01.01
2025
08:40
Uhr

Neujahr mit Bischof Stäblein

Barbara Manterfeld-Wormit
Bei mir zu Gast. Heute, am ersten Tag des neuen Jahres, ist Christian Stählin Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin Brandenburg schlesische Oberlausitz. Herr Stählernen, schön, dass Sie heute da sind. Ein wunderbares neues Jahr. Und zuallererst die Frage Wie sieht denn eigentlich so Ihr erster Tag im neuen Jahr aus?

Bischof Christian Stäblein
Ja, vielen Dank auch. Von meiner Seite aus erst mal ein frohes, ein gesegnetes, neues gutes 2025. Der 1. Januar ist in der Regel relativ ruhig. Gottesdienstbesuch gehört dazu, das ist klar.

Barbara Manterfeld-Wormit
Aber 10:00 morgens, da gibt es keine Ausnahme.

Bischof Christian Stäblein 
Das darf dann auch am Abend sein. Ich habe auch keinen eigenen Dienst in diesem Jahr. Also ich darf genießen, ich darf empfangen. Und dann gebe ich zu, ich gehöre zu denen, die auch das Neujahrs Skispringen immer gerne gucken. Also der Tag darf ein bisschen ruhig sein, rausgehen ist auch schön, egal wie das Wetter jetzt, heute sich noch entwickelt.

Dass man einmal auch sozusagen die Luft des neuen Jahres zu sich genommen hat, aber sonst alles ruhig ist ein bisschen den Aufräumarbeiten zu.

Barbara Manterfeld-Wormit
Das klingt gut. Es ist ja schon fast eine gute Tradition, dass wir auf diesem Sendeplatz an diesem Tag über etwas sprechen, was Christen begleitet durch das neue Jahr, nämlich die Jahreslosung. Und in diesem Jahr lautet die Prüfet alles und behaltet das Gute aus einem Brief des Apostel Paulus Prüfet alles und behaltet das Gute. Ich fand ja, das klang so ein bisschen, als ich das erste Mal gehört habe, nach dem ersten Auftrag in diesem Jahr. Ist das auch so?

Bischof Christian Stäblein
Na ja, es ist erst mal Auftrag und es klang auch so ein bisschen. Man denkt erst mal, wo ist jetzt Gott da in dieser Jahreslosung drin. Aber wenn man sich dann genauer anguckt, dann ist es doch ein, wie ich finde, sehr schönes Wort. Auch über den Glauben, aber auch über unsere Zeit, weil es ja darum geht, die verschiedenen Dinge zuzulassen und auszuprobieren.

Wir spüren alle, dass wir in Zeiten sind, in denen es nicht einfach nach den gängigen Mustern weitergeht. Ich finde es ganz schön, wenn man Bilder anguckt, wie diese Jahreslosung dargestellt wird. Es gibt ja immer ganz viele, die das dann auch sozusagen in Zeichnung oder Malerei oder Bilder umsetzen. Fast immer ist eine Brille drauf, also das genaue Hingucken, das achtsame Hingucken, das nicht die Dinge sozusagen so schnell von Nutzen, das gehört dazu.

Insofern glaube ich vielleicht, dass diese Jahreslosung auch länger hält als sonst. Manchmal. Manchmal haben wir es ja schon nach einer Woche im neuen Jahr wieder vergessen. Das ist etwas, was uns daran erinnert. Guckt euch die Dinge genau an.

Barbara Manterfeld-Wormit
Trifft auf alle Fälle einen wunden Punkt, würde ich sagen. Also wenn ich ins Netz gehe, ploppt gleich was auf, wo ich entscheiden muss. Ja, nein, was ist das überhaupt? Man muss sich in alles eigentlich irgendwie auch einarbeiten. Wenn ich Nachrichten gucke, weiß ich auch nicht, muss ich auch prüfen Sind das jetzt echte oder sind es Fake News? Also es ist ja doch eine Zeit auch der Überforderung jedenfalls.

So wird es von vielen erlebt. Wo ist denn da das Tröstliche?

Bischof Christian Stäblein
Das stimmt. Es ist was Anstrengendes. In unserer Zeit ohnehin, keine Frage. Auf der anderen Seite ist das für mich darin auch das Tröstliche Gott guckt sich die Dinge auch sehr genau an und es kommt eben dann nicht auf das Schnelle von Nutzen an, sondern es kommt auf das gute Wegen an und in gewisser Weise ist der Glaube auch etwas, was in unserer Zeit sehr geprüft wird im Moment.

Ich glaube, aus diesem Prüfen kommt ein Stärken, nicht nur bei Gott. Darauf können wir uns verlassen. Einer ist der, wenn er prüft, gut prüft, sozusagen, also stärkend, sondern weil wir selber auch diese Erfahrung machen können. Es gibt einen Weg, der in dieser Tiefe auch da durchgeht und der eben nicht sozusagen an der Oberfläche bleibt. Ein geprüfter Glaube ist am Ende immer ein gestärkter.

Barbara Manterfeld-Wormit 
Jetzt ist es ja so für viele, glaube ich. Also mir persönlich ging es so Ich war ganz froh, dass das Jahr zu Ende war und am 1. Januar sitzt man dann doch irgendwie da, auch wenn man weiß, okay, das ist so ein Datum, andere Jüdinnen und Juden feiern das neue Jahr zum Beispiel zu einem ganz anderen Zeitpunkt. Man hat doch das Gefühl, so, jetzt liegt irgendwie alles noch mal in allen Möglichkeiten vor und beschrieben.

Das ist irgendwie auch ein schönes Gefühl. Reset. Man kann noch mal zurück auf Null sozusagen und neu starten und das kann und ist hoffentlich auch was Gutes. Deswegen würde ich mit Ihnen gerne so über das sprechen, was auch Anlass gibt zur Hoffnung. Worauf? Worauf freuen Sie sich? Oder was sind auch so Highlights in diesem Jahr? Was jetzt auf uns zukommt, dass man nicht zu stark und immer nur auf die schweren Pakete guckt, die es natürlich auch weiter zu tragen gibt.

Bischof Christian Stäblein
Christinnen und Christen begehen ihr neues Jahr, wenn wir auf das Kirchenjahr gucken, immer im Advent. Das finde ich auch gut zu erinnern, weil es bedeutet, wir fangen immer mit der frohen Erwartung und der Hoffnung an, der Weg führt immer auf Weihnachten zu, an der Stelle immer wieder darauf, dass Gott Mensch wird und darin das ganze Versprechen seiner Liebe Gestalt gewinnt.

Und davon leben wir sozusagen von Weihnachten her, wenn wir dann ziemlich direkt danach ins neue Jahr gehen, dass es jetzt und da gibt es einiges, worauf ich mich auch im neuen Jahr freue. Ich gucke jetzt mal erst mal aus der Kirchen Sicht, dann kann man sagen, wir haben wieder einen Kirchentag in diesem Jahr in Hannover. Das finde ich, ist ein tolles Ereignis, weil sozusagen alles was uns bewegt in dieser Welt, in der Gesellschaft, das kommt in Diskussionen, Gebet und öffentlicher Debatte noch mal zusammen.

Barbara Manterfeld-Wormit
Und vor allen Dingen eine tolle Gelegenheit, sich zu begegnen, mit Menschen zusammenzutreffen.

Bischof Christian Stäblein
Draußen sein. Es ist jetzt Anfang Mai. Diesmal wollen wir mal hoffen, dass das dann auch so ist, dass man wirklich gerne draußen ist. Es gehört für mich. Ich bin ja so im Herzen wirklich ein tiefer Demokrat. Also ein Wahltermin, auch wenn er jetzt auf eine sehr ungewöhnliche Weise zustande gekommen ist und ja auch erst mal bedeutet, dass da etwas zum Abbruch gekommen ist.

Aber ein Wahltermin heißt immer auch für die Demokratie Aufbruch und wieder neu gucken und sich erneuern in diesem demokratischen Miteinander. Das wird ja etwas sehr bestimmender schon sehr früh in diesem Jahr sein. Das gehört dazu. Und ich glaube an uns Demokratinnen und Demokraten ist es an diesem Punkt auch wieder zu sagen Jawohl, wir gestalten das Gemeinwesen zusammen und wir packen das auch neu an!

Barbara Manterfeld-Wormit
Ein schönes Hoffnungs Wort.

Musik

Barbara Manterfeld-Wormit
Bei mir zu Gast heute, am 1. Januar ist Bischof Christian Stählin, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg. Wir haben gesprochen über die Jahreslosung, aber vor allen Dingen auch über das, was in diesem neuen Jahr voraussichtlich geben wird schöne Dinge wie der Kirchentag, aber auch herausfordernde Dinge wie die Bundestagswahlen im Februar, also schon sehr, sehr zeitnah.

Kirche hat ja doch nach wie vor da auch eine wichtige Stimme und auch einen wichtigen Beitrag zu leisten. Sie haben gesagt, wie wichtig Ihnen persönlich, aber natürlich auch in diesem Amt Demokratie ist. Was kann Kirche da ganz konkret leisten, um demokratische Strukturen, um ein wertschätzendes Miteinander, auch um eine demokratische Vielfalt in diesem Land zu schützen und weiter zu ermöglichen und das stark zu machen.

Bischof Christian Stäblein 
Also ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir die Räume öffnen, in denen man sich tatsächlich miteinander auseinandersetzen und verständigen kann. Wir leben ja in so vielen Konflikten und auch unterschiedlichen Auffassungen, dass es ganz wichtig ist, dass nicht jeder in seiner Blase, sagen wir jetzt, heute immer verschwindet, sondern dass man miteinander im Gespräch ist. Deswegen gibt es schon sehr lange die Initiative Verständigung von der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Wir machen das in der Expo, also der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg schlesische Oberlausitz. Wir machen das da auch, dass wir immer wieder dazu ermutigen Öffnet euren Kirchenraum oder eure Gemeindehäuser dafür, wirklich sehr ehrlich miteinander die Dinge zu diskutieren, über die sich auseinanderzusetzen gilt. Es ist ganz wichtig, dass wir den Meinungs Korridor nicht zu eng machen. Oft haben ja die Menschen das Gefühl, man dürfte nicht mehr alles sagen.

Natürlich geht es bei diesem Verständigen immer darum, dass wir das in großer Achtsamkeit für das Gegenüber, aber zunächst einmal auch für alle Menschen tun. Also die Würde eines jeden Einzelnen und das achten auf diese Würde steht bei uns ganz vorne. Diese Toleranz, die ist dabei auch einzuüben, gilt, ist ja keine Form der Gleichgültigkeit, sondern der großen Achtsamkeit, die wir als Menschen füreinander aufbringen.

Barbara Manterfeld-Wormit
Sie sind an dieser Stelle ja auch noch in einem besonderen an Sie sind nicht nur in Anführungsstrichen Bischof der Evangelischen Kirche hier vor Ort, sondern Sie sind auch gleichzeitig Bischof der Evangelischen Kirche in Deutschland. Also es gehört zu Ihren Aufgaben, auch einen ganz besonderen Blick auf diese Situation von Geflüchteten Menschen in unserem Land zu werfen. Könnte es vielleicht gerade auch so sein, dass gerade die Menschen in Brandenburg, die anderes natürlich also nicht Bürgerkrieg in dem Sinne, aber doch ja auch lernen mussten und auf besondere Weise gelernt haben, mit dem Wandel umzugehen und über Nacht gezwungen zu sein, in einem neuen System dann doch auch heimisch zu werden, sich neu zu erfinden.

Könnte das vielleicht auch gerade einen Anknüpfungspunkt sein? Was die Frage anbelangt Wie gehen wir um mit Geflüchteten, die versucht haben, hier Fuß zu fassen, sich zu integrieren und jetzt eventuell vor der Frage stehen: Wieder zurück in die Heimat, in welcher Heimat? Also es ist tatsächlich überall Wandel, eigentlich an der Stelle.

Bischof Christian Stäblein 
Und wir diskutieren das ja auch kräftig. Jetzt auch noch mal im Blick auf das Verhältnis von West und Ost. In der Tat, 35 Jahre friedliche Revolution haben wir im letzten Jahr begangen und die Diskussionen, die dazu gehören, die, denke ich, werden in diesem Jahr weitergehen, weil sie auch ungeheuer wichtig sind. Der große Respekt, was es tatsächlich bedeutet, über Nacht quasi in einem anderen System zu leben und Fuß zu fassen. 

Und so sehr das errungen und erstritten worden ist und diese Mauer ja nicht einfach gefallen, sondern zum Einsturz gebracht worden ist, so sehr ist es dann eben doch auch eine riesige Aufgabe, diese neue Welt gemeinsam miteinander zu gestalten. Und deswegen, finde ich, ist es genauso wichtig, immer wieder auch zu betonen Es ist ja nicht so, dass die einen sozusagen einem anderen Leben einfach beigetreten sind, sondern für uns alle hat sich an dieser Stelle ganz viel geändert.

Nicht die West Biografie ist so eine Art normale Biografie und die anderen kommen dann noch mal in besonderer Weise dazu, sondern für uns alle ist das eine große Veränderung und Gestaltungsaufgabe. Und daraus ergibt sich natürlich, dass wir alle miteinander ein anderes Verhältnis im Blick auf diese Welt haben, ein anderes Verhältnis im Blick auf Menschen, die in Not auf dem Weg sind.

Und ich erlebe gerade in Brandenburg an dieser Stelle auch immer eine ganz große Bereitschaft, Menschen aufzunehmen. Ich bin ja oft in der Prignitz oder in der Lausitz und treffe fast immer auf Gemeinden, die eben auch Ukrainer bei sich eine ganze Weile aufgenommen haben und dann dafür gesorgt haben, dass sie sozusagen die Heimat finden konnten. Und die Menschen, die aus ganz, ganz vielen Teilen dieser Welt zu uns kommen. 

Es ist deswegen gerade in Brandenburg, in Berlin so wichtig zu sagen Wir sind ein weltoffenes, ein tolerantes Land. Und wir sind gerade mit Menschen, die von woanders kommen, sehr offen im Umgang.

 Barbara Manterfeld-Wormit
Und vielleicht ist das dann auch der größte Wunsch fürs neue Jahr, dass wir alle einen Ort finden und einen Ort haben dürfen, wo wir uns heimisch, beheimatet fühlen.

 Bischof Christian Stäblein 
Das gilt auch für die Menschen, die schon immer hier leben und die sich oft auch sehr fremd voreinander miteinander fühlen. Nein, beim Marathon gehört sozusagen immer dazu. Aufbruch aber auch. Es wird eine Menge von uns abverlangt an Offenheit. Und ich glaube mit Gott an dieser Stelle im Rücken oder mit seinem Wort jeden Tag auf dem Weg kann ich mich dann auch auf diese offene Suche machen und die Brille auspacken, die dazugehört, wenn Prüfet alles und das Gute behaltet.

Denn das Gute wollen wir behalten und das andere lassen wir hinter uns.