Ein Holzrad steht im Vordergrund und ist mit einer Vielzahl frischer Früchte und Gemüse dekoriert, darunter Äpfel, Kürbisse, Karotten und Sonnenblumen. Im Hintergrund sind weiße Chrysanthemen sichtbar. Die Anordnung vermittelt eine herbstliche Atmosphäre des Erntedanks. Ein Holzrad steht im Vordergrund und ist mit einer Vielzahl frischer Früchte und Gemüse dekoriert, darunter Äpfel, Kürbisse, Karotten und Sonnenblumen. Im Hintergrund sind weiße Chrysanthemen sichtbar. Die Anordnung vermittelt eine herbstliche Atmosphäre des Erntedanks.
Ein Holzrad steht im Vordergrund und ist mit einer Vielzahl frischer Früchte und Gemüse dekoriert, darunter Äpfel, Kürbisse, Karotten und Sonnenblumen. Im Hintergrund sind weiße Chrysanthemen sichtbar. Die Anordnung vermittelt eine herbstliche Atmosphäre des Erntedanks.
05.10
2025
08:40
Uhr

Erntedank und Sukkot

Ein Beitrag von Viktoria Hellwig

Autorin:
Das Jahr ist noch nicht ganz zu Ende. Trotzdem – es ist Zeit, einmal innezuhalten. Wofür sind Sie in diesem Jahr dankbar? Vielleicht fällt Ihnen sofort etwas ein. Oder müssen Sie überlegen? In Kirche und Synagoge wird in diesen Tagen Danke gesagt – beim Erntedankfest und beim jüdischen Sukkot, dem Laubhüttenfest. Zwei Feste – verschieden gefeiert, aber mit einem ähnlichen Gedanken: Wir leben vom Vertrauen. Vom Teilen. Und von dem, was uns geschenkt ist – nicht nur materiell.

Christinnen und Christen feiern das Erntedankfest im Herbst – dann, wenn die Felder abgeerntet sind und die Früchte des Jahres eingebracht wurden. In vielen Gemeinden wird dazu ein Gottesdienst gefeiert. Menschen danken Gott für das, was gewachsen ist: für Äpfel, Kartoffeln, Getreide – für das tägliche Brot und alles, was zum Leben nötig ist. Die Altäre sind oft geschmückt mit Erntegaben – mit großen und kleinen Kürbissen, Getreide, Blumen. Manchmal hängt auch eine kunstvoll geflochtene Erntekrone aus Ähren oder Weinreben über dem Altar. Doch es geht nicht nur um Dankbarkeit für die Gaben der Natur. Mit dem Erntedankfest erinnern Christinnen auch an die Verantwortung, die wir als Menschen tragen: für die Erde, für den achtsamen Umgang mit Ressourcen, für den Schutz der Schöpfung – wie sie in der Bibel beschrieben wird. Deshalb wird das Erntedankfest in vielen Gemeinden auch ganz bewusst mit denen gefeiert, die Landwirtschaft betreiben – die das ganze Jahr über draußen auf den Feldern arbeiten. Bischof Christian Stäblein der ev. Kirche Berlin und Brandenburgs ist in Liebenwalde mit dabei:

Bischof Christian Stäblein:
Erntedankfest bin ich in diesem Jahr zum Landes-Erntedankfest, Liebenwalde. Darüber freue ich mich sehr. Wir machen das ja seit einigen Jahren, dass wir das zusammen mit dem Bauernverband vorbereiten, weil es doch das Fest ist, bei dem wir immer wieder auch einen Blick und ein Gefühl dafür bekommen sollten, dass es Menschen gibt, die das ganze Jahr diese Schöpfung, die Felder bearbeiten, damit wir leben können, damit wir was zu essen und zu trinken haben. Und wenn wir dann den Landwirtinnen und Landwirten danken, dann danken wir durch sie hindurch natürlich auch unserem Schöpfer. Denn dass etwas wächst, dass wir etwas haben, dass wir leben, das verdanken wir nicht als erstes uns selbst, sondern dafür danken wir Gott.

Autorin:
Gott zu danken – gerade in einer Zeit, die viele als herausfordernd oder sogar unsicher erleben – mit Krisen, Veränderungen und Sorgen – wie fühlt sich da das Danke sagen an?

Bischof Christian Stäblein:
Wir leben doch in einer sehr besonderen Zeit und besonderen Welt. Wir reden von Zeitenwände, Epochenwende. Und ich glaube, es ist für uns wichtig, immer wieder zu begreifen, wie privilegiert wir hier leben, wie dankbar wir sein können für das, wie wir leben können. Für mich gehört dann immer als Zweites auch dazu, weil wir so viel empfangen, dass wir es auch abgeben können, dass wir achtsam sind für die Menschen, denen es anders geht, dass wir begreifen, in welchen Umbrüchen wir leben und wie wir für eine Welt da sind, die eine Welt sein soll, in der es den Menschen, denen es heute so furchtbar geht, besser gehen muss. Das ist unsere Verantwortung.

Musik: קובארי - יש מכות (Koevary)

Autorin:
Im Herbst sind im Judentum die Hohen Feiertage, eingeläutet von Rosch Ha-Schana dem jüdischen Neujahr im September dieses Jahres über Jom Kippur dem jüdischen Buß- und Bettag. Und nun schließt sich ab dem 7. Oktober Sukkot an, das Laubhüttenfest. Sukkot wird als „Fest des Einsammelns“ bezeichnet. Es ist ein Erntedankfest, bei dem besonders für die Obst- und Weinernte gedankt wird. Gleichzeitig erinnert Sukkot an die Zeit der Wüstenwanderung der Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten. Als sie in provisorischen Hütten lebten. Und diese Laubhütte soll man sich bauen, damit in den sieben Tage des Festes dort gegessen und eingeladen werden kann. Esther Jonas-Märtin ist Rabbinerin. Sie lebt und arbeitet in Leipzig. Dort hat sie im Oktober 2018 das Lehrhaus Beth Etz Chaim gegründet. Sukkot ist für sie... 

Rabbinerin Esther Jonas-Märtin:
Es ist einfach ein fröhliches Fest. Und im Gegensatz zu den Hohen Feiertagen, die ja hinter uns liegen, es hat eine Leichtigkeit. Die Hohen Feiertage sind ja schon auch schwer und anstrengend. Also nicht nur für das was, was man sozusagen als Rabbinerin dann in dieser Zeit mehr zu tun hat, sondern weil man auch persönlich in so einem, in einer vermehrten Kommunikation auch mit Gott und mit sich selber steht. Das heißt, man beschäftigt sich mit sich selber. Also man muss sich selber reflektieren und mit sich selber. Beten hat was damit zu tun, dass man was mit sich selber macht.

Ein Blick von unten auf ein Holzdach, durch das Sonnenlicht scheint. Rote, runde Dekorationen hängen von der Decke. Die Szene vermittelt eine entspannte, festliche Atmosphäre.
Dach der Sukkah

Autorin:
Zu Sukkot geht es dann ins außen, man lädt ein. Aber nicht nur das, man baut auch diese Laubhütte. Die Sukkah. Die Hütte soll so gebaut sein, dass sie kein festes Dach hat. Stattdessen wird sie mit Zweigen, Stroh und Reisig gedeckt – so dicht, dass tagsüber mehr Schatten als Sonnenlicht ins Innere fällt, aber gleichzeitig so locker, dass man nachts die Sterne durch das Dach sehen kann. Rabbinerin Esther Jonas-Märtin erklärt genaueres zu der Laubhütte:

Rabbinerin Esther Jonas-Märtin:
Es ist eine Hütte, nicht unbedingt aus Laub. Es soll aus natürlichen Materialien sein, also zumindest die Dachbedeckung. Aber auch das ist interpretierbar. Und je nachdem was man für Möglichkeiten vor Ort hat, darf man auch vor Ort befindliche Materialien verwenden, darf auch feste Wände verwenden. Deswegen funktioniert Balkon ziemlich gut. Man kann an einer festen Wand sozusagen eine feste Wand als Wand nehmen und die anderen sozusagen dazu bauen. Und ich bin ja sozusagen in der glücklichen Verfassung, jetzt einen Balkon zu haben und nutze diesen auch als Raum für die Sukkah, baue sozusagen ein bisschen drumherum. Und da ich sowieso schon viele Pflanzen auf dem Balkon habe, muss man dann Pflanzen technisch nicht mehr so viel machen. Es ist schon sehr schön, wenn man einfach nur auf den Balkon gehen braucht.

Autorin:
Manche bauen sich die Hütte in den Garten oder auf den Balkon. Denn die Laubhütte ist nicht einfach Deko irgendwo am Wald, sie muss nah am Haus sein, denn…

Eine einfache, hölzerne Struktur mit Palmblättern als Dach und weißen Vorhängen steht im Freien. Umgeben von Pflanzen, bietet die Konstruktion einen schattigen Raum, möglicherweise für einen Feier- oder Rückzugsort. Im Hintergrund ist eine Steinwand sichtbar.

Rabbinerin Esther Jonas-Märtin:
Man soll eben auch nicht nur die Mahlzeiten einnehmen, sondern auch darin wohnen. Also idealerweise nimmt man die Mahlzeiten darin ein. Es gibt viele Menschen, die dann tatsächlich während dieser sieben Tage in der Sukkah übernachten und wirklich darin sozusagen ihren Alltag verbringen. Es ist natürlich in Deutschland, muss man dazu sagen, es ist ein bisschen witterungsabhängig. Eine andere Deutung ist auch, die Hütte als Hochzeitsbaldachin zu deuten, als eine Erinnerung nicht nur an die Hochzeit zwischen dem Volk Israel und Gott, sondern eben vor allen Dingen an den bestehenden Bund. Z'man Simchateinu (hebräisch זְמַן שִׂמְחָתֵנוּ) also was eine Hochzeit auch ist. Eine Hochzeit ist ja eine große Simcha (שִׂמְחָ), eine große Freude und hier gibt’s eine klare Verbindung zwischen dem Bild einer Hochzeit und Sukkot.

Musik: Hava Nagila – Jewish Starlight Orchestra

Autorin: 
Im Herbst feiern Juden und Christen Erntedank. Im Christentum ist es nur ein Sonntag an dem in festlichen Gottesdiensten gedankt wird für die Ernte und für die, die dafür sorgen, dass Gottes Schöpfung weiter besteht. Im Judentum sind es dagegen 7 Tage an denen gefeiert wird. Woher diese Tradition stammt, erzählt Rabbinerin Esther Jonas-Märtin.

Rabbinerin Esther Jonas-Märtin:
Also Sukkot gehört ja wie Pessach und Schawuot zu den sogenannten Wallfahrtsfesten. Und Sukkot wird im Hebräischen auch Chag haʾAssif (hebräisch חַג הָאָסִיף) genannt, also dass der Festtag der Ernte oder des Sammelns oder des Einsammelns, wenn man das jetzt in besseres Deutsch packen will. Und das war zunächst tatsächlich ein Erntedankfest. Und es hat sich aber verändert in dem Moment, wo aus diesem Erntedankfest ein national-historisches Fest geworden ist, also dass eben das Fest und wo daraus wird, eine Z'man Simchateinu (hebräisch זְמַן שִׂמְחָתֵנוּ). Also eine Zeit der Freude. Und diese Freude erinnert daran, dass man eben 40 Jahre Wanderung in der Wüste durch den Schutz Gottes überlebt hat und geschafft hat. Und es gibt drei Symbole. Also erstens diese Wolke, die die Israeliten begleitet hat. Zweitens das Manna, das vom Himmel fiel, regelmäßig und am Schabbat in doppelter Portion. Und das dritte, dass immer Wasser auch vorhanden war, sodass man während dieser Wüstenwanderung eben wirklich gut versorgt war.

 

Ein gelber Zitrone liegt auf einem Tisch neben frischen Zweigen und einer Tallit (Judentum) mit blauen und weißen Streifen. Holzsterne und gelbe Dekobänder sind ebenfalls sichtbar. Diese Anordnung symbolisiert das jüdische Fest Sukkot.

Autorin: 
Zum Fest gibt es auch einen Feststrauß, nicht aus Blumen oder ein Gesteck. Auch dieser Strauß hat eine doppelte Bedeutung für das Fest, denn er wird während des Gottesdienstes am Vormittag verwendet. Der Feststrauß heißt Lulaw und besteht aus vier Elementen: Palmzweig, Myrte, Weide und einer Zitrusfrucht. Rabbinerin Esther Jonas-Märtin erklärt:

Rabbinerin Esther Jonas-Märtin:
Dieser Lulaw besteht ja aus einem Palm Zweig, Myrte, Weide und einem Etrog. Und jedes dieser vier Gewächse steht ja für eine bestimmte Qualität oder für eine bestimmte Art Mensch. Also der Palm Zweig hat einen guten Geschmack, aber keinen Geruch. Und sie steht für Menschen, die studieren, aber nicht entsprechend handeln. Die Myrte hat einen schönen Geruch, aber keinen Geschmack. Das steht für Menschen, die gute Taten vollbringen, aber nie studiert haben. Das Dritte: Die Weide hat keinen Geruch und keinen Geschmack. Und sie steht für die Menschen, die weder gut handeln noch studiert haben. Und das vierte der diese Zitronen Frucht hat Geschmack und Geruch. Und sie steht für Menschen, die studieren und gute Taten vollbringen. Aber eine Gemeinschaft hat ja alle diese verschiedenen Menschentypen. Egal in welcher Gesellschaft ich mich befinde. Ich habe diese vier verschiedenen Typen immer zu einem bestimmten Prozentsatz anwesend. Dann, wenn ich sie zusammenbündle, ist eine Gemeinschaft.

Autorin
Diese vier Pflanzen und die unterschiedlichen Menschen, die sie symbolisieren, zeigen uns, wie bunt und vielfältig jede Gemeinschaft ist. Doch Gemeinschaft bedeutet auch, dass wir gemeinsam durch schwierige Zeiten gehen. In diesem Jahr fällt der Beginn von Sukkot auf einen Tag, der viele Menschen besonders bewegt – den 7. Oktober.
Bischof Stäblein wird an diesem Tag mit der jüdischen Gemeinde beten:

Bischof Christian Stäblein:
Ja, nun fällt in diesem Jahr der Anfang von Sukkot mit dem 7. Oktober zusammen. Das müssen wir im Blick behalten. Der 7. Oktober, der schwarze Schabbat, der das vor zwei Jahren gewesen ist, mit dem entsetzlichen Terrorangriff der Hamas und all dem Leid, das daraus geworden ist, für die Menschen in Israel, aber auch für die Menschen in Gaza und in Palästina, der jährt sich nun mit dem Fest anfangen zusammen. Deswegen werde ich in der Synagoge mit dabei sein und mitbieten und ich denke, wir werden das beides zusammen denken, das erinnern an diesem Schrecken. Auch das Erinnern: Es sind immer noch Geiseln in der Gewalt und es ist immer noch und im Moment ein sehr furchtbarer Krieg an dieser Stelle. Wir werden das zusammendenken mit Gottes Zusage, auf dem Weg in der Wüste mit dabei zu sein. Das ist ja das Versprechen von Sukkot: Gott geht mit auf dem Weg.

Musik: Von guten Mächten – Alive Worship ft. Salvatore Gangi