Autorin:
Juni ist auch Pride Month – übersetzt heißt das Stolz Monat und steht im Zeichen der Regenbogenflagge. Die LGBTQIA+-Communities werben für mehr Toleranz und feiern die Vielfalt der Gesellschaft. Denn das braucht es rund ums Jahr, nicht nur im Juni. Um das zu zeigen schmücken Häuser, Läden, Städte auch viele Regenbogenflaggen. Vielfalt sollen sie zeigen, die Vielzahl des Spektrums. Aber hinter der bunten Fassade stehen zum Teil auch ernste Schicksale und politische Themen. Die werden auch auf den Christopher Street Day-Demonstrationen, kurz CSD, deutlich ausformuliert. Unlängst hat der Berliner CSD e.V. Forderungen aufgestellt, die die Politik dieses Jahr direkt in die Pflicht nehmen sollen. Erst danach würde der Vorstand eines der größten CSDs Deutschlands entscheiden, ob der Bürgermeister von Berlin den CSD eröffnen dürfe.
Es geht heiß her im Juni, auch in Brandenburg. Hier geht es oft weniger um Forderungen an einzelne Politiker, als um die schiere Existenz. Denn einige der CSD Veranstaltungen wurden in Brandenburg abgesagt oder hadern immer wieder um ihre Existenz. Dazu Christian Müller, Vorstandsmitglied vom CSD Cottbus e.V.:
O-Ton: Christian Müller
Die Fördermittel haben extrem lange auf sich warten lassen. Also es war kurz vor knapp. Das ist was, was wir überhaupt nicht gebrauchen können! Wir brauchen Planungssicherheit, wir brauchen Ressourcen und auch die Ressourcen sind ja unglaublich knapp im Land Brandenburg. Also der Aktionsplan Queer mit den ein bisschen über 200.000 € das reicht ja hinten und vorne nicht gerade, wenn jetzt noch weitere CSDs und Aktivitäten für Vielfalt im Land Brandenburg neu starten. Die brauchen ja alle Ressourcen, das heißt da muss unbedingt aufgestockt werden, das reicht so nicht.
Autorin:
Es stand kurz vor knapp erzählt mir Christian Müller, doch in letzter Sekunde kam die Finanzierung und so konnten sie die CSD-Aktionswochen zum 16. CSD Cottbus & Niederlausitz am 17. Juni starten. Dabei ging es vor allem um Sichtbarkeit. In über 300 Standorten wurden die Regenborgenfahne gehisst. Mit passendem Moto:
O-Ton: Christian Müller
„Wer sich nicht bemerkbar macht, wird nicht mitgedacht“, als marginalisierte Zielgruppe sind wir in der Situation, dass also queere Menschen häufig nicht mitgedacht werden, also im alltäglichen Leben überhaupt nicht vorkommen, zum Beispiel in so Verwaltungsgedanken, bei der ja politischen Arbeit nicht mitgedacht werden bei der Planung von Fördermitteln nicht mitgedacht werden und daher haben wir diese Motto gewählt um deutlich zu machen hey wir müssen unbedingt sichtbarer werden, damit uns die Zivil Gesellschaft stärker wahrnimmt, die Politik die Wirtschaft und auch die Verwaltung stärker wahrnimmt.
Autorin:
Ein Zeichen für mehr Sichtbarkeit von queerem Leben setzte auch letztes Jahr eine Gruppe in der Evangelischen Kirche: unter dem Hashtag #churchpride hat sich ein Aktionsteam aus verschiedenen Bereichen der Kirche zusammengefunden und eine Social Media Aktion erarbeitet, die noch immer dort zu finden ist. Eine der Beteiligten war Julia Daser:
O-Ton: Julia Daser
Uns geht es ja eigentlich darum, auszusagen Die Kirche ist eine queere Kirche. Es gibt also die queeren sind nicht andere, die die Kirche jetzt freundlicherweise aus lauter Nächstenliebe begleitet, sondern das ist ein Teil der Kirche. Und was ist mit denen, die sich da nicht eindeutig verorten können? Was machen die denn da? Oder was ist mit den Toiletten in irgendwelchen kirchlichen Gebäuden? Darum geht es uns ja vor allen Dingen. Also wie sensibel ist Kirche für die Tatsache, dass queere Menschen auch bei ihr vorkommen? Also uns war es ganz wichtig, dass wir andere Menschen ansprechen und die zu Wort kommen lassen. Es geht ja um einen sichtbar werden lassen. Vor allen Dingen von schwierigen Perspektiven innerhalb der Kirche.
Musik: Take me to church - Hozier
Autorin:
Im Juni sind in Brandenburg überall Christopher-Street Day-Demonstrationen geplant, ob sie stattfinden hängt von einigen Faktoren ab. Ein zentrales Element ist die Finanzierung und die Freiwilligen, denn ohne die geht nichts. Auch in der Prignitz:
O-Ton: Anna Trapp
Der CSD in der Prignitz sollte dieses Jahr wieder in Wittenberge stattfinden, am 15 Juni. Da sollte es wieder einen Umzug geben, aber auch eine Bühne mit einem Bühnenprogramm. Ich wurde angefragt, von der Bühne aus eine kleine Andacht zu gestalten. Es waren auch wieder Künstler, angefragt, soviel ich weiß, so dass ein kleines, schickes Programm zusammengeschnürt werden sollte. Der CSD wurde relativ kurzfristig abgesagt. Das lag vor allen Dingen, so habe ich die Veranstalter verstanden, an einem fehlenden Finanzierungsplan und Personalmangel.
Autorin:
Anna Trapp ist Pfarrerin in der Prignitz und hat schon am letzten CSD teilgenommen, sie weiß, wie wichtig solche Veranstaltungen für queeres Leben auf dem Land sind:
O-Ton: Anna Trapp
Jenseits dieses Ziels, die Prignitz, gibt es kein großes Netzwerk hier bei uns. Man kennt ein paar Leute so, aber das ist alles nicht organisiert. Aber mir wäre es tatsächlich wichtig, dass wir den CSD zurückbekommen für die Prignitz und dass wir uns da auch stärker noch mal vernetzen. Wir als Kirche können natürlich auch noch mal anders mitagieren. Wir waren jetzt bisher eher Gäste des CSD. Vielleicht gelingt es in Zukunft, da nochmal enger zusammenzuarbeiten, um auch all das, was da an Kraft gebraucht wird, zusammenzubekommen.
Autorin:
Die Kirche packt an, in vielen Regionen ist Kirche mit dabei. In Berlin fährt sie vorne in einem der ersten Wagen auf der großen CSD Parade, wieder unter dem Motto: „Liebe tut der Seele gut“. Auch in Cottbus und der Niederlausitz arbeitet man mit Kirche zusammen, Christian Müller:
O-Ton: Christian Müller
Wir sind vor allen Dingen im letzten Jahr stark mit Kirche unterwegs gewesen haben ja auch einen Pfarrer auf der Demo gehabt, der Worte gesprochen hat und den Menschen auch Mut gemacht hat wir sind mit Kirche vernetzt und freuen uns da auch, da haben wir tatsächlich voneinander glaube ich viel lernen können auch in den letzten zwei Jahren vor allen Dingen und wir sind auch mit anderen Netzwerken mit anderen Partnern in den Bündnissen verknüpft haben den Landesverband andersartig an unserer Seite, der im Land Brandenburg ja auch breit aufgestellt ist gut vernetzt ist.
Autorin:
Von der Kirche in Forst, die an dem CSD in Cottbus stark beteiligt war im letzten Jahr bekamen wir eine schriftliche Stellungnahme. Pfarrer Simon Klaas schreibt:
"Es ist nach den Europa- und Kommunalwahlen hier im Südosten Brandenburgs nicht einfacher geworden Flagge zu zeigen. Gerade, wenn man queer ist. Ich musste in den letzten Wochen und Monaten lernen, dass vielen Menschen die Errungenschaften der liberalen Demokratie egal sind. Die Erfolge der Rechtsextremen werden das Klima hier rauer werden lassen. Und Minderheiten, wie queere Menschen, werden diesen rauen Wind zuerst spüren. Umso wichtiger ist es den Mut nicht zu verlieren und auch jetzt im Pride Month Flagge zu zeigen."
Auch Christian Müller, vom Vorstand des CSD in Cottbus beschreibt eine ähnliche Situation. Die Lage ist angespannt, nicht erst seit den Wahlen:
O-Ton: Christian Müller
Wir sind hier im Regenbogenkombinat Cottbus und kriegen durch unsere Beratungsarbeit und das was wir so tun. Die andere Seite der Medaille mit. Also Mobbing, Ausgrenzung, schwierige Coming-out-situation, Hilflosigkeit von Menschen und so weiter. Und wir bekommen auch die Ängste von queeren Menschen mit, wenn sie zum Beispiel auf das Wahlergebnis das letzte schauen, davon berichten was ihnen abends zum Beispiel auf der Straße passiert, wenn sie in den Bus steigen wollen oder auf die bahn warten das heißt es kommt auch zu Angriffen es kommt zu Situationen wo Menschen auch fliehen müssen, sich Schutz suchen müssen, manche trauen sich auch bei der Polizei Anzeige zu machen.
Autorin:
Auch das ist Teil des Pride Monats, man sieht hin und macht aufmerksam auf die Umstände von queeren Menschen in Brandenburg und darüber hinaus. Pride, also stolz zu sein, hat viele Facetten. Pfarrerin und Pädagogin Julia Daser teilt ihre:
O-Ton: Julia Daser
sPride heißt für mich nicht, dass ich durch die Gegend lauf und sage Ich bin stolz, weil ich lesbisch bin. Sondern Pride heißt für mich, dass ich stolz bin, dass ich so weit gekommen bin und immer noch irgendwie fröhlich bin und gerne Christin bin. Obwohl ich als lesbische Frau nicht nur eine Willkommenskultur im Raum der Kirche erlebe. Ich wünsche mir natürlich, dass quer durch unsere Kirche selbstverständlich immer mitgedacht wird: Wir sind auch queere Kirche mit queeren Menschen genauso wie mit irgendwelchen cis-heterosexuellen Menschen. All das hat seinen Platz hier.
Musik: Billie Eilish - Lunch
Autorin:
Man ist stolz auf das, was man geschafft hat, wie weit man gekommen ist. Auch in der Kirche war es ein weiter Weg für queere Menschen, und der ist noch immer nicht vorbei, sagt Pfarrerin Anna Trapp:
O-Ton: Anna Trapp
So sehr wir unsere Einladung aussprechen, so sehr fühlen sich manche eben von Kirche noch nicht wieder eingeladen, weil Kirche auch eine Schuld Geschichte an queeren Menschen hat. Wir sind offensiv dabei, auch zu werben, beispielsweise für kirchliche Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Wir begleiten Menschen, wenn das gewollt ist in ihrer Transition. Es gibt Segensangebote auch einfach so.
Autorin:
Die Kirche will präsenter sein und macht Angebote für queere Menschen, die Kampagne vom letzten Jahr #churchpride kann man dazu auch auf Instagram nochmal herauskramen. Und auch in Cottbus und der Niederlausitz war man aktiv, der CSD war nicht nur eine Demonstration, sondern verbunden mit 2 Aktionswochen:
O-Ton: Christian Müller
Wir haben über 25 Veranstaltungen, das sind in erster Linie Bildungsveranstaltungen, das heißt zum Beispiel Workshops, die an Schulen stattfinden zum Thema Geschlechter Vielfalt, wir haben Grundlagenseminare und Vertiefungsseminare alles rum Diversität, Antidiskriminierungsarbeit, Bildungsarbeit. Dann gibt es kreative Angebote, zum Beispiel im Comic Workshop wir haben Filme im Programm im Oben Kino. Es gibt Gesprächsrunden und ja darüber hinaus noch eine ganze Menge mehr, also Möglichkeiten sich zu vernetzen, sich zu treffen.
Autorin:
In Cottbus gingen diese Aktionswochen gestern zu Ende, doch die Themen, die dort angesprochen wurden, bleiben erhalten. Sie wollten sensibilisieren, aufmerksam machen auf die Anliegen queeren Menschen, auch die Ängste spielen eine wichtige Rolle:
O-Ton: Christian Müller
Hier queere Menschen sagen sehr deutlich dass sie große Angst haben, dass sie große Befürchtungen haben, sie haben Angst davor was passiert, wenn sich der Diskurs weiter dahin gehend verschiebt, dass sich Normen verschieben, dass es also sagbarer wird, dass Menschen ausgegrenzt werden, beschädigt werden, dass sie ja das Land verlassen sollen und auch queere Menschen haben große Angst davor ja ins Schussfeld zu kommen gerade dann auch wenn Politiker*innen öffentlich bei Demonstrationen oder bei öffentlichen Auftritten queerfeindliche Sätze sagen.
Autorin:
Es ist keine leichte Lage für die CSDs in Brandenburg dieses Jahr, sie stehen zwischen politischen Verhandlungen, Ängsten der Community und immer wieder auch finanziellen Krisen. Es wird weiter gearbeitet für einen offene, tolerante Gesellschaft und Welt. In Berlin unter dem Motto „Nur gemeinsam stark“. Und auch, wenn der CSD nicht stattfand, ein Motto gab es in der Prignitz schon. Pfarrerin Anna Trapp kennt es:
O-Ton: Anna Trapp
So wie in den vergangenen Jahren auch, hätte das Motto geheißen „Wir. Mehr als queer“. Das sagt, dass unsere Queerness nur einen Teil unserer Persönlichkeit abbildet, dass wir aber einfach auch ganz klassisch, ganz normal Teil dieser Gesellschaft sind, aber dass die Queerness eben auf der anderen Seite auch etwas ist, was zu uns gehört.
Schlussmusik: Dancing on my own - Robyn