Die katholische Kirche St. Peter und Paul in Potsdam Die katholische Kirche St. Peter und Paul in Potsdam
Die katholische Kirche St. Peter und Paul in Potsdam
13.10
2024
08:40
Uhr

Die Schöpfung bewahren

Brandenburger Gemeinden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Ein Beitrag von Johannes Rogge

„Mir ist Ökologie und Nachhaltigkeit, ein großes Anliegen. Ich arbeite auch in dem Bereich, und gleichzeitig setze ich mich in meiner Kirchengemeinde auch für das Thema, wie wir es dort nennen, Schöpfungsbewahrung ein, und von daher, ja, bestimmt dieses Thema schon so mein Leben.“

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… sagt Carina Zell-Ziegler. Ich treffe sie am Rande einer Veranstaltung in Eberswalde im vergangenen September. Die ACK – die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in Deutschland – hat zum „Tag der Schöpfung“ nach Eberswalde eingeladen. Einmal im Jahr treffen sich engagierte und interessierte Christinnen und Christen, um Gottes gute Schöpfung zu feiern und sich für ihren Erhalt einzusetzen. Das Thema verbindet die Christen unterschiedlicher Konfessionen und Traditionen. So manche theologische Differenz wird hier überbrückt. Denn bei der Schöpfung sind sich die Christen einig. Gott ist ihr Schöpfer und hat sie uns – den Menschen - anvertraut. Die damit einhergehende Verantwortung aber, wurde in den letzten Jahrzehnten sträflich hintenangestellt.

Der Einsatz für Klimaschutz, Artenvielfalt und Nachhaltigkeit – auf Christlich heißt es „Bewahrung der Schöpfung“. Und spätestens seitdem Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato Si“ nicht nur die Katholiken, sondern auch die Wissenschaft mit seiner Analyse und theologischen Deutung der Klimakrise überrascht hat, bewegt es auch hier in Brandenburg viele Gläubige.

Atmo Schöpfungsgottesdienst

Karin Pfundstein
Karin Pfundstein, Mitglied im Ausschuss Ökologie mit Haus und Hof.

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Ein paar Wochen später in Potsdam. Die katholische Gemeinde St. Peter und Paul hat zum Schöpfungsgottesdienst eingeladen. Die Kirche ist voll, der Projektchor sorgt musikalisch für gute Stimmung, inhaltlich geht es um den Lobpreis der Schöpfung.
Angestoßen und mit vorbereitet wurde der Gottesdienst von Karin Pfundstein.
Sie engagiert sich seit vielen Jahren in der Gemeinde, vor allem im Ausschuss Ökologie mit Haus und Hof. Gemeinsam organisieren sie Veranstaltungen rund ums Thema Nachhaltigkeit und schauen, dass die Verbräuche in der Gemeinde möglichst ökologisch gestaltet werden, vom Druckerpapier bis zum Geschirr bei Gemeindefesten. Die Arbeit des Ausschusses wird von vielen in der Gemeinde geschätzt, so auch heute der Schöpfungsgottesdienst.

Karin Pfundstein
Die Resonanz war sehr, sehr gut. Also mich haben gerade eben auch viele Leute angesprochen, das war so schön, heute mal was anderes. Und viele sehen tatsächlich eben diese Aufgabe der Schöpfungsbewahrung als wichtig für uns als Christinnen und Christen.

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Gott danken für seine Schöpfung und gemeinsam mit der Schöpfung den Schöpfer preisen. Das stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Eine hoffnungsvolle Veranstaltung, verbunden mit der Sehnsucht nach Bewahrung. Denn die Herausforderungen im Klima- und Umweltschutz sind gewaltig. Und hier ist jede und jeder von uns gefragt, aber auch jeder Kirchturm! Was können wir hier ganz konkret in unserer Gemeinde tun? Eine Frage, die die Mitglieder des Ausschusses Ökologie der Potsdamer Gemeinde immer wieder umtreibt. Entstanden ist unter anderem eine Blühwiese neben der Kirche. Die etwas wilde Optik der für Insekten so wichtigen Fläche, hat anfangs manche irritiert.

Karin Pfundstein
Das war in der Tat gar nicht so einfach. Da gab es schon einige Gespräche und Diskussionen, die wir zu führen hatten, weil das hat es noch nie gegeben. Und es ist halt wirklich eine naturnahe Blühwiese, und es ist Lebensraum für viele Tiere, Falter, Insekten etc. Also, es wird jetzt keine irgendwie schöne Landesgartenschau Anpflanzung, sondern es wuchert da wirklich wild, wie Gottes Schöpfung so halt ist, und das auch die Akzeptanz dafür zu finden, das war ein kleiner Prozess, und wir haben immer wieder auch informiert und haben halt eben auch durch die Kooperation mit dem BUND auch einen echten Experten an unserer Seite gehabt, der da halt eben auch von wirklich Naturschutzseite aufklären konnte. Und so haben wir es dann doch geschafft, oder wir haben gemeinsam entschieden, das machen wir, und die ist da jetzt, das kommt total gut an, das inspiriert die Leute eben auch, das selber zu machen.

Blühwiese
Die Blühwiese neben der Kirche St. Peter und Paul interessiert viele Gemeindemitglieder.

Autor
Dass die Blühwiese Gemeindemitglieder motiviert, selbst aktiv zu werden, freut Karin Pfundstein besonders. Denn so ist schon die ein oder andere weitere Blühwiese in privaten Potsdamer Gärten hinzugekommen. Die Idee trägt Früchte…

Musik: Jacob Collier, Little Blue

Autor
Mehr Nachhaltigkeit und ein stärkeres ökologisches Bewusstsein, nicht nur im privaten, auch rund um den Kirchturm. Immer mehr Gemeinden in Brandenburg kümmern sich um ihren ökologischen Fußabdruck – aus Verantwortung für Gottes Schöpfung.

Dass es keine Wegwerf-Becher mehr bei Gemeindefesten in der Potsdamer Innenstadt gibt, ist gut und richtig. Allerdings weiß auch Karin Pfundstein, Mitglied im Ausschuss Ökologie der Gemeinde St. Peter und Paul, dass dies eher eine Geste ist, als ein signifikanter Beitrag zur Klimabilanz der Gemeinde.

Nicht zu vernachlässigen sind dagegen die kirchlichen Immobilien. Altes Gemäuer mit fossilen Heizungen bei schwindender Raumauslastung. Das Einsparpotential liegt auf der Hand. Und hier wird es in Potsdam in den nächsten Jahren spannend, denn die Gemeinde baut ein neues Gemeindezentrum – mitten im Holländischen Viertel.

Karin Pfundstein
Wir werden hier ein neues Haus bauen, das katholische Haus in Potsdam. Und ganz am Anfang eigentlich als es dieses Projekt gab, haben wir als Ausschuss neben ganz vielen Themen, die es natürlich zu klären gibt, bei so einem Bau immer gesagt, wir müssen diesen Bau aber tatsächlich noch nachhaltig bauen, soweit es wirklich geht, weil es halt eben Teil auch unsere Schöpfungsverantwortung ist. Ganz konkret im Energieverbrauch, Nachhaltigkeit, aber auch wirklich breit gedacht. Es geht ja auch um Wohlfühlen. Es geht tatsächlich, dass dieses Haus gut genutzt wird, dass es eben auch optimal ausgelastet ist, dass sozusagen viele Perspektiven bei der Planung schon mit reinwandern und wir das auch gemeinsam entwerfen, damit es was Gutes wird, was auch nachhaltig dann genutzt wird, genau aber halt auch wirklich bis hin zu den Baumaterialien, Stichwort Holzbau zum Beispiel und Energieerzeugung. Das wir das wirklich nachhaltig machen, und das ist auf fruchtbaren Boden gestoßen. Natürlich auch hier muss man viel mit den entscheidenden Gremien hier auch in der Gemeinde, dann in den Dialog treten, und es ist aber auf ja größtenteils auf offene Ohren gestoßen, und letztlich haben wir jetzt auch eigentlich den Beschluss vorliegen, dass wir diesen Bau nachhaltig planen und bauen wollen.

Autor
Apropos Bauen. Auch die katholische Gemeinde in Eberswalde hat ein nachhaltiges Bauprojekt vor der Brust, denn das bestehende Gemeindehaus gilt als nicht-sanierbar. Mittlerweile zuständig und selbst noch gar nicht so lange in Eberswalde zu Hause, ist Bruder Bernd Beermann. Der gebürtige Westfale ist Mönch. Kapuziner. Trägt – wie man es sich so vorstellt – eine braune Kutte mit weißer Kordel um den Bauch und klar – Sandalen. 
Seit Anfang dieses Jahres lebt er gemeinsam mit seinem Mitbruder Samson in Eberswalde.

Br. Bernd Beermann
Wir Kapuziner haben seit einigen Jahren Überlegungen gehabt, noch mal eine neue Präsenz aufzumachen, insbesondere in den deutschen Osten hineinzugehen und das Ganze zu verbinden mit einer sozialökologischen Initiative. Und sind da mit diesem Anliegen auf die Erzdiözese Berlin zugegangen, und in so einer gemeinsamen Suche sind wir dann letztlich in Eberswalde gelandet, unter anderem auch deshalb, weil ja der unmittelbare Nachbar der katholischen Kirchengemeinde, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde ist.

Autor
Wenn Bruder Bernd spricht, kann man erahnen, dass er kein klassischer Kirchenmann ist. Denn er ist kein Priester, sondern Wissenschaftler, studierter Biologe und Chemiker. Es ist genau die Mischung, die ihn reizt: Die wissenschaftliche Reflexion, gepaart mit dem spirituellen Ordensleben. Und nun ist er in Eberswalde am richtigen Platz, denn seine Kompetenz wird gebraucht. Nicht nur in Eberswalde soll Bruder Bernd unterstützen, sondern allen Gemeinden in Berlin und Brandenburg bei Fragen und Anliegen rund um mehr Schöpfungsverantwortung mit Rat und Tat zur Seite stehen. 
Für das Projekt in Eberswalde skizziert er den aktuellen Planungsstand.

Br. Bernd Beermann
Der Stand der Dinge ist zurzeit, dass wir zusammen mit der Gemeinde vor Ort eine Bedarfsermittlung gemacht haben. Also was brauchen wir an Räumen, wie groß sollen die ungefähr sein und so weiter. Welche Kriterien sollen diese Räumlichkeiten erfüllen? Dazu ist, dass auch wir als Kapuziner-Gemeinschaft dort eine Bleibe finden sollen. Auch das ist mit berücksichtigt worden. Das andere sind dann Kriterien des Bauens, also welche Materialien wählen wir aus, wie, was soll passieren? Zurzeit gehen wir davon aus, dass wir dieses neue Gemeindezentrum in Holz bauen, wenn es eben geht, in modularer Holzbauweise. Wir wollen versuchen, möglichst viele Naturmaterialien einzusetzen, also alles, was in irgendeiner Form eher eine, zum Beispiel eine Kohlendioxyd Senke darstellt, als dass das dafür Kohlendioxid großartig produziert wird. Das Ganze ist natürlich immer ein Abwägungsprozess, und wirklich die Details dieser Planung, da sind wir noch gar nicht an der Stelle, sondern wie gesagt, wir sind im Moment dabei zu schauen, haben wir die Bedarfe richtig ermittelt. Ist das hinreichend? Und natürlich gibt es auch solche Fragen wie was kostet das Ganze dann, und können wir uns das eigentlich leisten?

Autor
Die Details stehen noch aus. Aber die Richtung ist klar. Nachhaltig soll der Bau sein, zukunftsweisend und offen – und das nicht nur für kirchliche Angebote. Deswegen soll es im Gemeindezentrum zukünftig auch Kooperationsveranstaltungen geben, z.B. gemeinsam mit der benachbarten Hochschule für nachhaltige Entwicklung.

Br. Bernd Beermann
Bruder Bernd Beermann, Kapuzinermönch aus Eberswalde.

Bruder Bernd Beermann ist beides. Naturwissenschaftler, mit einem nüchternen Blick auf die Herausforderungen der Klimakrise, und ein tiefgläubiger, spiritueller Mensch. Deswegen braucht es für ihn immer beides.

Beermann 3
Für mich ist tatsächlich die, also gibt's letztlich zwei Säulen. Das eine ist, das Thema Schöpfung und Schöpfungsverantwortung nochmal mehr im geistlichen Leben, auch einer Gemeinde, zu verankern, weil ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass das nicht etwas ist, was man so, Ja, das machen wir auch noch. Das hat aber mit unserem Glaubensleben eigentlich nichts zu tun. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist, sondern dass das ganz essenziell mit ins Glaubensleben hineingehört. Und die andere Seite ist für mich natürlich auch, es wäre mir nicht genug, jetzt nur fromme Andachten zu feiern zum Thema Schöpfung, sondern das sollte auch in eine konkrete Umsetzung gehen.

Autor
Schöpfungsspiritualität. Es ist ein Begriff, der immer wieder fällt, wenn man mit Bruder Bernd spricht. Die Frage nach dem Erhalt von Gottes guter Schöpfung – unserer Umwelt und Natur – ist für ihn auch eine tief religiöse Frage. Denn die bisher vorherrschende Lesart im Umgang mit der Schöpfung, auch innerhalb der Kirche, hält er für grundfalsch. „Und macht euch die Erde untertan“ heißt es im Schöpfungsbericht der Bibel. Ein hierarchisches Bild, was bisher etwas zugespitzt hieß: Beutet die Umwelt für eure Zwecke aus! Macht sie euch untertan…

Doch das Gegenteil ist eigentlich gemeint, ist sich der Mönch aus Westfalen mit der modernen Theologie einig. Und für Bruder Bernd, selbst Mitglied der Kapuziner, einer Ordensgemeinschaft, die auf den Heiligen Franziskus zurückgeht, kommt eine weitere Dimension hinzu.

Br. Bernd Beermann
Dazu kommt, wenn ich auf die franziskanische Tradition schaue, der heilige Franziskus also für den war einer der ersten Orte, der für ihn wichtig war, um mit Gott in Beziehung zu kommen, war die Natur also, er hat sich immer wieder zurückgezogen in kleine Felsspalten, kleine Höhlen, in den Wald, in ähnliche Kontexte, wo er Gott ganz nahekommen konnte, und dieser quasi sakramentale Aspekt der Natur, also dass in der Natur eine Begegnung mit Gott möglich ist. Das ist etwas, was für uns als franziskanische Ordensleute eine ganz wichtige Dimension darstellt, und das andere ist natürlich das, was Franziskus in seinem berühmten Sonnengesang wunderschön zum Ausdruck gebracht hat, ist die Geschwisterlichkeit zwischen allem, was geschaffen ist. Also wenn der Schöpfer der Vater ist, dann sind wir alle Geschwister, dann ist das alles ein familiäres Geschehen, und das ist eine ganz andere Haltung der Natur gegenüber als die Natur, die ich ja ausnehmen kann. Ich formuliere das mal jetzt bewusst ganz so etwas provokant…

Autor
Die Schöpfung als geschwisterliches, ja familiäres Geschehen. Das ist nicht immer konfliktfrei, wie in jeder Familie. Aber die Sorge und Verantwortung für und umeinander prägt die Beziehung. In diesem Fall zwischen Natur, Mensch und Gott. Schöpfungsspiritualität nennt es Bruder Bernd Beermann. Er hofft, dass durch seine Arbeit dieser Gedanke in vielen Köpfen Wurzeln schlägt. Dass er wächst und dass er schließlich Früchte trägt - für die Bewahrung der Schöpfung.

Musik: Jacob Collier, Little Blue