20.04
2025
08:40
Uhr

Die Vielfalt der Weltkirche

Katholische Osterbräuche in Berlin

Ein Beitrag von Michael Kinnen

Ostergrüße in verschiedenen Sprachen: „I wish you a happy Easter - .... Jezus zmartwychwstał…“

Michael Kinnen: 
Hätten Sie es erkannt? Das waren Ostergrüße auf englisch, vietnamesisch, ara-bisch, koreanisch, ungarisch und polnisch. Von Menschen aus Berlin und Brandenburg. Sie alle wünschen Ihnen heute ein frohes und gesegnetes Osterfest - und zwar in ihrer jeweiligen Muttersprache. Sie alle sind katholische Christinnen und Christen aus dem Erzbistum Berlin. Mehr als jeder dritte Katholik hier hat einen ausländischen Pass. Und sie alle verbindet mit Christinnen und Christen hier in der Region und weltweit, dass sie heute Ostern feiern. Denn das Christentum kennt keine nationalen Grenzen. Im Erzbistum Berlin gibt es 17 muttersprachliche Gemeinden und Seelsorgestellen. Dort organisieren sich die Menschen, die hier gut integriert sind, aber dennoch ihre ursprüngliche Kultur pflegen wol-len. Und das ist gut so, sagt Sebastian Schwertfeger. Er ist im Erzbischöflichen Ordinariat, also in der Verwaltung des Erzbistums, zuständig für die ausländischen Gemeinden:

Sebastian Schwertfeger:
Die katholische Kirche ist nicht nur Deutschland. Die katholische Kirche ist eine weltumspannende Kirche. Und dass es sich in Berlin, im Erzbistum Berlin, sei es in Berlin selbst, in Brandenburg oder in Vorpommern auch widerspiegelt, ist ein tolles Zeichen, dass wir katholisch sind. Das gehört mit dazu, dass wir so viele und so bunt und so international sind. Von den Kulturen miteinander unterwegs zu sein, davon kann man auch im Glauben und in der Spiritualität nur lernen.

Michael Kinnen: 
Lernen bedeutet auch, einen weiten Horizont zu bekommen, nicht nur um sich selbst zu kreisen und sich selbst zum Maß aller Dinge zu nehmen. Da kann so ein Auslandsaufenthalt Perspektiven öffnen und für Verständnis sorgen, und zwar in beide Richtungen, sagt Sebastian Schwertfeger.

Sebastian Schwertfeger:
Jeder, der mal im Ausland irgendwie gelebt hat oder zumindest mal mehrere Wochen auch im Ausland war, vermisst natürlich... Ich hab's, als ich im Ausland gelebt hab, selbst erlebt: Schwarzbrot oder irgendwas. Wenn Sie irgendwo in dem Urlaub sind und Sie haben immer nur Weißbrot. Also da sind Sie als Deutscher schon ein bisschen irgendwann pickig und sagen: Wo bleibt der Rest? Genauso ist das hier. Also genauso ist es bei den muttersprachlichen Gemeinden. Da ist die Sprache so, da ist die Kultur so. Die verstehen einen, wenn es einem im Winter doof geht, weil es zu Hause anders gefeiert wird, weil das Essen anders ist, die U-Bahn riecht anders. Also von daher braucht es das, dass man ein Zuhause haben kann in der Fremde.

Michael Kinnen: 
Ein Zuhause in der Fremde. Dafür sind die muttersprachlichen Gemeinden da. Das Gemeinsame ist der Glaube. Das verbindet. Und heute an Ostern fühlt sich das besonders gut an, weiß Phuoc van Ho. Er ist der Vorsitzende des Rates der muttersprachli-chen Gemeinden im Erzbistum Berlin. In Vietnam gibt es keine eigenen Osterbräuche, sagt er. Die vietnamesische katholische Gemeinde in Berlin greift da aber auf die deutschen Bräuche zurück.

Phuoc van Ho:
Also das Bemalen von Eiern haben wir übernommen. Und da freuen sich auch die Kinder, die haben das von der Kita übernommen und freuen sich. Wir lernen dazu und wir mischen diese zwei Kulturen in eine. Das ist wichtig und macht auch sehr viel aus, dass die Kinder, die in eine deutsche Kita gehen, erste, zweite Klasse, dort sprechen sie deutsch. Sie kommen zu uns in die Gemeinde und haben sie vietnamesisch, aber andererseits auch genau die Aktivitäten wie in der normalen Gesellschaft. Wir bauen uns kein Ghetto auf, sondern zusammen... also Eier bemalen, Eier verstecken, Eier suchen, das gehört inzwischen auch zu unserer Tradition für die Kinder und die Jugendlichen.

Michael Kinnen: 
Und doch gibt es auch einen Unterschied zwischen dem traditionellen Ostern der Vietnamesen und dem Ostern in Deutschland, sagt Phuoc van Ho:

Phuoc van Ho:
Ostern feiern wir in der Gesellschaft. Ostern ist ja Ferien, da fahren alle Leute weg. Aber Ostern bei den Vietnamesen: Wir bleiben zu Hause. Wie Weihnachten feiern wir Ostern zusammen. Und das ist auch wichtig. Da die Eltern und die Kinder zu Hause bleiben, holen wir alle in die Kirche und somit haben wir die Möglichkeit und Fläche, Dinge anzubieten und Veranstaltungen zu machen und feiern Ostern zusammen. Wir feiern das nicht alleine oder auf irgendeiner Insel, sondern wir bleiben hier. Und die Kinder merken das und die Eltern freuen sich, dass wir das gemeinsam feiern.

Michael Kinnen: 
Was da gefeiert wird? Dass Jesus von den Toten auferstanden ist, und damit ganz allgemein der Sieg des Lebens über den Tod, wie der christliche Glaube sagt. Ganz nah dran ist dabei die maronitische Gemeinde in Berlin. Sie stammt aus Syrien, ist katholisch. Und mit einer Besonderheit - und zwar in der Sprache im Gottesdienst, wie Dunja Apikian, die Pfarrgemeinderatsvorsitzende verrät.

Dunja Apikian:
Das Besondere in der maronitischen Liturgie ist, dass das Hochgebet immer auf Aramäisch gesprochen wird. Und das ist die Sprache Jesu, die schon eh und je gesprochen wurde in der Messe. Es ist das Gefühl, dass man total verbunden ist mit ihm und ganz eng und einfach in dieser Gefühlswelt dann hineinsteigt, während diese Worte gesprochen werden.

Michael Kinnen: 
Also Jesus beim Abendmahl im Original-Ton sozusagen. Das kann man in der maronitischen Gemeinde hören, wenn sie nicht gerade arabisch sprechen. Und es gibt noch einen besonderen Osterbrauch in der Gemeinde. Der beginnt nach dem Gottesdienst zu Gründonnerstag, sagt Dunja Apikian:

Dunja Apikian:
Und wenn die Leute aus der Kirche rausgehen, besuchen sie noch weitere Kirchen, und zwar insgesamt sieben Kirchen. Und der Ursprung ist halt so, es gibt verschiedene Geschichten dazu. Eine Geschichte sagt aus, dass es sieben Kirchen sind, weil es sieben Sakramente gibt. Und eine Geschichte sagt, dass es sieben Kirchen sind, weil es ur-sprünglich in Jerusalem sieben Kirchen gab. Man geht in die Kirche rein, man betet für sich selbst oder genießt einfach die Stille, die Ruhe in der Kirche und geht wieder raus. Und wenn es nicht viele Kirchen in der Umgebung gibt, dann geht man in die gleiche Kirche rein und raus. Hauptsache es sind sieben Mal.

Michael Kinnen: 
Und gefeiert wird danach natürlich auch noch: In der Familie, mit Freunden und mit allen, die sich über Ostern freuen.

Musik (Rosenstolz: „Wir sind am Leben…“)

Michael Kinnen: 
Berlin ist bunt. Auch, was das Glaubensleben angeht. An Ostern feiern Christinnen und Christen gemeinsam, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Dieser Glaube verbindet sie weltweit. Und macht ihn damit genauso bunt, denn jeder und jede feiert das in seiner und ihrer eigenen Tradition. Sogar Menschen, die gar nicht christlich glauben, freuen sich über Ostern - und die Feiertage. 17 muttersprachliche katholischen Gemeinden und Seelsorgestellen gibt es im Erzbistum Berlin und quer durch Brandenburg. Da vermischen sich auch schonmal Traditionen und man kann voneinander lernen. So wie es zum Beispiel in Polen einen besonderen Brauch gibt, der am Ostermontag begangen wird, sagt der Leiter der polnischen Mission in Berlin, der Salesianerpater Przemek Kawecki.

Pater Przemek Kawecki:
Am Ostenmontag feiern wir in Polen so einen Brauch, der heißt auf polnisch Lany poniedzialek, oder ein traditioneller Name ist Śmigus Dyngus. Und das ist ein Brauch, bei dem man sich gegenseitig mit Wasser übergießt. Aber ehrlich gesagt, das ist keine so reine christliche Tradition, sondern das ist eine alte slawische Tradition, die wir bis jetzt in Polen feiern.

Michael Kinnen: 
Sich mit Wasser nass machen. Der „nasse Montag“ hat daher in Polen seinen Namen. Aber warum macht man das? Pater Kawecki hat eine Erklärung:

Pater Przemek Kawecki:
Das ist ein bisschen mit einem Glückwunsch verbunden. Wir machen das nicht mit einem bösen Gedanken, sondern demjenigen, den man mit diesem Wasser übergießt, dem wünschen wir einfach einen guten „Rutsch in den Frühling“, in Ostern und so weiter und so fort.

Michael Kinnen: 
Eine andere Erklärung spricht davon, dass mit dem Wasser an die Taufe erinnert werden soll. Denn in der Osternacht wird im Gottesdienst traditionell ja auch das Wasser für die Taufe in einem feierlichen Ritus geweiht. Und Naturkräfte wie Wasser und Feuer gehören zum Frühling wie zu Ostern - wo das neue Leben sich Bahn bricht nach einem langen, dunklen Winter. Osterwasser - Osterfeuer - Osterlicht: Es gibt so manche Wortkombination dazu. In Ungarn ist das Osterfeuer etwas kleiner als in Deutschland. Das zumindest hat Ilona Urban, die Koordinatorin der ungarischen katholischen Gemeinde bei sich in Potsdam beobachtet:

Ilona Urban:
Ich weiß es nicht für ganz Ungarn. Aber dort, wo ich in die Kirche gegangen bin in Un-garn, haben wir zur Ostervigil nur ein kleines Feuer gemacht, also nur in der Kirchentür. Und hier in Potsdam machen sie ein größeres Feuer im Hof. Und ich finde es wirklich schön. Also das ist, was ich gut finde und was ich mag hier in Deutschland.

Michael Kinnen: 
Aber nochmal zurück zur polnischen Gemeinde in Berlin. Pater Przemek Kawecki weiß noch von einem anderen Osterbrauch zu berichten. Einen, bei dem es ums Essen geht. An Ostern endet ja auch die 40-tägige christliche Fastenzeit, die am Aschermittwoch begonnen hat. Leckereien in allen Varianten stehen dann auf dem Festtagstisch. In der polnischen Tradition werden die Speisen am Karsamstag - also gestern - feierlich gesegnet, bevor sie für das Oster-Festessen benutzt werden, sagt Pater Kawecki.

Pater Przemek Kawecki:
Und das ist ein Phänomen in Berlin, weil wir haben 36.000 Mitglieder in unserer Gemeinde, aber davon kommen so gegen 3000-4000 am Sonntag in die Kirche rein. Aber am Ostersamstag, um die Speisen zu segnen, kommen alle. [Lacht] Und in der Lilienthalstraße in Kreuzberg, da wo wir sind, kann man vorbeischauen, da ist die Straße fast gesperrt. Da sind tausende Leute, die laufen mit kleinen Körbchen, wo Eier drin sind, Brot, Salz und al-les, was dazu gehört. Sie gehen in die Kirche rein, dann segnen wir diese Speisen; die Leute können auch kurz beten bei dem Grab Jesu Christi. Und das ist wirklich ein Phänomen, das muss ich schon als polnischer Priester sagen. Ich habe das in meiner Kindheit erlebt, aber nicht in solchem Maße wie in Berlin. Das ist die, glaube ich, wichtigste Tradition von Polen, die hier in dieser Stadt wohnen.

Michael Kinnen: 
Religiöse Praxis für die einen, Spektakel für die schaulustigen anderen. Und alle freuen sich über Ostern - jeder und jede auf seine und ihre Weise. So wird Weltkirche erlebbar. Weil Ostern verbindet. Da sind unterschiedliche Traditionen, wie sie in den muttersprachlichen Gemeinden praktiziert werden, gar kein Hindernis für das Gemeinsame, findet Sebastian Schwertfeger vom Erzbistum Berlin. Ganz im Gegenteil:

Sebastian Schwertfeger:
Gerade eben nicht, weil es ja diese Gruppen dann gibt und weil es diese Möglichkeit gibt, meinen Glauben in meiner Nationalität, in meiner Sprache, in meiner Kultur zu feiern, dass ich das im, nennen wir es mal, Alltag draußen herum, nicht zwangsläufig so brauche, sondern es ist ein Ergänzendes dazu, dass ich wirklich mich hier zu Hause fühle. Deswegen ist es kein Entweder-Oder, sondern ein ergänzend zu dem, wie ich hier lebe. Also daher ist es keine Abgrenzung zu irgendwas.

Michael Kinnen: 
Ostern verbindet. Essen verbindet. Feiern verbindet. Das hat auch der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich erlebt. Er hat schlesische Wurzeln. Und denkt gerne an frühere Zeiten zurück, wenn es um Ostern geht:

Weihbischof Matthias Heinrich:
Ehrlich gesagt: Für mich ist Ostern im Grunde genommen dann relevant geworden, als ich Ministrant war. Und da lag es an der Feierlichkeit und der Größe der Liturgie. Da kamen auch diejenigen, die sozusagen die U-Boot Ministranten waren, die wieder aufgetaucht sind zu solchen Hochfesten und die mitgemacht haben. Und dann war man wieder ein großer Kreis. Und daran kann ich mich auch noch gut erinnern.

Michael Kinnen: 
Und noch etwas verbindet der Berliner katholische Weihbischof mit Ostern. Einen bestimmten Geschmack im Mund nämlich...

Weihbischof Matthias Heinrich:
Wir haben zu Ostern immer... die Schwester, zuerst die Großmutter, dann die Mutter, dann die Schwester, haben immer bestimmte Käsekuchenarten gebacken, die dazugehörten. Wenn die nicht kämen, würden heute Entzugserscheinungen auftauchen und also auch die Kindeskinder sagen immer: Wir wollen wieder diesen Käsekuchen haben. Also das ist auch eine Tradition, die fortgesetzt worden ist.

Michael Kinnen: 
Na dann: Frohe Ostern! Wo und wie auch immer Sie das heute feiern!

Musik: Dr. Alban: Sing halleluja!