Ein Blick durch einen großen, bogenförmigen Eingang mit Säulen. Dahinter erstreckt sich ein Weg, der in eine grüne Landschaft führt. Die Sonne scheint sanft und wirft Schatten auf den Boden, was eine ruhige und einladende Atmosphäre schafft. Ein Blick durch einen großen, bogenförmigen Eingang mit Säulen. Dahinter erstreckt sich ein Weg, der in eine grüne Landschaft führt. Die Sonne scheint sanft und wirft Schatten auf den Boden, was eine ruhige und einladende Atmosphäre schafft.
Ein Blick durch einen großen, bogenförmigen Eingang mit Säulen. Dahinter erstreckt sich ein Weg, der in eine grüne Landschaft führt. Die Sonne scheint sanft und wirft Schatten auf den Boden, was eine ruhige und einladende Atmosphäre schafft.
19.10
2025
08:40
Uhr

Die Seele des Menschen

Peter Ulrich Trappe:  
Die Seele ist ein Schwebendes, ein Atmosphärisches, eine Art Aura, die halt um uns herum oder in uns, aus uns heraus sich zeigt, bewegt und äußert. Ein Feines, in uns und um uns. Die Seele ist ein, Gott sei Dank, Ungreifbares, ein nicht dingfest zu Machendes und das ist ja auch gut so. Es ist ein Geheimnis in uns.

Autor
So beschreibt der orthodoxe Christ Peter Trappe die Seele: als eine zarte, leichte Anwesenheit im Menschen. Wie ein Hauch oder ein fein gesponnenes Gewebe. Schwer fassbar, ein Geheimnis eben. Aber dennoch nicht unwirklich oder nur eine Phantasie oder ein sehnsuchtsvoller Wunsch. Er zweifelt weder an der Existenz dieser Seele noch an ihrem Wirken in ihm. Insbesondere in seinen Gefühlen und in seinen Träumen erlebt er seine Seele. 

Peter Ulrich Trappe:
Ich hab Träume, wo ich meine ganzen Arbeitszeiten aufarbeite, wo ich hin und her überlege, was ich da falsch gemacht habe, was für die Beichte immer sehr wichtig ist bei mir, weil ich dann auf diesem Wege nämlich Momente auch aufschreibe am frühen Morgen, was zum Beispiel mir gesagt wird durch solche gegenständlichen Träume. Aber es gibt eben auch ganz andere Träume, wo die Seele sich wirklich aufschwingt in Höhen. Also ich hab zum Beispiel öfters diese Flugträume, wo man wie ein Vogel über einem Berg schwebt oder über eine Landschaft hinweggleitet, was sehr schöne Erlebnisse sind, wo man dann die Hoffnung hat, dass sowas vielleicht dann auch für die Ewigkeit gedacht sein könnte.

Autor 
Auf diese Weise gewährt seine Seele Peter Trappe einen Vorgeschmack auf die von ihm erwartete kommende Welt. Und ist eine Lehrmeisterin für ihn, zeigt und deutet ihm seine Schwächen und Fehler. Sie ist darin vollkommen frei. Unabhängig von ihm und seinem Bewusstsein macht sie im Traum ihre visionären Exkursionen. Und ist auch ein Organ der Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch - eine Art Wegweiser für das Leben, seine Herausforderungen und Tücken:

Peter Ulrich Trappe:
Die Seele ist ein Bereich der Freiheit. Wir sind nicht dazu geboren, gefesselt zu bleiben, sondern wir sind dazu geboren, als Menschen uns lebendig zur Freiheit hin zu entwickeln. Das Moment der Freiheit ist eben das, was uns Menschen gewährt wird von Gott, nicht zum Nutzen von Leidenschaft und von Begierden, sondern die Freiheit ist dazu da um der Erkenntnis willen dessen, … was die Seele will, was die Seele vom Innersten her, von ihrem eigentlichen Anliegen her will.

Musik 1

Autor
Alle vergangenen Völker und Kulturen hatten ein Konzept für die Seele. Für verschiedene Funktionen des Menschen gab es verschiedene Seelen: eine sterbliche Körperseele für die Körperfunktionen; eine ebenso sterbliche Ichseele für das Selbstbewusstsein und das geistige Leben; eine unsterbliche Freiseele, die den Körper im Schlaf und in Ekstase verlassen kann und beim Tod des Körpers die Fortexistenz der Person ermöglicht. Oder es wurde jeweils eine unsterbliche Seele für den Körper und eine für das Bewusstsein und den Verstand angenommen. Letztere kann sich im Leben vom Körper trennen und verlässt ihn beim Tod. Es gab die Idee einer Leben spendenden Kraft, eines Trägers der individuellen Existenz und einer Verklärungsseele der Verstorbenen. Auch ein Totenreich, ein Gericht für die Seelen und ihr Fortleben nach dem Tod stellten sich die Menschen früher vor. Präziser fasste der Philosoph Platon die Seele. Philosophiehistoriker Wilhelm Schmidt-Biggemann erklärt:

Wilhelm Schmidt-Biggemann: 
Plato geht davon aus, dass die Seele etwas sei, das an den Ideen teilhat. Und weil die Seele an den Ideen teilhat, ist sie selber so unsterblich wie die Ideen. Das lässt sich gut beschreiben: Wenn ich mir ein Dreieck vorstelle und mir die Winkelsumme im Dreieck als zwei rechte denke, dann sind das Wahrheiten, die keine zeitliche Dimension haben. Das heißt also, im banalen Sinne, ewig sind. Wenn mein Denken an dieser Wahrheit teilhat, dann ist es in Bezug auf dieses Denken ewig. Und da diese Teilhabe als Seele beschrieben wird, ist für Platon klar: Die Ewigkeit der Seele hängt daran, dass sie an den ewigen Ideen teilhat.

Autor:
Zu diesen ewigen Ideen zählte Platon auch das Gerechte, das Schöne und das Gute, nach denen die Seele strebt. Denn ihr Schicksal ist an ihren moralischen Lebenswandel gebunden. Immateriell und unsterblich ist die Seele, das eigentliche Leben in uns, gleichgesetzt mit der Person. Sie zu fördern, zu bessern und zu vervollkommnen, muss das Anliegen jedes Menschen sein. Dafür trat Platons Lehrer Sokrates auf Straßen und Plätzen ein. Deshalb angeklagt, lehnte er es ab, davon zu lassen und wurde mit dem Tod bestraft. So ernst nahm er die eigene Seele. Ganz anders sah der Seelenbegriff  beim Philosophen Aristoteles aus:

Wilhelm Schmidt-Biggemann:  
Er hat die Vorstellung, dass die Seele die Form des Körpers ist. Das heißt: Form für Aristoteles ist alles dasjenige, was einen Gegenstand von innen und außen zu dem macht, was es ist. Und für Aristoteles ist die Sache klar: Solange ein Körper als Körper funktioniert, also so, dass ich atmen kann, dass ich sprechen kann, sehen, hören, laufen, solange habe ich eine Seele. Wenn diese Funktionen ausfallen, ist es mit der Seele vorbei.

Autor
Hier ist die Seele an den Körper gebunden, weder immateriell noch unsterblich. Damit verwandt scheint die mit dem Atem verknüpfte Lebenskraft im Alten Testament zu sein, die den Körper belebt. Das hierfür gebrauchte Wort kommt auch in den Psalmen vor. Allerdings hat die Lebenskraft hier Eigenschaften, die einer menschlichen Seele entsprechen: sie sorgt sich, sie fleht, sie verlangt nach Gott, sie jubelt, sie kann mutlos sein. Im Christentum bekommt die Seele dann einen besonderen Stellenwert. Für den Apostel Paulus lebt und wirkt Gott in ihr. Sie ist deshalb für ihn ein Ort besonderer Innerlichkeit:

Wilhelm Schmidt-Biggemann: 

Die Vorstellung, dass der Christus in uns lebt nach seiner Auferstehung, diese innere Gewissheit ist etwas, was man nur als neue Welt oder vielleicht auch neue Konstitution der Seele beschreiben kann - nämlich es ist die Seele, die an die Auferstehung Christi glaubt und diese Auferstehung Christi auch dann glaubt, wenn sie mit der äußeren Realität keineswegs in Übereinstimmung gebracht werden kann. Das heißt, es wird eine Gegenwelt konstruiert, die als Innerlichkeitswelt beschrieben wird und die Paulus als „Christus in uns“ beschreibt.

Musik 2

Autor 
Die herausgehobene Bedeutung der Seele im Christentum ist sehr früh beschrieben und betont worden. Die ersten Theologen haben sich oft und ausführlich dazu geäußert. Ein namentlich nicht bekannter Verteidiger des christlichen Glaubens setzte sogar das Leben der Seele mit dem der Christen gleich. Und verglich ihr Verhältnis zur Welt mit dem der Christen. 

Zitat 1: Aus: Brief an Diognet[1]                                                                                                                                            
Was im Leibe die Seele ist, das sind in der Welt die Christen. Wie die Seele über alle Glieder des Leibes, so sind die Christen über die Städte der Welt verbreitet. Die Seele wohnt zwar im Leibe, stammt aber nicht aus dem Leibe; so wohnen die Christen in der Welt, sind aber nicht von der Welt. Das Fleisch hasst und bekämpft die Seele, die ihm kein Leid antut, bloss weil es von ihr gehindert wird, seinen Lüsten zu frönen; ebenso hasst die Welt die Christen, die ihr nichts zuleide tun, nur weil sie sich ihren Lüsten widersetzen. Die Seele liebt das ihr feindselige Fleisch und die Glieder; so lieben auch die Christen ihre Hasser. Unsterblich wohnt die Seele im sterblichen Gezelte; so wohnen auch die Christen im Vergänglichen, erwarten aber die Unvergänglichkeit im Himmel.

Autor 
Um dorthin zu gelangen, muss die Seele in der ihr gegebenen Freiheit an sich arbeiten. Sie muss, in Verbindung mit Gott und von ihm geführt, abstreifen, was sie von ihm trennt, was sie zu stark an das irdische Leben und die Welt bindet. Der orthodoxe Christ Peter Trappe ist überzeugt, …

Peter Ulrich Trappe:
… dass die Seele in der Lage ist, sich lebendig weiterzuentwickeln, fortzuentwickeln, hin zu einer mehr oder minder mit sich selbst übereinstimmenden inneren Verfassung. Dass wir also davon ausgehen, dass wir zum Lebensende hin dafür sorgen, dass unser Leben durchgearbeitet ist, dass eben keine Reste bleiben von diesem Trübsinn, von dieser Gefesseltheit an die Dinge der Welt und dass wir eben in langer Frist frei werden von allem, was uns an die Welt bindet und dass die Seele dann nach dem Tode entschlüpfen kann in die Ewigkeit. So wäre es gedacht und so wäre es schön und so würde ich es mir auch erhoffen.

Autor
Für den gläubigen Christ kann die Seele diesen Weg der Übereinstimmung im Glauben gehen, sie muss ihn nicht allein aus eigenem Vermögen bewältigen. Sie muss sich selber nicht das Urteil sprechen. Das liegt am Ende nach dem Tod bei Gott: 

Peter Ulrich Trappe:
Zunächst ist es die frei gewordene Seele, die ihre Fesseln abgeworfen hat, die sich freigekämpft hat sozusagen vom Leben oder die entlassen wird vom Tod in die Ewigkeit, dass diese Seele natürlich zuerst mal vor dem Jüngsten Gericht sich verantworten muss. Pauschal … steht die Seele vorm Jüngsten Gericht und muss vor allen Völkern, heißt es, wo man in Scham versinkt, vor allen Völkern muss man die geheimsten Sünden bekennen und wird dann entsprechend beurteilt.

Musik 3

Autor
Es bleibt ein Geheimnis um die Seele. Auch heute noch: Zart ist die Seele, leicht und fein. Der innerste Kern des Menschen, der seine Person ausmacht. Manchmal können wir sie spüren, ihre Existenz aber nicht beweisen. Frei ist sie und als innere Stimme eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung eines sinnvollen Lebens. Und in all dem von besonderer Festigkeit und Stärke. Und von außergewöhnlicher Schönheit. Die große spanische geistliche Lehrerin und Mystikerin Teresa von Ávila, die im 16. Jahrhundert lebte, schrieb einmal über die Seele:

Zitat 2: Aus: Teresa von Ávila: Wohnungen der inneren Burg I: 1, 1[2]

Als ich heute unseren Herrn anflehte, er möge durch mich reden, bot sich mir an, was ich jetzt sagen will, sozusagen als eine Art Ausgangspunkt, nämlich unsere Seele als eine gänzlich aus einem Diamanten oder sehr klaren Kristall bestehende Burg zu betrachten, in der es viele Gemächer gibt, so wie es im Himmel viele Wohnungen gibt. […] Ich finde nichts, womit ich die gewaltige Schönheit einer Seele und ihre riesige Fassungskraft vergleichen könnte.

Autor
Groß ist die Fassungskraft der Seele, weil sie Großes fassen muss: Freude und Traurigkeiten,  Hoffnung und Liebe. Und Gott. Sie ist ein Sehnsuchtsorgan, das sich ausstreckt nach Unerreichtem und Unerreichbarem. Das, wie die Völker bereits in frühester Zeit annahmen, den Körper in Schlaf und Traum verlässt und in andere wunderbare Gefilde aufbricht. Philosophiehistoriker Wilhelm Schmidt-Biggemann beschreibt sie beinahe zärtlich:

Wilhelm Schmidt-Biggemann:  
Das, was ich am schönsten an der Seele finde, ist, dass sie weit ihre Flügel ausspannen kann. „Flog durch die stillen Lande, als flöge sie nachhaus.“ Ich meine, das ist dasjenige, wo die Seele weiß, wo sie zuhause ist, nicht nur hier, sondern eben woanders zuhause.

Zitat 3: Aus: Joseph von Eichendorff: Mondnacht[3]

Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt’.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

 

Musik 4

 


[1] Brief an Diognet. Übersetzt von Heinrich Kraft, in: Die Apostolischen Väter, hrsg. von Heinrich Kraft, Stuttgart: Kröner, 1993, S. 379–395.

[2] Teresa von Ávila. Die innere Burg: Wohnungen der Seele. Übersetzt von Otto Karrer, Herder, 2015.

[3] Eichendorff, Joseph von. Mondnacht. In: Gedichte. Reclam, 2004, S. 35.