Christina Kliem:
Ich bin Christina Kliem, Kuratorin im Wendischen Museum und bin hier verantwortlich für die Jan-Buck-Ausstellung in Cottbus.
Autor:
Wir befinden uns im Stadtzentrum von Cottbus. Das Wendische Museum der südbrandenburgischen Lausitzmetropole macht immer wieder mit interessanten Kunstaustellungen auf sich aufmerksam. So wie im vorigen Jahr mit einer Sonderschau zu Jan Buck. Leider ist der sorbische Maler katholischen Glaubens einem breiten Publikum bisher unbekannt. Christina Kliem wurde deshalb mit ihren Kolleginnen aus dem Sorbischen Museum in Bautzen aktiv:
Christina Kliem:
Jan Buck Ausstellung zum hundertsten Geburtstag ist von 2022 bis 2025 an fünf Stationen. Wir hier in Cottbus zeigen retrospektiv, einen Querschnitt seines gesamten Schaffens. Und die Ausstellung geht dann weiter nach Wrocław und dann danach nach Zielona Gora
Autor:
Jan Buck war Sorbe. Wenn man es weiß, sieht man es in seinen Bildern. Aber gibt es so etwas wie sorbische Kunst? Der Kunsthistoriker Heiko Straehler-Pohl von der Kunsthalle Lausitz in Cottbus unternimmt einen Versuch die Merkmale sorbischer Bildertraditionen zusammen zu fassen.
Heiko Straehler-Pohl:
Das ist eine Frage, die selbst die Sorben nur schwer beantworten können, da es lange keine eigenständige sorbische Maltradition gab und sich das erst nach dem Ersten Weltkrieg eingestellt hat und durch den Nationalsozialismus zunichte gemacht wurde. Eine eigenständige, professionelle sorbische Bildertradition erst in den 70er Jahren entstand. Natürlich gibt es Themen, die immer wieder auftauchen. Das ist der Tagebau, das sind die Bräuche.
Autor:
Über die Lausitz hinaus bekannt sind nur wenige Künstler:
Heiko Straehler-Pohl:
Ganz oben steht Conrad Felixmüller, der sich nach einiger Zeit wieder zu seinem Sorbentum bekannt hat und das auch aufgegriffen hat in seiner Kunst. Und dann gibt es andere Namen wie Jan Buck, der als Vater der modernen sorbischen Kunst gesehen wird.
Autor:
Christina Kliem hat auch am viersprachigen Katalog über Jan Buck als Autorin mitgeschrieben. Sowohl die Sonderausstellungen als auch die Publikation laufen unter dem Titel: „Alles ist Landschaft“. Aber was macht den sorbischen Maler auch für ein breites Publikum so interessant?
Christina Kliem:
Jan Buck hat in der Niederlausitz etwas wesentliches für sich entdeckt. Durch die Veränderung der Landschaft, durch den Braunkohletagebau. Jan Buck gehört zu den großen, den bedeutendsten bildenden Künstlern, die sich freigemacht haben, von der folkloristischen Bildauffassung. Er ist in die Moderne gegangen.
Autor:
Geboren und begraben wurde Buck in einem 300 Seelen Dorf in der Oberlausitz im Freistaat Sachsen. Studiert hat er in Breslau, dem heutigen Wrocław und in Dresden. Lange Jahre war er in Bautzen als Schullehrer und nebenher auch als Maler und Grafiker tätig. Seine künstlerischen Inspirationen fand Jan Buck in der Auseinandersetzung mit Malern Westeuropas, da er…
Christina Kliem:
Besonders sich mit den französischen Impressionisten befasste, die ihm Vorbild waren. Man kann schon sagen, er hat die sorbische-wendische Kunst für die Moderne geöffnet.
Autor:
Die ersten Lebensjahre des Künstlers skizziert Kliem, wie folgt:
Christina Kliem:
Jan Buck ist 1922 in Nebelschütz geboren. In ganz einfachen Verhältnissen. Man hatte sein Talent entdeckt, aber wie das so ist, wenn man kein Geld hat – er ist Dekorationsmaler geworden. Musste zur Wehrmacht – das war für ihn eine sehr schwierige und grausame Erfahrung, aber er ist glücklicherweise zurückgekommen.
Autor:
Sein Oeuvre und die Malweise, orientierte sich an den französischen Malern Paul Cezanne oder Paul Gauguin. Die Kulturwissenschaftlerin Christina Kliem umschreibt seine Malweise:
Christina Kliem:
Es sind die Farben, die sehr besonders sind, wenn wir seine Werke betrachten und es ist auch die Art und Weise seiner Malerei, die sich natürlich im Laufe der Jahrzehnte änderte.
Autor:
Jan Buck, der in Breslau erst sein Abitur machte und dann dort studierte, wäre gerne noch länger in Polen geblieben. Aber 1951 wurde er nach Dresden zurückbeordert. Es war kulturpolitisch keine einfache Epoche:
Christina Kliem:
Wir wissen, dass die Zeit des sozialistischen Realismus an den Kunsthochschulen Künstler einengte in ihrer Kunstauffassung. Rückblickend sagt er, das war die schwierigste Zeit für ihn. Aber er hat sich dennoch durchsetzen können. Hat seinen Malstil, seine Auffassung beibehalten und sie stetig weiterentwickelt.
Autor:
Aber nicht nur sein Stil wurde in den folgenden Jahrzehnten immer ausgeprägter. Auch bei seinen Landschaften und Porträts entwickelt er sich weiter:
Christina Kliem:
Es ist die Veränderung der Landschaft und da ist es die Niederlausitz, die ihn sehr bewegte, denn durch den Braunkohletagebau, durch das Aufreißen der Landschaft, durch das Wegreißen der Dörfer, durch das Zerstören von Volkskultur das hat ihn zu vielen Serien bewegt, die heute für uns für unsere Kunstgeschichte sehr, sehr wichtig und bedeutend sind.
Autor:
Christina Kliem hat den 2019 verstorbenen Künstler noch persönlich kennengelernt:
Christina Kliem:
Jan Buck war ein sehr stiller, ein sehr wissender ein sehr interessierter Mensch. Er konnte gut beurteilen. Wir haben den 95. Geburtstag gemeinsam feiern können, bei guter Gesundheit, beim guten Geist.
MUSIK: Co by nadejšła / Wohin gehöre ich (Erik und Clemens Schiesko mit Lena Hauptmann)
Autor:
Damals wurde vereinbart, dass zu Jan Bucks 100. Geburtstag die jetzige Wanderausstellung mit dem gebundenen Katalogbuch realisiert werden soll. Sein katholischer Glaube war für den Künstler eine Selbstverständlichkeit, Teil seines Alltags und alles andere als aufgesetzt:
Christina Kliem:
Er lebte am Fuße der Kirche es haben ihn schon die Gemälde in der Kirche fasziniert. Er war im katholischen ganz fest aufgewachsen. Er war aber jemand, der das nicht nach Außen stellte, der das nicht als Postulat setzte, sondern das war für ihn eine innere kirchlich-religiöse Überzeugung, mit der er lebte. Das sieht man auch in seinen Bildern.
Autor:
Hier verweist Kuratorin Christina Kliem auf einige Gemälde im Wendischen Museum in Cottbus. Wir schauen auf das Bild, das Jan Buck von seiner Mutter malte:
Christina Kliem:
Es ist die katholische obersorbische Tracht und damit ist ja schon ausgedrückt, dass es eine Zugehörigkeit zum katholischen Glauben beinhaltet.
Autor:
Ein weiteres Bild, wo der Glaube eine Rolle spielt, ist…
Christina Kliem:
… bei der wunderbar gestalteten Druschka, bei diesem Porträt. Druschka heißt Brautjungfer. Wir wissen, dass am Fronleichnamstag, die Mädchen in dieser Tracht bis heute diesen katholischen Festtag begehen mit ihrer sorbischen Festtagstracht und interessanterweise ist für Buck hier nicht das Detail das entscheidende, sondern das Gefühl in dieser impressionistischen Art und Weise, wie er das hier darstellt.
Autor:
„Osternacht in der Lausitz“ heißt ein anderes Bild, welches schon vor Jahrzehnten für Diskussionen sorgte.
Christina Kliem:
“Wie kann der Maler das so darstellen? Es ist ja gar nicht alles zu erkennen?” Aber für Buck war nicht das Detail der Tracht entscheidend, sondern für ihn war die Bewegung, der Zug der Prozession in der Osternacht mit der Fahne davor diese Bewegung in dieser finsteren Nacht mit dem anreißenden Morgen, den der Himmel für mich da so ein bisschen schon offen gibt. Hier sieht man wie er mit Form und Farbe umgeht.
MUSIK: Co by nadejšła / Wohin gehöre ich (Erik und Clemens Schiesko mit Lena Hauptmann)
Jörg Sperling:
„Jörg Sperling, Kunstwissenschaftler im Ruhestand“
Autor:
So stellt sich mir der Experte für Gegenwartskunst der Lausitz vor. Sperling war viele Jahre in der Brandenburgischen Kunstsammlung in Cottbus als Kurator für die Malerei und Plastik zuständig. Einen Text übertitelte er einmal mit „Neu-Sorbisch“.
Jörg Sperling:
Die richtige sorbische bildende Kunst die fängt eigentlich erst in den 10er, 20er Jahren an. Es gibt gerade bei jüngeren sorbischen Künstlerinnen diese Reflexion über das Ende einer Tradition. Das gibt es auch in der Sprache bei der Roza Domascyna zum Beispiel oder bei Kito Lorenz. Das haben wir ja als Deutsche schon lange hinter uns. Die Christianisierung hat uns einen eigentlich einen anderen Glaubenskontext – und dann Marx – (lacht) übergeholfen. Da kann man noch eine Menge von Lernen, wie wir mit Tradition, ich denke ja nur an den belasteten und eigentlich auch schönen Begriff HEIMAT – wie wir damit umgehen.
Autor:
Die sorbische Landschaftsmalerei ist eng mit dem Heimatbegriff verbunden. Jörg Sperling:
Jörg Sperling:
Die Landschaften sind ja gerade im ländlichen Raum, wo Dörfer verschwinden, aufgefressen werden von diesem begierigen Braunkohlemenschen da ist viel verloren gegangen an Tradition, an Kultur, an Orten.
Autor:
Jan Buck nahm sich früh und kritisch der gewaltvollen Zerstörung einer gewachsenen Kulturlandschaft in Teilen der Lausitz an. Das kommt vor allem in seinen Landschaftsbildern zum Ausdruck und den Dörfern, die dem Tagebau weichen mussten. Christina Kliem erklärt:
Christina Kliem:
Wenn Buck auf Rückseite schreibt: Eingeebnet durch den Tagebau, dann ist das auch eine Beschreibung eines religiösen Hintergrunds. Denn ein Grab auf einem Friedhof, das wird eingeebnet und damit ist das Gedächtnis erloschen.
Autor:
Die Menschen, die dort lebten, baten den Künstler, ihre Häuser und Orte in seinen Werken festzuhalten, als eine Art Gedächtnisbilder an das für immer Verlorene. Kuratorin Kliem nennt Beispiele:
Christina Kliem:
Weißagk war ein Ort mit vielen Obstplantagen. Die Menschen lebten davon. Es war umso trauriger, dass Lebenswerke vernichtet wurden, weil so eine Obstplantage ist ein Lebenswerk und wurde auch ererbt, das kennen wir von den Weingütern. Und das wurde alles vernichtet. Oder Groß Lieskow ist auch ein Ort mit einer wunderbaren, wichtigen Kirche mit Dörfern, die dazu eingepfarrt sind, die sind alle kirchlos gewesen.
Autor:
Das alles wurde von Jan Buck gezeichnet und gemalt. Auf die Bilder muss man sich einlassen. Ihre symbolischen Botschaften sind beim flüchtigen Schauen nicht sofort zu enträtseln. Wir stehen vor einem großen Ölbild auf Leinwand und Christina Kliem analysiert:
Christina Kliem:
Das ist die Kirche zu Groß Lieskow. Den Blick drüber über die Landschaft, die schon öde ist, die schon dem Tagebau gewichen ist. Und links das entstehende Kraftwerk Jänschwalde. Und wir sehen über Groß Lieskow diese dunkle Wolke. Er hat schon in seinen Werken die Veränderung auch die durch die Braunkohleindustrie entstehen zu Bilde gebracht.
Autor:
Wer die Jan Buck Ausstellung in Cottbus verpasst hat, kann entweder ins benachbarte Polen nach Breslau oder Grünberg reisen oder zur einer Publikation greifen. Das lesenswerte Buch „Alles ist Landschaft – Der sorbische Maler Jan Buck“ ist im Sandstein-Verlag in Dresden mit vielen Abbildungen erschienen.
MUSIK: Co by nadejšła / Wohin gehöre ich (Erik und Clemens Schiesko mit Lena Hauptmann)