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Wissen Sie noch, was ein Pangolin ist? Die Schuppentiere sind vom Aussterben bedroht. Denn sie gelten weltweit als das am stärksten illegal gehandelte Säugetier. Die Schuppen werden in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet und das Fleisch gilt in weiten Teilen Asiens als Delikatesse.
Das Pangolin stand am Beginn der weltweiten Corona-Katastrophe 2019/2020 im Verdacht Schuld – oder zumindest Mitschuld - an der Übertragung des Covid-19-Virus zu sein. Der Verdacht wurde bis heute nicht belegt.
Rückblickend stellt sich die Corona-Katastrophe aus unserer Sicht im Schnelldurchlauf so dar: Ende 2019 schwappten erste Meldungen von einem Pandemie-Virus in die Welt, das seinen Nullpunkt in China hatte. Am 11. Januar meldet China den ersten Corona-Todesfall. Ein 61jährige Mann aus Wuhan sei zwei Tage zuvor gestorben, hieß es damals. Das ist jetzt auf den Tag fünf Jahre her. Die Meldungen der Folgetage überschlagen sich. China meldet am 20. Januar mehr als 200 Infektionen mit dem Covid-Virus, das inzwischen auch in Japan, Korea und Thailand offiziell angekommen ist. Am 27. Januar 2020 wurde der erste Corona-Fall in Deutschland bekannt. Ein 33jähriger Mann aus Bayern hatte sich bei einer aus China angereisten Kollegin angesteckt. Am 22. März trat in Deutschland der erste Corona-Lockdown in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt gab es rund 100 Menschen in Deutschland, die am Corona-Virus verstorben sind. Bis zum Mai dieses Jahres wurden zirka 183.000 Tote gezählt.
Nichts und niemand blieb damals von Corona verschont, weltweit nicht, auch nicht in Deutschland. In Hast und Eile wurden Impfstoffe entwickelt, Schulen und Arbeitsstätten wurden hektisch geschlossen, Gottesdienste, Sportveranstaltungen und Versammlungen wurde abgesagt. Es galt ein allgemeines Kontaktverbot. Das soziale Leben kam zum Erliegen. Restaurants und Frisör-Salons stellten ihre Arbeit ein. Home-Office und Videokonferenzen wurden zum Alltag.
Menschen spalteten sich aber auch in Lager. Auf den Balkonen und Straßen standen Alt und Jung und beklatschten symbolisch Pfleger und Ärzte. Zehntausende marschierten auf den Straßen, schrien sich an und gingen auf einander los. Angst und Wut hatte vielerorts den Dialog kaputtgetreten. Impfverweigerer wurden Corona-Leugner genannt. Atemschutzmasken waren erst Mangelware, dann schwer in der Kritik. Öffentlich-rechtliche Fernseh- und Rundfunkstationen wurden als Lügenpresse beschimpft. Über allem schwebte der Lock-Down.
Die Frage, die sich fünf Jahre nach Beginn der Corona-Katastrophe stellt, ist also aus kirchlicher Sicht nicht nur die, wie hat Corona unsere Kirche verändert, sondern die viel wesentlichere Frage, wie hat Corona unsere Gesellschaft verändert, unser Zusammenleben als Christinnen und Christen, - unseren Glauben.
Frage an die Superintendentin des Kirchenkreis Prignitz, Eva-Maria Menard, erinnern Sie sich noch an die Zeit vor fünf Jahren?
Eva-Maria Menard:
Da kann ich mich gut erinnern, also an diesen März, als das ja quasi dann auf Deutschland und auf uns hier auch alle zukam, die Verunsicherung, die herrschte und auch verschiedene Momente hier in meinem Leben, das hat sich schon eingebrannt. Das erzählt man sich auch, und weiß du noch und dann haben wir ja, und da war doch so, und so ging´s los; es gibt einfach Ereignisse, die brennen sich ins kollektive und eben auch ins persönliche Gedächtnis ein, ja.
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Weil eben auch Kirchen – Mittelpunkt gesellschaftlichen Zusammen-seins - vom Lockdown nicht verschont blieben, wurden die Gottesdienste zu besonderen Herausforderungen. „Christi Leib, für dich gegeben, Christi Blut, für dich vergossen“ … so einfach war es nicht mehr.
Eva-Maria Menard:
Es gab ja sehr unterschiedliche Phasen. In dieser Corona-Zeit da gab es ja dann ab März diesen absoluten Lockdown, wo ja quasi gar nichts war. Und da haben wir ja wirklich keine Gottesdienste gefeiert, höchstens mal draußen. Dann später, als es dann so Mai wurde und man sich so von den ersten Betäubungen erholt hatte, was ist denn jetzt los, dass man dann irgendwie Alternativen entwickelt hat, draußen dann auf der Wiese mit großem Abstand, über den Gartenzaun, mit Hausandachten; da ist ja eine große Kreativität auch freigesetzt worden. Ich habe das mit großem Staunen auch gesehen und mit Bewunderung. Und was da alles entwickelt wurde, also Telefon-Gottesdienste in unserem Kirchenkreis, die gibt übrigens noch bis heute. Die Technik wurde insoweit aufgebaut, dass immer Menschen, die nicht kommen können, am Telefon mithören können den Gottesdienst. Dann gibt es immer noch den Stream von Gottesdiensten. Damals haben wir dann angefangen – als das mit dem „zoom“ los ging, „zoom“-Gottesdiente zu feiern, wir haben Video-Botschaften gemacht. Ich habe persönlich immer versucht, einerseits zu ermutigen, nicht alles stehen und liegen zu lassen und gleichzeitig mich an die Regeln zu halten.
Autor:
Irgendwie, irgendwann normalisierte sich die Situation im Sommer so halbwegs. Gottesdienste waren wieder erlaubt. Viele Gemeinden führten eigene Sicherheitsmaßnahmen ein oder behielten sie zunächst bei, Masken waren Pflicht, Abstand auch, gesungen wurde zaghaft, denn gerade über den Gesang sollten sich die infektiösen Aerosole verbreiten. Doch schon im Herbst 2020 gab es zunächst einen „Lockdown Light“. Im Dezember dann den nächsten Lockdown, als die Infektionszahlen wieder nach oben stiegen. Das Corona-Virus liebt die Kälte … Dieser zweite Lockdown blieb bis zum Frühjahr 2021.
Kreativität war gefragt. Online-Gottesdienste zum Mitfeiern am heimischen Computer waren zunächst das allgegenwärtige Mittel, um das Wort Gottes zu verkünden. Und weil diese Möglichkeit des Gottesdienstes bis heute Anklang findet, gibt es sie auch noch 2025. So feiert u.a. Pfarrerin Anna Trapp aus Bad Wilsnack bis heute diese Art von Gottesdienst. Gleichwohl bleibt die Frage: Haben die Mitglieder der evangelischen Kirche die Corona-Zeit genutzt, um mit der Kirche abzuschließen? Nicht einmal mehr 800.000 Mitglieder hat die evangelische Kirche Berlin/Brandenburg, schlesische Oberlausitz derzeit. Vor zehn Jahren waren es noch über eine Million Mitglieder. Superintendentin Eva-Maria Menard sieht in der Corona-Katastrophe aber auch eine Chance …
Eva-Maria Menard:
Nach meiner persönlichen Einschätzung nehme ich wahr, dass der Gottesdienst-Besuch zurückgegangen ist, aber, das ist auch eine sehr allgemeine Aussage, denn punktuell und individuell ist es auch noch einmal sehr anders, weil durch die anderen Angebote, die sich teilweise etabliert haben – und da meine ich jetzt gar nicht die Online-Angebote, sondern einfach noch einmal ein anderes Zugehen auf Menschen – da ist auch ein Schub ausgelöst worden für andere Formate, die vielleicht ohne Corona so nicht wären. Das ist so „hätte, hätte“, ja. Aber wir haben hier tolle dritte Orte entwickelt. In Wittenberge wird es bald den „Marthas Tisch“ geben, einen Begegnungsort. Wir haben das „EKidZ“ in Pritzwalk. Wir haben also verschiedene Projekte, die da einfach noch einmal einen Entwicklungsschub bekommen haben und die auch sehr angenommen werden von Menschen. Aber wenn sie mich direkt nach dem Gottesdienst-Besuch fragen, da ist der Sonntagmorgen-Gottesdienst glaube ich tatsächlich sehr zurückgegangen, aber nicht an jedem Ort und nicht zu jeder Zeit.
Musik – Jerusalema – Zikode, Nomcebo
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Wie aber hat Corona auch uns als Christen verändert? Wie hat Corona unsere Kirche verändert. Jonathan Simon ist 17. Der Gymnasiast aus Berlin-Grunewald ist in einem christlichen Elternhaus groß geworden, besucht regelmäßig die Gottesdienste seiner Gemeinde und ist dort aktives Mitglied im Gemeindekirchenrat. Er will nicht nur politisch und kirchlich mitreden, sondern auch gestalten. Die Kirche sei durch Corona sehr viel politischer geworden, sagt er …
Jonathan Simon:
Während man vorher in den Predigten die Politik als Anlass genommen hat für ein gesellschaftliches Problem, macht man es jetzt umgekehrt. Man versucht, das gesellschaftliche Problem als Anlass zu nehmen, um einfach generell über die Politik zu reden. Das halte ich allerdings für schwierig und für besorgniserregend, da man letztlich politisch instrumentalisiert und der Glaube an sich nicht mehr im Vordergrund steht, was er aber eigentlich sollte.
Autor:
Schwere Worte. Will dies aber die evangelische Kirche seit dem „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ nicht mutiger bekennen? Und hieße dies nicht auch politischer bekennen? Erst im Herbst 2024 – kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg – hat die Evangelische Kirche Berlin/ Brandenburg, schlesische Oberlausitz die Unvereinbarkeit mit den Positionen der AfD bekräftigt. Öffentliche Auftritte für die AfD führen zum Verlust der Wählbarkeit in Gemeindekirchenräten und Gremien der Landeskirche, so der Beschluss. Eine klare politische Aussage. Dies aber geht dem 17jährigen Jonathan Simon – der sich, das sei hier versichert, im linken Spektrum verortet wissen will – gleichwohl zu weit …
Jonathan Simon:
Weil es nicht mehr darum geht, welche Entscheidung oder Meinung man hat, sondern nur noch darum geht, dass man jede politische Entscheidung oder Haltung oder Meinung in eine politische Ecke zu nehmen, merkt man, dass die Kirche da sehr, sehr geschickt es immer wieder hinkriegt, den Leuten, die keine politische Haltung haben, eine zu geben. Dies führt dann dazu, dass die Leute sich nicht mehr ihre Entscheidungen bilden, sondern nur noch ihre politische Haltung verteidigen können.
Autor:
Corona hat die Gesellschaft gespalten, ohne Frage. Aus dem gesellschaftlichen Problem wurde ein Politikum gemacht. Aus Impf-Gegnern wurden Corona-Leugner. Menschen – die aus welchem Grund auch immer – sich die Impfstoffe nicht geben lassen wollten – wurden in einen Topf mit Verschwörungserzählern, Reichsbürgern und Rechtsextremen geworfen. Das eher umgekehrt ein Schuh draus wird, habe leider auch die Kirche bewusst ignoriert, so Gemeinderatsmitglied Jonathan Simon.
Ein Beispiel dafür sei der Nationalspieler Joshua Kimmich, der sich mit politischen Aussagen bekanntlich eher zurückhält. Als bekannt wurde, dass Kimmich sich zunächst nicht gegen Corona impfen lassen wollte, wurde er politisch instrumentalisiert. Plötzlich war Kimmich in der kollektiven Gefühlsmelange Impfgegner, AfD-ler und kein „Guter“ mehr. Seine Gründe für die Impfverweigerung spielten dabei keine Rolle …
Jonathan Simon:
Die AfD hat sich mit ihm solidarisiert, gleichzeitig hatten allerdings die anderen politischen Kräfte ihn nicht in Ruhe gelassen, sondern hatten dann auch draufgehauen und auch ihren Senf dazu gegeben, weil sie gegen die AfD vorgehen konnten, und am Ende ging es gar nicht mehr um Kimmich, sondern nur noch um das gegenseitige Draufhauen. Das ist genau der Punkt. Das man nicht differenziert zwischen jemandem wie Kimmich und einem „Aluhutträger“. Das tut man nicht. Deshalb sind wir da, wo wir sind. Aber das müsste man tun. Dann könnte sich die Kirche ändern, dann könnte sich auch die Gesellschaft ändern, weil die Gesellschaft von der Kirche ausgehen muss.
Autor:
Vor fünf Jahren hatte die Corona-Katastrophe begonnen. Nach dieser Zeit hatten linke wie rechte Extremisten leichtes Spiel, weil die Politik nicht genügend Nachsorge traf. Umso wichtiger aber sei die Arbeit der Kirchen, sagt die Superintendentin des Kirchenkreis Prignitz, Eva-Maria Menard.
Eva-Maria Menard:
Wir haben hier mit verschiedenen Kirchenkreisen so ein gottesdienstliches Formular entwickelt, was auch noch einmal auf die Corona-Zeit zurückblickt, um Gottesdienste zu feiern mit Menschen. Und das ist so ein Dreischritt, der heißt „Klage“, über das was war und über das was vielleicht auch schiefgelaufen ist und wo wir vielleicht auch etwas versäumt haben, ja. Da gibt es einen Teil „Dank“, dass wir auch wirklich dank medizinischer Entwicklung, dank der Entwicklung von Impfstoffen gegenüber anderen Ländern gut rausgekommen sind wahrscheinlich aus dieser Situation. Und der dritte Teil heißt dann „Ausblick“, Bitte um Bewahrung, Hoffnung. Ich finde das ein sehr gelungenes gottesdienstliches Format, und ich glaube auch, dass es gut ist, wenn es gelingt.
Autor:
Was immer nun an Gutem wie an Schlechtem jeder einzelne von uns aus der Corona-Zeit bilanziert, die Antwort der Kirche ist auch 2025, - jeder Tag ist ein Neuanfang. Der Glaube – der uns alle trägt – macht jeden Tag zu einem Geschenk.
Musik – Jerusalema – Zikode, Nomcebo