16.03
2025
08:40
Uhr

Im Gespräch mit Schwester Irmgard

Mit Nadel, Faden und Glaube: Schwester Irmgard ist Militärseelsorgerin

Ein Beitrag von Sabrina Becker

Sabrina Becker
Schwester Irmgard Langhans ist 81 Jahre alt und total fröhlich. Und Sie waren schon als junges Mädchen gut drauf, haben viel gelacht, das haben Sie mir erzählt. Heute sind Sie in der katholischen Militärseelsorge in Berlin tätig. Und wenn man das so hört, dann denkt man erst: Das passt gar nicht zusammen. Oder wie sehen Sie das? 

Schwester Irmgard
Ja, es haben viele Menschen Probleme, weil sie eine Ordensschwester mit Militär nicht auf einen Nenner bekommen. Das ist für viele einfach fremd. Und es kommt dann die Frage Ja, was tun Sie da?

Sabrina Becker
Darauf kommen wir dann später noch zu sprechen. Sie stammen aus dem Unterallgäu und sind dort in einem kleinen schwäbischen Dorf aufgewachsen. Das stimmt, oder? 

Schwester Irmgard
Ja, das stimmt genau. Das Dorf hat zu meiner Zeit, wie ich zu Hause war, so um die 800 Einwohner. Ja, jeder kannte jeden. Und ja, die Kirche war der Mittelpunkt im Dorf sozusagen. 

Sabrina Becker
Dann haben Sie aber einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Beziehungsweise ihre Familie. Ihr Vater ist ganz früh verstorben. Und Ihre Mutter und Sie sind mit den beiden Geschwistern allein geblieben. Ihrer Familie fehlte das Geld. Das haben Sie mir mal erzählt. Es war eigentlich ausgeschlossen, dass Sie eine höhere Schule hätten besuchen können. Eigentlich, denn da gab es ja noch diese Tante, oder?

Schwester Irmgard
Die hatte Ordensjubiläum in Dillingen an der Donau, und da bin ich zum ersten Mal mit den Dillinger Schwestern in Berührung gekommen. Und was mich fasziniert hat, dass da so viele junge Mädchen waren, die in die Schule gehen durften, so wurde mir erzählt. Ich hatte ja keine Ahnung, was die machen, und das hat mir gut gefallen. Aber ich wusste auch das wird für mich nicht möglich sein. Denn Internat zu bezahlen, das war für meine Mutter unmöglich. 

Sabrina Becker
Aber sie sind dann doch auf dieses Internat gekommen. Wie lief denn das? 

Schwester Irmgard
Ich habe eben nun mal meine Tante erzählt, dass ich gerne dahin möchte, wo die vielen Mädchen sind. Ich möchte auch gerne in die Schule gehen und so. Und dann hat meine Tante schon alles eingefädelt, ohne dass meine Mutter etwas wusste. Meine Mutter, die war erschüttert. Die war wirklich aus dem Häuschen. Was ich da für eine blöde Idee habe, das kommt nicht in Frage. „Erstens mal gehst du nicht ins Kloster. Du passt überhaupt nicht da hin und so, und was sollen wir denn da? Du weißt genau, dass ich das nicht bezahlen kann.“ 

Sabrina Becker
Sie haben das gerade schon gesagt. Ihre Mutter war von der Idee überhaupt nicht angetan. Und sie hat das dann auch der Ordensoberen kundgetan, oder?

Schwester Irmgard
Meine Mutter hat zu der Oberin gesagt: „Wir sind halt jetzt nun mal da, aber brauchen kann man sie nicht. Die hat nur Humor und Blödsinn im Kopf. Sie geht auch nicht fromm in die Kirche, und das mag sie auch nicht. Beten mag sie auch nicht so lang. Ich sage Ihnen jetzt halt, Frau Oberin, wenn es nicht geht, dann rufen sie mich an, dann komme ich sie wieder abholen.“ Daraufhin hat die Oberin gesagt: Dann passt sie aber ganz gut ins Kloster, dann nimmt sie nicht alles so ernst und tragisch. 

Sabrina Becker
Also hatte sie ordentlich viel Humor. 

Schwester Irmgard
Die war äußerst klug, aber für meine Mutter einfach unverständlich. Meine Mutter dachte, dass ich zu Hause bleibe, weil ich ja der Nachzügler war, weil ich die Jüngste war. 

Sabrina Becker
Aber Sie waren dann tatsächlich 14 Jahre alt, so jung, als Sie von zu Hause ausgezogen sind. Dann sind Sie auf das Internat der Franziskanerinnen gegangen und haben dort eine Ausbildung in der ordenseigenen Schneiderei begonnen. Und gleichzeitig waren Sie aber auf der Ordensschule. Wie hat das denn zusammengepasst? 

Schwester Irmgard
Damals bekam man ja auch im ersten, zweiten, dritten Lehrjahr jeden Monat so eine kleine Entlohnung und so. Und damit konnte ja dann eben das Internat als solches oder der Aufenthalt überhaupt da finanziert werden. Damit war meine Mutter dann auch versöhnt und hat dann zugestimmt. 

Sabrina Becker
Ihr erster Beruf war also Damenschneiderin. Doch dann, ein paar Jahre später, sind Sie doch noch in den Orden eingetreten. Wie kam es dazu? 

Schwester Irmgard
Ich bin in den Orden eingetreten, weil mich die Schwestern und wie die gearbeitet haben - wie deren Tagesablauf, Arbeit und Gebet im Wechsel war - das hat mir gefallen, so dass ich also wirklich mit 19 Jahren dann - damals war ich noch nicht mal volljährig - gedacht habe ich probiere das jetzt mal! Man kann ja wieder gehen, wenn es nicht klappt. 

Musik
Sefora Nelson: Mein Glück

Sabrina Becker
Schwester Irmgard Langhans ist katholische Ordensfrau. Sie waren sehr jung, als Sie bei den Dillinger Franziskanerinnen eingetreten sind. Damals waren Sie 19 Jahre alt. Sie haben Ihr Noviziat, also Ihre Ausbildung, im Orden absolviert. Und jetzt machen wir einen großen Sprung. 1963 sind Sie nach Kaiserslautern gezogen, wo Ihr Orden auch ein Mädcheninternat unterhält. Sie haben dort gearbeitet und nebenbei studiert. Und Sie sind Lehrerin geblieben bis zu ihrem Ruhestand. Aber dann kam wieder alles ganz anders. Sie haben einen Anruf bekommen von Ihrer Oberin, und die hat Sie was gefragt. Was war das? 

Schwester Irmgard
Ob ich mir vorstellen könnte, nach Berlin zu gehen, zur Militärseelsorge. Daraufhin habe ich gesagt: Nein, kann ich mir nichts vorstellen. Aber wenn die Vorgesetzten eben nun mal meinen, es wäre eine wichtige Aufgabe, dann kann ich das ja probieren. Und ich selber konnte mir wirklich auch nichts vorstellen, denn nach wie vor, was mit Militär zu tun hat, findet ja meistens hinter dem Zaun statt, hat man ja keinerlei Zutritt usw. Eine Schwester und ich haben uns hierher auf den Weg gemacht und sind seitdem jetzt im Militärbischofsamt tätig, und zwar wirklich bei der Soldatenseelsorge. 

Sabrina Becker
Jetzt waren Sie 65 Jahre alt, als Sie hierhergekommen sind, nach Berlin. Jetzt sind Sie 81 Jahre alt. Das war jetzt auch ein richtiger Lebensabschnitt für Sie. Wie war denn das? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen im katholischen Militärbischofsamt? 

Schwester Irmgard
Ich hatte junge Leute vor mir sitzen. Junge Soldatinnen und Soldaten usw, wo ich gedacht habe, ich bin viel zu alt, um denen was sagen zu können. 

Sabrina Becker
Wie müssen wir uns das vorstellen? Also da kommen Soldatinnen und Soldaten aus dem gesamten Bundesgebiet?

Schwester Irmgard
Von einem Standort. Also ein Standort hat ja einen Militärpfarrer, und der Militärpfarrer, der macht dann das Angebot und dann suchen sie ein Bildungshaus, Bildungsstätte. Und da bin ich dann hingefahren. 

Sabrina Becker
Jetzt stelle ich mir so ein Besinnungswochenende sehr getragen vor, irgendwie ernst. Aber dann sind da Sie. Sie sind so lustig und fröhlich. Wie passt das zusammen? 

Schwester Irmgard
Eigentlich geht es um die Freude am Glauben. Der Glaube an sich ist eine Kraftquelle. Der Glaube gibt Energie, und das ist nichts zum Trauern. Und unser Gottesbild, das wir ja haben, kann nicht schöner sein, denn er sagt selber: Ich bin da. Und wenn jemand zu mir sagt, ich bin da, dann ist das ein wunderbarer Satz. 

Sabrina Becker
Was ich mich aber gefragt habe und was sich vielleicht alle anderen auch fragen: Soldaten, Sie haben es vorhin so schön gesagt, das spielt sich doch eigentlich meistens alles hinter dem Zaun ab. Was sind denn so die Ängste und Sorgen der Soldatinnen und Soldaten? Wie haben Sie das erlebt? 

Schwester Irmgard
Sie sind ja auch weg, wie in vielen anderen Berufen. Sie müssen ins Ausland. Sie sind nicht immer bei der Familie. Es gibt weite Entfernungen zu überwinden und auch lange Zeiten, wo sie nicht bei der Familie sein können usw. Das alles ist der Alltag und eben auch dann umzugehen mit großer Verantwortung. Es geht immerhin um den Umgang mit Waffen, und es geht im Umgang mit den Menschen, und es geht um den Frieden schaffen. Und da war mein großes Anliegen und es ist nach wie vor, dass der Soldatenberuf aufgewertet wird. 

Musik
Sefora Nelson: Lege deine Sorgen nieder

Sabrina Becker
Schwester Irmgard, Sie sind Dillinger Franziskanerin, leben also in einem Orden. In Berlin und Brandenburg ist es ja eher so, dass Ordensleute ihre Niederlassungen und Klöster schließen müssen, weil der Nachwuchs fehlt. Macht Sie diese Entwicklung traurig? 

Schwester Irmgard
Die macht mich traurig, weil das Leben in einer Ordensgemeinschaft eigentlich für mich gesehen eine gute Sache ist. Zunächst Man ist nicht allein. Es ist eine Gemeinschaft, die auch mitträgt, was aber heute sehr schwierig ist für junge Leute ist, sich da einzufinden und einzufühlen. Wir sind ein tätiger Orden, so nennt sich das, weil wir ja Arbeit und Gebet im Alltag verknüpfen. Und ich frage mich: Warum kommt niemand? Mag niemand das Beten und das Arbeiten in dieser Weise verknüpft leben? Oder ist es das Leben in der Gemeinschaft? Was natürlich sehr schwer sein kann, auch manchmal, wo junge Menschen sagen: Nein, ich will mich selber bestimmen. Und das ist in einer Ordensgemeinschaft nicht so einfach. 

Sabrina Becker
Aber die Leute auf der Straße, die fragen Sie, haben sie mir gesagt, ob Sie eine echte Schwester sind. Und eigentlich kann man sie ja auch sehr gut erkennen, weil Sie haben ein schwarzes Ordensgewand und einen schwarzen Schleier auf dem Kopf. Wenn die Leute Sie ansprechen, was wollen die von Ihnen? Was fragen die? 

Schwester Irmgard
Kürzlich bei Aldi wurde ich dann gefragt: „Und wie lange sind Sie schon im Orden?“ Da habe ich gesagt 60 Jahre. Und dann ist die Frau ganz erschrocken. „Ja, so lange schon?!“ Da habe ich gesagt: „Ja, so lang.“ Eine Frau kam mal zu mir und hat gesagt: „Mein Kind möchte Sie anfassen.“ 

Sabrina Becker
Und durfte es?

Schwester Irmgard
Ganz klar habe ich gesagt. Ja, aber ich war irgendwie erstaunt. Warum sagt das Kind: Darf ich Sie anfassen? 

Sabrina Becker
Wenn Sie jetzt so auf ihr Leben blicken. Wir erinnern uns, Ihr erster Beruf war Damenschneiderin. All die schönen Kleider, die Sie damals genäht haben. Und Sie haben mir erzählt, Sie nähen ja immer noch. Haben Sie das nie vermisst, auch mal schöne Kleider zu tragen? 

Schwester Irmgard
Eigentlich nein. Aber was mich nach wie vor immer noch interessiert und wo ich am Fernseher aufstehe, wenn ich jemand sehe mit einem schönen Kleid, egal, ob das die Berlinale ist oder was immer, auch wenn da so die Garderobe dann gezeigt wird, da gehe ich nah an den Bildschirm. Das möchte ich sehen. Wie ist dieses Kleid genäht? Ja, das passt. Bei manchem passt es eben nicht. Das sehe ich auf Anhieb. Da rutscht irgendwas, da ist etwas schief. 

Sabrina Becker
Sie haben mir verraten, Sie werden im März 82 Jahre alt. Und Sie machen so einen fröhlichen Eindruck. Was ist denn Ihr Geheimnis? 

Schwester Irmgard
Das hat erstens mal mit meinem Glauben zu tun und hat mit der Liebe zu den Menschen zu tun. Ich freue mich, wenn ich Menschen begegne. Ich freue mich, wenn sie mich grüßen, wenn sie mich ansprechen, wenn sie mir erzählen usw. Denn das ist wichtig. Das Du als solches ist wichtig, damit ich jemand bin. Ich allein, das bringt nichts, das Du. Und dass ich eben nun mal so geführt wurde. Und darüber bin ich sehr, sehr dankbar, dass ich das auch so weitertragen kann, dass ich den Menschen mit einem frohen Gesicht begegnen darf. 

Sabrina Becker
Das ist doch jetzt ein schönes Schlusswort, Schwester Irmgard. Vielen, vielen Dank für dieses Gespräch. 

Schwester Irmgard
Bitte schön (lacht)

Musik
Sefora Nelson: Ich will dir danken