Autor:
Ja, und fündig geworden bin ich in der katholischen Kirche St. Rita in Reinickendorf. Dort gibt es jedes Jahr einen Gottesdienst extra für Karnevalistinnen und Karnevalisten.
Orgelspiel
Autor:
Da kommen dann Prinzenpaare aus Berlin und Brandenburg zusammen und der evangelische Pastor Andreas Penzki und auch der katholische Diakon Rui Wigand. Und ihn habe ich gefragt: Kirche und Humor, da denkt man ja manchmal: ...passt nicht so wirklich. Aber Sie zeigen ja, es geht: weil Kirche und Karneval passt und weil das auch in Ihrer Person ja zusammenkommt. Was ist Ihnen da wichtig?
Rui Wigand:
Den Blick zu haben für das Freudige und für das Leid, was eng beieinander ist oftmals. Es gibt viele, die das kritisch sehen, die auch einen Karnevalsgottes-dienst nicht gutheißen. Aber ich bin der Meinung, dass der Karneval einfach auch verdient, für all das Bemühen um Menschen unter einen Segen gebracht, gestellt zu werden. Deswegen ist es mir wichtig, das mit dem Vers nochmal deutlich zu machen am Ende dieses Gottesdienstes:
Atmo aus Gottesdienst
Es gleichen sich der Narr und Christ,
sie lachen unter Schmerzen.
Obwohl so viel zu weinen ist,
verstehen sie zu scherzen.
Drum holt euch euer Narrenkleid
nur wieder aus dem Kasten.
Der Christ kennt beide: Freud und Leid,
das Feiern und das Fasten.
Orgeltusch
Autor:
Klaus von Poblotzki, Sie sind Organist hier in St. Rita, Sie sind aber auch der „Feldkantor“, heißt das. Das klingt ja sehr militärisch.
Klaus von Poblotzki:
Ja, durchaus, ist es aber nicht.
Autor:
Was ist es denn?
Klaus von Poblotzki:
Das ist einfach nur schön, karnevalistisch schön. Und das ist toll, dass ich den Gottesdienst so begleiten darf und … das finde ich wirklich; ist eine persönliche Ehre.
Autor:
Sie sind jetzt hier als Karnevalist gekleidet, Sie sitzen an der Orgel im Karnevalskostüm. Wie passt das für Sie zusammen?
Klaus von Poblotzki:
Also Karneval bedeutet für mich alte christliche Tradition und Karneval bedeutet für mich also auch ein sehr intensives Vereinsleben zusammen. Und was ich besonders schön finde an dem Vereinsdasein hier ist, hier steht nicht saufen im Vordergrund, wie oft vielmals angenommen wurde. Das ist überhaupt nicht der Fall. Hier steht Tradition im Vordergrund und gemeinsame Veranstaltung und dann eben auch Christentum…
Autor:
... und ein anderes Wort mit „S“, nämlich Singen. Sie haben eben gespielt „Wir kommen alle in den Himmel“…
Atmo Orgelspiel:
Autor:
Das ist ja auch vielleicht was, was Sie als Christ, als Katholik berührt.
Klaus von Poblotzki:
Auf alle Fälle. Das ist schön. Ja. Diese Verbindung muss einfach da sein, dass Karneval letzten Endes auch immer bedeutet Abschied. Also „Carne vale!“: Abschied vom Fleisch. Und diese Verbindung muss man sich immer vor Augen halten. Und dann denke ich, kriegt man in seinem Leben auch die Kurve vom Anfang bis zum Ende.
Autor:
Und da kann die Musik besonders helfen?
Klaus von Poblotzki:
Ja, auf alle Fälle. Also ich spiele ja auch zu Beerdigungen und zu Hochzeiten und Taufen und allen persönlichen Anlässen.
Autor:
Und haben Sie da ein Lieblingslied?
Klaus von Poblotzki:
Ja, ich bin immer so ein Fan von so etwas mehr melancholischen und besinnlichen Liedern, aber ich habe im neuen Gotteslob z.B. auch festgestellt, da sind so Lieder wie „Jesus Christ, you are my life“: That's it - würde ich sagen. That’s it!
Autor:
Und an einem Tag wie heute passt auch mal der Narrhalla-Marsch als Einzug.
Klaus von Poblotzki:
Ja, durchaus. Na klar. Ist karnevalistisch.
Atmo Orgel: Narrhallamarsch
Klaus von Poblotzki:
Letztes Jahr habe ich am Anfang gespielt „Echte Fründe stonn zesamme...“ und so weiter und so. Haben die ganz toll gefunden auch unten. Ja, ist so. Das ist es. Gemeinschaft und Freude, Heiterkeit und Jokus, wie der Berliner sagt. Hei-Jo, Heiterkeit und Jokus…
Autor:
Das ist ja auch Ihr Karnevalistengruß, deswegen: HeiJo!
Atmo Orgeltusch
Autor:
Und jetzt habe ich Christiane Holm, die Präsidentin der Prinzengarde der Stadt Berlin. Frau Holm, Berlin und Karneval, wenn man nach Mainz guckt, nach Düsseldorf guckt, nach Köln guckt: dann denkt man ja irgendwie Berlin und Karneval, das ist so wie ein Pinguin in der Wüste. Aber Sie zeigen ja: Das ist gar nicht so.
Christiane Holm:
Das stimmt. Also es ist natürlich nicht die Hochburg. Es ist schwierig in Berlin natürlich Nachwuchs zu bekommen. Einige Vereine haben (aber auch) sehr vie-le Jugendgarden. Und wir machen natürlich auch ganz viel soziale Arbeit, gehen in Altenheime und Hospize. Da beglücken wir eben auch viele Menschen; oder unsere eigenen Veranstaltungen.
Autor:
Das heißt, der Narr, die Närrin kann ein lachendes und ein weinendes Auge haben. Sie nehmen das ganze Leben ernst?
Christiane Holm:
Ja genau. Es ist ja auch alles, gehört ja alles zueinander und uns liegt es auch am Herzen, also nicht nur der Prinzengarde, sondern allgemein dem Berliner Karneval.
Autor:
Und warum ist Ihnen gerade ein Gottesdienst wichtig zu Karneval?
Christiane Holm:
Na, weil der Gottesdienst vereint uns ja auch allen. Wir hatten auch wieder sehr viel Prinzenpaare, aus Brandenburg auch, was wirklich ganz toll ist.
Autor:
In Brandenburg gibt es über 140 Karnevalsvereine, also doch mehrere Pinguine in der Wüste.
Christiane Holm:
Ja, da gibt es wesentlich mehr Pinguine in der Wüste.
Autor:
Und wenn man so in die Nachrichten guckt, dann ist vielleicht in diesem Jahr Karnevalfeiern ganz besonders wichtig?
Christiane Holm:
Ja, bestimmt. Ja, also nicht nur wegen der Unruhen und Kriege, die es überall sind, denn ich meine: gut, wir haben ja eine Herausforderung, die Bundestags-wahl. Ja und auch hier, also auch in unserem Verein haben wir eben auch ziem-lich schwerkranke Menschen; und für die sind wir natürlich auch, wollen wir auch da sein. Die beziehen wir ein und deswegen auch alle anderen.
Autor:
Und auch für die gilt ja dann Ihr Karnevalsgruß, den wir vielleicht dann von Herzen gemeinsam sagen nochmal?
Christiane Holm:
Können wir gerne machen: Berlin: HeiJo!
Musik: Sonari Chor - Berlin Heijo
Autor:
Kirche und Karneval - Wie passt das zusammen? Darüber spreche ich mit dem katholischen Diakon Rui Wigand. Er ist Seelsorger und hält zusammen mit einem evangelischen Kollegen einmal im Jahr auch einen Gottesdienst für die Närrinnen und Narren in Berlin und Brandenburg. Aber er ist auch sonst für die Sorgen und Nöte der Karnevalisten da.
Rui Wigand:
Ja, das ist das Leben. Es ist einfach so, dass Freud und Leid immer sehr oft dicht beieinander sind. Also wir spüren das immer sehr deutlich, wie wichtig den Karnevalisten es ist, einmal innerhalb der Session auch innezuhalten, viel-leicht auch mal zu überdenken, was ist gelaufen, wo habe ich gefehlt, was möchte ich vor Gott bringen. Und dafür ist dieser Gottesdienst immer eine gute Gelegenheit. Und seit drei Jahren haben wir jetzt einen etablierten Platz hier in St. Rita gefunden, der alles bietet, um einen Gottesdienst einerseits abzuhalten in einer angemessen großen Kirche und dann später auch das Biwak abzuhal-ten.
Autor:
Das ist sowas wie ein Feldlager beim Militär, aber humoristisch
Rui Wigand:
Ja genau, so, wo eben auch Gastronomie geboten wird.
Autor:
Und… ein Karnevalsprogramm...
Rui Wigand:
Aber auch ein Karnevalsprogramm eben geboten wird von den einzelnen Verei-nen. Das war auch etwas, was ich lernen musste, dass es hier tatsächlich drei-ßig Vereine gibt, die sich auf sehr unterschiedliche Weise engagieren. Die Kinder haben dieses Ballett, diese Tanzgruppen. Die Erwachsenen kümmern sich mehr so in Richtung Seelsorge, auch um die älteren Mitglieder, besuchen sie, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.
Autor:
Eine Sache müssen wir noch klären. Sie sind Düsseldorfer, leben aber schon sehr lange hier in Berlin. Gucken sie manchmal am Rosenmontag nach Düsseldorf und sagen, wäre ich doch lieber dort?
Rui Wigand:
Ich würde nicht sagen, dass ich lieber dort wäre. Ich bin mit wenigen Monaten nach Düsseldorf gekommen und dort aufgewachsen. Ja, ich habe den Karneval in meiner Kinder und Jugendzeit sehr genossen und auch sehr aktiv mitge-macht. Auch den Karnevalszug, den Rosenmontagszug, der gleich bei mir um die Ecke startete am Rhein. Und später, als wir dann hier ins Berlin-Brandenburgische kamen, mittlerweile auch schon 20 Jahre her, habe ich einen neuen Karneval kennengelernt, auf eine ganz andere Art und Weise hier in Berlin.
Autor:
Was ist denn der Unterschied, der Hauptunterschied?
Rui Wigand:
Also wir kennen die Hochburgen Düsseldorf, Köln und Mainz, wo die Massen hingehen, wo alles durch große Vereine getragen wird. Der Berliner-Brandenburgische Karneval, der ist eher bescheiden, der lebt ein bisschen von einem persönlichen einzelnen Engagement. Es muss ja nicht immer das Große und Prachtvolle sein. Hier kommt auch durch diese Vereine nochmal sehr zum Ausdruck, was es bedeutet, in so einem Karnevalsverein übers Jahr hinweg tätig zu sein, an Mitarbeit, an Dienst am Menschen, füreinander, so wie Gott es ja auch von uns möchte. Unser Leben ist ja ein Leben für andere. Das kommt hier sehr stark zum Ausdruck. Wir müssen den Menschen sehen.
Autor:
Und es gibt ja noch eine Gemeinsamkeit vielleicht zwischen Karneval in Berlin und katholisch in Berlin. Sie sind immer eine Minderheit, die aber viel-leicht was Besonderes bewirken kann in die Gesellschaft.
Rui Wigand:
Ja, es sind halt wenige, aber es hat auch einen Vorteil. Man kennt sich.
Autor:
Also kann Kirche verbinden, Glaube verbinden und auch Karneval kann verbinden.
Rui Wigand:
Auf jeden Fall.
Musik: (nur Refrain): Echte Fründe stonn zesamme...
Autor:
Und damit sind wir dann auch wieder ganz nah an der Seelsorge. Pfarrer Matthias Brühe aus Berlin Tegel: Er hält jedes Jahr zu Karneval die Sonntags-predigt in Reimform. Auch für ihn passt also Kirche und Karneval gut zu-sammen, auch von den Ursprüngen her. Denn da gibt es ja auch noch den Aschermittwoch und den Beginn der Fastenzeit.
Pfarrer Matthias Brühe:
Es kommt ja her von der Fastenzeit, die danach kommt, wo man, wenn man die Fastenzeit ernst nimmt, dann auf manches verzichtet, auch auf eine gewis-se Ausgelassenheit und Fröhlichkeit. Da gibt es ja die unterschiedlichsten Dinge. Manche verzichten auf Süßigkeiten, manche auf Alkohol. Aber dann vorher nochmal zu sagen, bevor das jetzt kommt, wir feiern noch mal ein bisschen, vielleicht auch ein bisschen ausgiebiger. Fröhlich zu sein und guter Laune zu sein und Dinge auch mal ein bisschen aufs Korn zu nehmen, das ist mir durch-aus sympathisch. Und (ich) bin sowieso dafür, dass man in der Kirche auch fröhlich ist. Wir haben eine Frohe Botschaft zu verkünden. Da geht es manch-mal auch um ernste Dinge, aber selbst ernste Dinge kann man auch in fröhli-cher Weise den Menschen darbringen.
Autor:
Und wer kommt da in Ihren Gottesdienst? Sind das die Zugezogenen, die Rheinländer im Exil vielleicht? Oder wer kommt da?
Pfarrer Matthias Brühe:
Da mögen auch Rheinländer im Exil dabei sein. Es ist aber die ganz normale Gemeinde, die kommt. Und es sind Leute aus meinen vorigen Gemeinden. Ich war in einer Pfarrei viele Jahre, wo sehr ausgiebig Fasching gefeiert worden ist, wo Freitag, Samstag, Sonntag, Montag die verschiedenen Gruppen der Gemeinde dann eingeladen waren, wo es ein ausgiebiges Programm gab. Und mein Beitrag war dann eben unter anderem, die predigt am Sonntag gereimt zu halten.
Autor:
Wollen Sie denn schon verraten, was sie heute am Karnevalssonntag predigen?
Pfarrer Matthias Brühe:
Da dürfen die Leute drauf gespannt sein. Das weiß ich auch, dass manche dann da sitzen und denken: Na, wird er wieder reimen? Und so soll das heute auch sein.
Autor:
Also wir verraten es nicht, was Sie heute predigen, aber was Sie im letzten Jahr in einem rbb-Rundfunkgottesdienst gepredigt haben, auch in Reim-Form, das hören wir jetzt. Das klang nämlich so:
Atmo: Predigt-Mitschnitt:
Es ist bei mir seit Jahren Brauch
und dieses Jahr tue ich es auch
an einem Faschingswochenende,
auf das der rbb es sende,
im Verseschmieden mich zu üben,
weil viele Hörer es so lieben.
Wir Menschen brauchen es sozial
und Jesu Werk hat Potenzial
zu heilen und zu überwinden,
dass Menschen zueinander finden.
Dann freuen sich die, die heute kamen
und auch die Radiohörer. Amen.
Orgeltusch