme Israels. Und das müssen wir eben auch mitbedenken, dass die Evangelien in einer Zeit der römischen Diktatur geschrieben wurden und alles unter Zensur stand. Und das wissen wir ja heute wie in Diktaturen, was das bedeutet, unter Zensur zu stehen. Deshalb sind verschiedene Texte auch nur gut zu verstehen aus dem Neuen Testament, wenn wir sie jüdisch lesen können und wenn wir ihren zeitgenössischen Hintergrund kennen.

Musik: Kaddisch – Maurice Ravel

Autorin:
Karfreitag, die Orgel schweigt in Kirchen, das Kreuz wird verhängt, schwarz, Zum Zeichen der Trauer, die Altarkerzen werden gelöscht. Jesus, der Sohn Gottes ist tot. Er war Jahrelang gereist, hatte mit Menschen gesprochen, zu Menschen gesprochen. Von Wundern wird erzählt. Und von seiner Güte, seine Menschenfreundlichkeit. Nun hängt dieser Menschenfreund am Kreuz. Er hängt zusammen mit anderen Verurteilten von der römischen Obrigkeit. Mehr dazu weiß, Ulrike Metternich:

Ulrike Metternich
Es war gefährlich, selber aufzustehen, sich Mut zu machen, Widerstand zu entwickeln und auch mit den Texten des Neuen Testaments den römischen Machtapparat zu entlarven und eben nicht den Kaiser in Rom als den Herrn und den Gott zu verehren, als der er verehrt werden wollte. Das können wir uns ja heute gar nicht vorstellen, wie eng Politik und Religion miteinander verbunden war. Also wer nicht dem römischen Kaiser ehrte, der galt gleichzeitig auch schon als politischer Feind. Das muss man immer mitbedenken. Das ist für uns heute nicht im ersten Moment nachvollziehbar, aber wichtig, um die Texte zu lesen.

Autorin:
Jesus war ein Aufständiger. Einer, der sich nicht hat unterkriegen lassen, der sich nicht unterdrücken lassen wollte. Nun hing er da am Kreuz, viele seiner Anhänger geflohen, nur die Frauen nicht. Die blieben. Ob da tatsächlich nur drei Frauen standen oder fünf oder mehr, lässt sich heute nur schwer bestimmen. Aber die erwähnten Frauen stehen für mehr, sie stehen stellvertretend für die anderen, namenlosen Frauen und Anhängerinnen Jesu.

Ulrike Metternich 
Da standen unter anderem noch mehr Frauen, ganz bestimmt standen da noch mehr Frauen. Also die Gruppe der Menschen klein zu halten in den schriftlichen Texten, damit die Römer nicht dachten, wir müssen die Gruppe weiterverfolgen, war sicherlich auch ein Thema. Denn es war natürlich gefährlich, an einen Auferstandenen zu glauben, den die Römer gerade umgebracht hatten.

Autorin:
Sie nahmen viel auf sich, diese Frauen. Die Frauen, die Jesus folgten werden auch in den kommenden Ostertagen noch tragende Rollen spielen um die Auferstehung. Sie werden ihn entdecken, das leere Grab, sie werden die Botschaft weitertragen, trotzdem glauben, auch ihren Freuden zum Trotz. Sie werden sich gegen die Zweifel durchsetzen und die Hoffnung weitergeben. Die Frauen unterm Kreuz.

Musik: Der letzte Song – Kummer feat. Nina Chuba