Musik: „Unser Beten steige auf zu dir - wie Weihrauch, Gott, vor deinem Angesicht…“ von der Band „Patchwork“
Autor: Ruhige, meditative Klänge in der Krankenhauskapelle. Dazwischen Gebetstexte. Menschen, die eine Kerze in der Hand halten und im Mittelgang in einen Sandkübel stecken. Eine Kerze zur Erinnerung. Für die Toten, für die Kranken, für einen selbst. Die Band Patchwork aus Brandenburg an der Havel hat zum Trostkonzert eingeladen. Zusammen mit der Seelsorge im Krankenhaus. Gekommen sind Angehörige von Kranken, Trauernde, Angestellte der Klinik, Ärztinnen und Ärzte. Menschen, die Trost suchen. Vor dem Konzert hatte ich Gelegenheit, mit Christoph Kießig zu sprechen. Er ist einer der Gründer der Band, die vor vielen Jahren mal im kirchlichen Umfeld entstanden ist. Ihn habe ich gefragt. Trostkonzerte? Was ist das eigentlich?
Kießig: Ein Trostkonzert ist ein Konzert. Es geht erstmal um Musik. Noch nicht mal so eine Andachtsform, noch keine klassische Liturgie in dem Sinne, sondern wirklich ein Konzert mit sehr, sehr viel Musik. In unserem Fall mit deutschen Texten, die sich mit Trauer, Trost, mit Hoffnung, mit Sterben und Leben beschäftigen.
Musik: „Wenn meine Trauer siegt…“ von der Band „Patchwork“
Autor: Du hast die Texte ja zum Teil selbst geschrieben oder alle selbst geschrieben. Wie kommst du denn auf solche Texte? Spielt da das Leben, dein eigenes Leben eine Rolle?
Kießig: Genau. Wir haben als Band und auch ich persönlich natürlich, wie wenn man in ein bestimmtes Alter kommt, viele Erfahrungen gemacht. Wir haben mindestens auf so vielen Beerdigungen gespielt wie auf Taufen mittlerweile. Und wir haben natürlich im persönlichen Umfeld auch immer wieder solche tragischen Ereignisse, die einen dann immer wieder auch noch mal mehr anregen. Meine Theorie ist, dass gute Lieder eher aus schwierigen Situationen entstehen als aus Situationen, wo alles toll ist.
Autor: Macht ihr auch Hoffnungskonzerte?
Kießig: Das Trostkonzert ist ein Hoffnungskonzert, natürlich, weil Trost hat sehr viel mit Hoffnung zu tun. Und die Lieder drücken sich nicht, ducken sich nicht weg, würde ich sagen, vor dem Thema. Aber sie versuchen immer auch noch einen Ausweg zu zeigen.
Autor: Der kann wie aussehen?
Kießig: Na, der kann aussehen, dass ich schon gläubig bin. Und ja, ich habe da eine Perspektive, die noch mal anders ist, die anders auf mein Leben guckt. Ich fühle mich nicht allein gelassen. Ich sehe, dass es anderen auch so geht. Die Sachen sprechen mich an. Und dann ist für mich Musik schon auch ein Teil von Hoffnung, wo ich ja, ich kann da mal abschalten. Die kommen da mal aus einem raus und habe einfach mal ein paar Minuten und eine Stunde, wo ich mich wirklich mal treiben lassen kann, wo ich mal ein bisschen sortieren kann. Das ist auch schon ein Effekt, der nicht zu unterschätzen ist in solchen Konzerten, gerade für Menschen, die nicht mit Kirche was zu tun haben sonst.
Musik: „Wenn meine Trauer siegt“ von der Band „Patchwork“
Autor: Mit Christoph Kießig, dem Gründer und Bandmitglied von „Patchwork“ aus Brandenburg an der Havel, habe ich über die Trostkonzerte gesprochen, die die Band in Kirchen und an anderen Orten in Berlin und Brandenburg anbietet. So zum Beispiel auch in Krankenhauskapellen. Welche Rolle spielt denn der Raum? Ihr spielt jetzt in der Kapelle, ihr spielt in Krankenhäusern, ihr spielt wo denn noch?
Kießig: Wir wollen immer schon auch in den nicht kirchlichen Raum. Wir haben schon etliche Verhandlungen geführt, mit Krematorium z.B. oder mit Friedhofshallen. Da sind die staatlichen Stellen in Berlin sehr zurückhaltend, wenn es sich kirchliche Musik, kirchliche Bands handelt, obwohl es nicht so vordergründig kirchlich ist. Aber wir spielen eigentlich überall, wo man uns einlädt. Wir haben es in unterschiedlichen Settings schon gespielt. Natürlich hat ein Krankenhaus nochmal einen komplett anderen Kontext für so ein Konzert. (Das) bringen die Leute ja auch mit. Und selbst für uns ist es wieder neu, weil manche Lieder man neu entdeckt in einem anderen Kontext. Wir haben auch schon im Gefängnis gespielt, da kriegen die Lieder noch mal eine ganz andere Farbe. Und das ist auch was, gerade bei diesen Konzerten, da passiert viel zwischen Publikum und Band und Musik. Das hat eine andere Dimension irgendwie.
Autor: Aber als Konzertbesucher, -besucherin sitze ich schon da oder gibt es da eine Interaktion auch während des Konzerts?
Kießig: Wenig. Also es gibt die Möglichkeit, das haben wir unterschiedlich, je nachdem, welcher Kontext das auch immer ist, ob die Leute das gewohnt sind. Wenn wir in der Kirche spielen, dann sind die Leute, die meisten sind Kirchgänger, die wissen, wie das langgeht. Aber eigentlich ist es eher nicht zum Mitsingen und nicht zum Mitmachen. Die Leute können Kerzen anzünden und können ihrer lieben Verstorbenen oder Lebenden auch ihr denken. Das ist schon eine Form von Mitwirkung. Aber ansonsten ist es eher so ein Ruhepol, eine Ruhe-oase für die Menschen, zur Ruhe zu kommen in dieser wilden Zeit. Das war schon mal ein Anfang.
Autor: Was unterscheidet denn ein Trostkonzert in der Kirche von einem Gottesdienst in der Kirche, der auch Trost spenden soll?
Kießig: Genau, erstmal unterscheidet es, dass wir es nicht so nennen, weil wir genau Leute nicht abschrecken wollen. Wir wollen nicht sagen da ist ein Gottesdienst da ist eine Andacht. Die können alle an dieser Art von Musik und an diese Texte andocken, ohne dass die vereinnahmt werden in irgendeiner Weise, einen Ritus zu feiern. Das wollen wir sehr offen lassen und das kann man auch so ein bisschen variieren. Aber eigentlich ist genau der Unterschied, dass es inklusiver ist und die Leute eigentlich reinholen soll und nicht abschrecken soll. Viele, die sagen, mit Kirche habe ich nichts zu tun, also da würde ich niemals hingehen.
Autor: Und gleichzeitig ist der zweite Teil des Wortes ja Trost-Konzert. Was unterscheidet denn das Trostkonzert von einem Konzert, das ich mir anhöre? Weil mich das auch anspricht, emotional anspricht, tröstet, außer dass ich vielleicht beim Konzert Eintritt bezahlen muss.
Kießig: Genau, wir haben ja viele solche Lieder, aber in den sonstigen Konzerten kommen die eigentlich immer sehr, sehr wenig vor. Also es sind halt, sagen wir mal schon, ich würde mal sagen, traurig schöne Lieder, aber da würde man jetzt nicht den ganzen Liederabend oder ein ganzes Konzert mitmachen. Das würde die Leute auch überfordern. Also in unseren sonstigen Konzerten kommt da mal am Ende mal eins, wenn die Spannung so, wenn es gut passt. Aber ansonsten ist das dann in so einem normalen Konzert, wenn die Leute halt eher auch mit Musik sozusagen bewegen und feiern wollen, kommt das da zu kurz und da ist hier einfach mal Ruhe und Raum und dann kann man das auch viel anders wirken lassen.
Musik: „Ich will dich trösten“ von der Band „Patchwork“
Autor: Die Brandenburger Band Patchwork. Das sind neun Menschen, davon sechs auf und drei hinter der Bühne bei Licht und Ton. Sie bieten neben ihrem sonstigen Konzertprogramm auch spezielle Trostkonzerte an in Kirchen und Krankenhäusern. Es ist ein Konzert, aber es gibt auch besinnliche Texte zum Nachdenken.
Text:
Ein Jahr, heißt es, muss vergehen, ehe es leichter wird.
Erst wenn die Tage wieder kürzer und kühler werden.
Erst wenn die Nebel wieder weiß die Bäume verhüllen.
Dann erst beginnt das zweite Jahr.
Dann erst können sich erste Narben bilden.
Dann erst.
Und immer vorausgesetzt,
dass der Schmerz von gestern,
das Alleinsein von heute
und die Leere von morgen
zu ertragen waren
- bis dahin.
Autor: Etwa ein halbes Dutzend Trostkonzerte im Jahr veranstalten die Musiker von Patchwork. Bei ihrem Auftritt im katholischen Sankt Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof haben sie besonders Patientinnen und Patienten, deren An- und Zugehörige und auch das Klinikpersonal eingeladen. Franziska Stede ist zuständig für das christliche Profil im Sankt Joseph-Krankenhaus, einer Gründung der Elisabeth-Schwestern im Erzbistum Berlin. Und sie findet: Hier passt so ein Trostkonzert gut hin.
Stede: Trauer und Trost im Krankenhaus (33“): - Trauer und Trost im Krankenhaus geht ineinander über. Das ist für uns ein ganz wichtiges Arbeitsfeld, die Patientinnen und Patienten eben auch zu begleiten, wenn es dem Lebensende näher geht oder wenn die Aussichten auf Heilung eher gering sind. Und dann kommt natürlich auch immer die Frage von Trauer ins Spiel. Und wir versuchen ein Ort zu sein, wo man diese Trauer auch leben darf, wo die einen Platz bekommt und gleichzeitig eben auch Angebote geschaffen werden, die Trost spenden, die einfach zeigen, wir als katholisches Krankenhaus haben nochmal eine ganz andere Dimension, die wir auch den Patientinnen und Patienten, An- und Zugehörigen mitgeben möchten.
Autor: Dabei findet Franziska Stede Trost im Glauben - und zwar auch religionsübergreifend.
Stede: Genau. Und gleichzeitig ist es so, dass wir trotzdem als katholisches Krankenhaus ganz klar mit unserem christlichen Fokus auch auftreten und dafür werben, weil wir eben hier eine Hoffnung haben, aus der heraus wir gegründet sind von den Elisabeth-Schwestern, die gesagt haben: es gibt mehr als das Leben, was wir hier erfahren. Es gibt die Hoffnung auf eine Auferstehung nach dem Tod. Und viele von unseren Mitarbeitenden tragen diese Hoffnung eben auch mit, tragen dieses Gehaltensein durch Gott mit. Und wenn wir das können, dann geben wir das gern weiter an uns Zugehörige, an Patientinnen und Patienten. Es ist uns ein Anliegen zu vermitteln, wir sind in dieser Krankheit bei ihnen, wir versuchen Heilung zu schaffen und wir halten gleichzeitig auch die Hand hin, wenn es um Trost geht.
Musik: „Unser Beten steige auf zu dir“ von der Band „Patchwork“
Stede: Trost ist sicherlich nichts, was nur mit Tod in Verbindung kommt, sondern nicht immer läuft alles, wie man sich das so geplant hätte, wie man sich's gewünscht hätte. Und das hat nicht immer was mit dem Lebensende zu tun. Das ist manchmal was, dass man eine Hoffnung hat, eine Erwartung, die so nicht 100 Prozent erfüllt werden kann. Und auch dann kommt Trost zum Tragen. Nicht immer ist es das Lebensende, was begleitet werden muss, aber durchaus, was das eigene Leben in den Blick nimmt, wo sich was verändern wird. Da möchten wir gerne da sein, wenn Fragen aufkommen und auch Trost spenden.
Autor: Die Band Patchwork aus Brandenburg an der Havel hat kirchliche Ursprünge. Sie gibt sonst Popkonzerte, spielt aber auch bei Kirchentagen und Pfarreifesten. Sie hat auch schon bei Weltjugendtagen und beim Papstbesuch in Berlin vor einigen Jahren große Auftritte gehabt. Die Trostkonzerte sind in dieser Reihe etwas Besonderes: das Publikum anders, die Stimmung bedächtig, die Texte nachdenklich. Und: Die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher nach dem Konzert sprechen für sich…
Reaktionen: Ja, sehr gut. Ich fand es ganz bewegend, also es war echt ein tolles Erlebnis. Ich fand die Texte wunderbar, Musik sehr passend. Es ist ganz berührend. Wir sind gerade selbst in einem Sterbebegleitungsprozess von jemandem, von daher war das genau die Art, die wir heute brauchten für Trost, Stärkung, ein Stück Hoffnung, sich mit so schönen Texten und einer tollen Musik begleiten zu lassen. Das hat uns heute gestärkt und geholfen. Dafür können wir nur danke sagen allen, die es organisiert haben. Ich fand es schön und ich glaube, es hat auch vielen Menschen Trost spenden können. Ich wusste ja gar nicht, was uns genau erwartet und hatte gedacht, vielleicht sind es auch Lieder, die man kennt. Aber ich fand, dafür, dass man es gar nicht gekannt hat, hat es einen sehr mitgenommen und sehr bewegt und fand die Texte auch vielseitig und auch schön und auch sehr schöne Stimmen. Hat einen gut mitgenommen und eingefangen. Und auch das mit den Kerzen anzünden war sehr schön. Also bei mir ist es auch noch frisch irgendwie die Trauer. Und ich glaube, es ist aber eine schöne Idee, Menschen unterschiedlicher Couleur zusammenbringen kann und auch egal welcher religiösen Überzeugung. Ich finde es bewundernswert, dass Menschen das machen und das auf die Bühne bringen. Wow, die Mischung aus wirklich hochprofessionell Musik und passenden Texten. Sehr gut, sehr gut. Könnte ich jeden Tag haben hier.
Autor: Klang-Trost. Musik, die der Seele gut tun will. Gerade jetzt in diesen Novembertagen. Das ist das Anliegen der Trost-Konzerte der Band Patchwork. Wie geht es weiter damit? Überhaupt mit dem Thema Trost? Das habe ich Christoph Kießig gefragt, Mitbegründer, Texter und Sänger der Band gefragt.
Kießig: Also mein Eindruck ist, dass das Format wahnsinnig wichtig ist, gerade im Moment. Also man kann ja auch Trost noch mal anders definieren. Und ja, wir werden alt, wir erleben eine Welt, die immer weiter aus den Fugen gerät. Wer tröstet uns dann eigentlich darüber, was wir alles kaputt machen hier? Und von daher glaube ich, ist es ein wichtiges Format, wünschte mir, dass es mehr und von selber mehr auf die Sprünge kommt. Aber wie das heute in diesem ganzen Segment marktmäßig ist, muss man es halt irgendwie platzieren. Man muss dann Leute kriegen, die das veranstalten. Das kostet natürlich auch Geld. Das sind also Dinge, aber wichtig - und es wird niemals unwichtig werden. Also Trost und mit diesen letztlichen Fragen, mit denen sich ja auch Kirche beschäftigt, umzugehen, ist einfach wesentlich. Und wir beschäftigen uns ganz, ganz viel mit den Vorverletzten und den vorvor-vorletzten Fragen, aber mit diesem letzten harten Brocken wenig. Und da müssen wir ran, glaube ich.
Autor: Die nächsten Trostkonzerte stehen schon im Terminplan der Band: Kommenden Sonntag, 9. November, um 17 Uhr in der Friedenskirche in Potsdam und in zwei Wochen, am 16. November, ebenfalls um 17 Uhr in der Kirche St. Joseph in Berlin-Köpenick. Der Eintritt ist jeweils frei - für alle, die Trost suchen und finden wollen. Infos gibt’s auch im Internet.
Musik: „Am Ende“ von der Band „Patchwork“