15.06
2025
08:40
Uhr

Die Taube am Gnadenthron

Ein Sommerausflug zu Dreifaltigkeitsbildern in Brandenburger Kirchen

Holger Müller-Brandes:
 Der große Altar steht vor einer mittelalterlichen Dreifenstergruppe und bezieht diesen Hintergrund unglaublich schön mit ein, weil das Licht, das durch die mittelalterlichen Fenster fällt, links und rechts neben dem Altar, aber eben auch durch die Mitte, erleuchtet zur Gottesdienstzeit die schöne Krönung, die eine Gloriole hat, einen großen Strahlenkranz, sodass die Besucher der Kirche, wenn sie Sonntag morgens in der Kirche sitzen, den Eindruck haben, dass dieses Bauwerk, möchte man fast sagen, des Altars rücklichtig durch die Sonne erstrahlt wird und es einen Eindruck gibt von dem Glanz und der Größe Gottes, der hier verehrt werden soll.

Autor 1:

Kirchenführer Holger Müller-Brandes spricht vom hölzernen Barockaltar in der Kirche des Uckermark-Dorfes Sternhagen. Verehrt wird Gott hier in einer Veranschaulichung seines innersten Wesens, der Dreifaltigkeit. Ihr zu Ehren gibt es einen eigenen Festtag, der heute begangen wird, Trinitatis genannt, nach dem lateinischen Wort für Dreifaltigkeit. Aus diesem Anlass unternehmen wir einen kleinen Ausflug zu Dreifaltigkeitsdarstellungen in Brandenburger Kirchen. In Sternhagen bekrönt sie den prächtigen, bis zur Decke reichenden Altar. Zu sehen sind dort:

Holger Müller-Brandes:
Zur Rechten Gottvater und zur Linken der auferstandene Christus, also von unserer Seite zur Linken, aber von Gottes Seite zur Rechten, wie es im Glaubensbekenntnis heißt „sitzend zur Rechten des Vaters“.  Christus links hält das Kreuz in seiner rechten Hand.  Und rechts Gottvater hat eine Segensgeste mit seiner rechten Hand und in seiner linken Hand hat er eine Art Zepter, um die Regentschaft deutlich zu machen, als der Schöpfer und Vollender der Welt. Und über den beiden schwebt eine kleine Taube, die den heiligen Geist symbolisiert.

Autor 2:

Es ist der österliche Christus, der hier in Gemeinschaft mit Gottvater und dem Heiligen Geist zu sehen ist. Das Kreuz in seiner Hand soll Gläubige an seinen Tod und seine Auferstehung erinnern und somit an die Hoffnung auf Sündenvergebung und das ewige Leben. Auch die Altarkanzel greift das auf: Sie ist wie ein üppig verzierter Abendmahlskelch gestaltet. Im Abendmahl wird Jesu Leiden und Tod gegenwärtig. In beidem erschließt sich das Wesen Gottes: seine Liebe, die im Leiden für die Menschen und im Mitgefühl ihren tiefsten Ausdruck findet. Deshalb wird Trinitatis, das Fest der Dreifaltigkeit, nach Ostern gefeiert. Ein Fest, das zeigt: In Gott selbst besteht diese Liebe in der innigen Verbundenheit und Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Das zeigen die Figuren in Sternhagen in höchster Qualität. Der Patron der Kirche hat dafür um 1729 keine Mittel gescheut. Vielleicht aus Repräsentationslust, aber wohl auch aus Frömmigkeit. Wie die Siedler, die den Ort im dreizehnten Jahrhundert gegründet haben. Der Legende nach nannten sie ihn Sternhagen.

Von Sternhagen in der Uckermark führt uns der Weg südwestlich zur nächsten Darstellung der Dreifaltigkeit: ins Dorf Markau nahe Nauen im Havelland. Hier findet sich im oberen Teil des auch hier bis zur Decke reichenden Barockaltars eine ähnliche Figurengruppe, die Pfarrer Johannes Neugebauer beschreibt. Wieder sehen wir:

Pfarrer Johannes Neugebauer: 
Gottvater, erkennbar am Zepter, das er in der rechten Hand hält; links von ihm Jesus Christus, der ein Kreuz im Arm hält; und über den beiden schwebt die Taube als Sinnbild des heiligen Geistes und rechts und links der Trinitätsdarstellung sind noch zwei allegorische Gestalten. Zur Linken sehen wir eine Justitia, erkennbar an den Waagschalen, die sie in den Händen hält und auf der anderen Seite wahrscheinlich die allegorische Gestalt Fides, die den Glauben symbolisiert.

Autor 4:

Diese Figur mag die Betrachter an die Haltung erinnern, die sie gegenüber dem dreieinigen Gott einnehmen sollen. Die der Justitia weist auf die Gerechtigkeit Gottes, die sich im Leiden seines Sohnes zeigt. Jesus schaut zu Gottvater herüber, der seinen Kopf zu ihm neigt. Ein Ausdruck unauflöslicher Verbundenheit, von der Christus im Neuen Testament sagt: Ich und der Vater sind eins. Das Gesicht des Vaters zeigt einen beinah bekümmerten Ausdruck. Er weiß um das, was sein Sohn als Mensch durchlitten hat. 

Musik 1

Autor 5:

Vom Havelland begeben wir uns nun in die Stadt Brandenburg zur katholischen Kirche Heilige Dreifaltigkeit. Um 1850 entstanden, ist sie wesentlich jünger als die zuvor besuchten Dorfkirchen. In ihrer Gestaltung weist nichts deutlich auf ihren Namen hin. Man könnte die drei zugemauerten Fensteröffnungen an der Eingangsfront als Hinweis lesen. Auch die außen ringsum laufenden Backsteinfelder mit je drei Kreuzen. Das sind nur Vermutungen. Aber es gab einmal ein Dreifaltigkeitsbild im Inneren, im Chorraum, wie Pfarrer Matthias Patzelt erzählt:

Pfarrer Matthias Patzelt:
Anfang der fünfziger Jahre hat man dann aber diese schlichte Gestalt der Kirche etwas aufgewertet durch Fresken. Und da ist im Zentrum eine Nachbildung der Dreifaltigkeit, des Gnadenstuhls, von El Greco. An den Seiten waren dann so märkische Heilige dargestellt und an den Pfeilern rechts und links Darstellungen Herz Jesu und Herz Mariens.

Autor 6:

Die Vorlage für dieses Bild entstand im späten 16. Jahrhundert, einige Zeit vor den Figuren der Barockaltäre. Sie zeigt Gottvater, mit schmerzvoll-mitfühlendem Blick. Er hält seinen vom Leid gezeichneten Sohn im Schoß. Dessen Körper ist S-förmig gekrümmt, die Wundmale sind zu sehen, die Augen geschlossen. Anfang der 1970er Jahre wurde das Bild übermalt, ist allerdings recht gut erhalten und könnte wieder freigelegt werden. Erstmal hat die Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit ein Motiv für ihren Namen gesucht, das als Logo auf Briefköpfen und im Kirchensiegel verwendet werden kann. Pfarrer Patzelt entdeckte es in der Kirche von Premnitz, die zur Gemeinde gehört.

Pfarrer Matthias Patzelt: 
Es war eine der Kirchen, die zu DDR-Zeiten für Westgeld gebaut werden durften, aber mit der einzigen Auflage, sie dürften als Kirche von außen, von der Straße her, nicht erkennbar sein. Und da hat sich die Gemeinde dann ausgedacht, dann bauen wir zur Straße hin ein Rundfenster, das vielleicht nicht der Parteisekretär, aber das wir als eine religiöse Symbolik erkennen. Und das war dann eben ein Kreis mit drei Vierecken, die ineinander verschränkt sind, und das ist für einen Christen eigentlich ein deutliches Zeichen für den einen Gott in drei Personen.

Musik 2

Autor 7:

Unsere nächste Station ist die berühmte Wunderblutkirche in Bad Wilsnack in der Prignitz. Im späten Mittelalter war sie das Ziel von Wallfahrern aus Mittel- und Nordeuropa. Verehrt und um Hilfe in Nöten angefleht wurden hier drei Hostien, die einen Brand überlebt hatten und rote Spuren aufwiesen, als ob sie bluteten. Aufbewahrt wurden sie in einem Schrein in einer Kapelle, südlich vom Kirchenschiff. Pfarrerin Anna Trapp beschreibt, was die Innenseiten seiner Türen zeigen:

Pfarrerin Anna Trapp: 
Auf der rechten Seite sehen wir die Verspottung und Geißelung Jesu vor der Kreuzigung, und auf der linken Seite sehen wir dann den Gnadenstuhl. Wir sehen im oberen Teil Gottvater, umringt von vier Engeln, der den Gekreuzigten am Kreuz hält. Zwischen dem Rauschebart des Vaters und dem herabhängenden Haupt des Gekreuzigten befindet sich dann die Taube als Darstellung des Heiligen Geistes. Und im unteren Bereich halten wiederum zwei Engel den unteren Teil des Kreuzes empor. Der ist so mächtig, der muss auch von unten getragen werden.

Autor 8:

Die Geist-Taube schwebt auf diesem Bild nicht über Gottsohn und Gottvater, sondern unter dessen Bart, fast als ob sie daraus kommen würde. Es lässt sich dabei an Jesu Worte im Johannesevangelium denken, der sagt: Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, jener wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.Der leidende Gottessohn ist in Bad Wilsnack wie ein Kruzifix zu sehen, ans Kreuz geschlagen, dessen Querbalken Gottvater hält. Pfarrerin Trapp berührt diese Darstellung besonders:

Pfarrerin Anna Trapp:
Während alle anderen Figuren noch relativ fröhlich wirken tatsächlich, die Engel, Gottvater mit seinem milden Blick, sieht man dem Gekreuzigten eben seinen Schmerz und sein Leiden auch wirklich an. Die Darstellungen zeigen ganz deutlich, dass wir einen Gott haben, der das Leiden kennt, der die Nöte der Menschen ernst nimmt und der sich als Mensch selber hineinbegibt in dieses Leben, um das zu erleiden und dann zu überwinden. Und das gibt einem verletzten Menschen, der hierherkommt, Trost.

Autor 9:

Unsere letzte Station ist die Dorfkirche von Langennaundorf im Süden des Landes Brandenburg im Landkreis Elbe-Elster. Auch sie ist wie die Kirchen von Sternhagen und Markau barock umgestaltet worden. Hier aber ist die Darstellung der Dreifaltigkeit nicht krönender Teil des Altars. Marlies Behrens verrät uns, wo sie zu finden ist.

Marlies Behrens: 
 Wenn Sie nach oben sehen zur Decke, dann sehen Sie einmal den Gottvater, der ein Zepter in der Hand hat, der sehr ehrwürdig schon drein schaut und sich auf einer Weltkugel abstützt. Neben ihm sitzt sein Sohn Jesus. An ihm sind deutlich die Spuren der Kreuzigung zu sehen. Er trägt auch das Kreuz. Und auch er stützt sich ab auf der Weltenkugel. Über beiden schwebt der Heilige Geist, als Taube dargestellt. Und um diese Taube sehen wir einen hell leuchtenden Strahlenkranz.

Autor 10:

Diese Malerei bedeckt fast die gesamte Holztonnendecke über dem Kirchenschiff und ist deshalb beinahe von allen Plätzen aus gut zu sehen. Die Kirchenbänke sind von einem bemalten hölzernen Rahmen eingefasst, an dem jeweils eine Tür in die Bankreihe führt.

Marlies Behrens: 
Wenn wir uns dieses Kastengestühl ansehen, dann finden wir hier Namen, und das sind Namen von Bürgerinnen aus Langennaundorf, die hatten hier ihren Sitzplatz. Die Männer mussten auf der Empore Platz nehmen. Dann haben wir hier noch eins, ganz markant: Schlafet nicht! Also müssen die Predigten mitunter relativ lang gewesen sein.

Autor 11: 

Um währenddessen nicht einzunicken, wie es die Aufschrift an der Kirchenbank fordert, ließen die Frauen und Männer früher im Gottesdienst vermutlich immer mal wieder den Blick durch den Raum schweifen. Und dabei hatten sie Gelegenheit, die Dreifaltigkeitsdarstellung an der Decke genauer zu betrachten. Vielleicht ging es ihnen dabei ähnlich wie Marlies Behrens: 

Marlies Behrens: 
Wenn ich beide mir, Gottvater und Gottsohn ansehe, habe ich das Gefühl, sie würden über die Menschheit beraten, darüber nachdenken, wie können wir erreichen, dass ein Frieden auf der ganzen Welt hergestellt wird.

Autor 12:

Gottvater und Sohn wenden sich auf dem Deckengemälde ganz deutlich einander zu, wie in ein Gespräch vertieft. Zwischen beiden die Welt in Gestalt einer Kugel. Die Friedlosigkeit auf der Welt 

war den Menschen damals, als die  Kirche von Langennaundorf bemalt wurde, sehr präsent, denn der Dreißigjährige Krieg lag nur wenige Jahrzehnte zurück. Die Mahnung, für Frieden einzutreten, ist heute wieder aktuell. Kehren wir zum Abschluss unserer kleinen Exkursion noch einmal zum Ausgangspunkt zurück: zur Figurengruppe am Barockaltar in Sternhagen. Hier ist das Verhältnis von Gottvater und Gottsohn mit einem ganz eigenen Akzent versehen. Für Holger Müller-Brandes eine wichtige Botschaft:

 Holger Müller-Brandes: 
Wenn man genau guckt, haben sie durchgereifte, aber ganz freundliche zugewandte Gesichtsausdrücke, heben zum Segensgruß die Hand, sodass wir hier auch eine Glaubensmitteilung haben, nämlich: dass wir von dieser mystischen Einheit Gottvater-Sohn-Heiliger Geist keine Strenge zu befürchten haben, sondern Gnade, Barmherzigkeit, Liebe, Trost und alles, was in dieses Spektrum gehört.

 

Musik 3