Frank van der Hulst
Wir stehen jetzt hier auf einem Punkt, wo man gut sehen kann, was wir alles gemacht haben. Wenn man so in die Runde guckt, sieht man ganz viele Bäume und Sträucher. Und da sind die Hecken, die sind noch ganz niedrig, die sind erst in den letzten zwei Jahren gepflanzt und brauchen noch ein bisschen Zeit – aber die ist vor 10 Jahren gepflanzt und so werden all diese Hecken. Alles, was man hier sieht, ist von uns gepflanzt, alles haben wir gemacht. Und das ist das Gestalten von Landschaft und das ist schon cool, wenn man das machen darf.
Moderation
Frank van der Hulst zeigt mir seinen Hof und Grund. Eine sanfte Hügellandschaft in herrlichen Grüntönen liegt vor mir, ich sehe Johannisbeerplanatagen und junge Apfelbäume, Hühner, die im Schatten ihre Körner picken. Ich bin bei ihm zu Besuch. Auf seinem Bauernhof in Weggun – einem kleinen Örtchen in der Uckermark, in der Nähe von Prenzlau.
Frank van der Hulst
Wir leben hier auf der Pampa. Das heißt wir gehören dem Dorf Weggun an, wir sind im Außengebiet von Weggun, die nächsten Nachbarn sind 1,5 km entfernt, aber das Dorf ist auch nur 100 Seelen groß. Und dann in einem Umfeld der Uckermark – ich sag immer: Ja, die Uckermark ist sehr groß, aber da wohnen nur die Hälfte der Zahl an Menschen, was in Kreuzberg wohnt.
Moderation
Sein Dialekt ist unüberhörbar und man merkt: Frank van der Hulst kommt nicht von hier. Wie er nach Brandenburg gekommen ist, erzählt er mir beim Hofspaziergang:
Frank van der Hulst
Wir sind aus den Niederlanden hierher gezogen 2009. Wir standen in Holland vor der Wahl. Wir hatten da einen Nebenerwerbs-Landwirtschaftsbetrieb, aber der Haupterwerb war etwas anderes. Und wir haben in Holland nach Land gesucht, um mehr Landwirtschaft betreiben zu können, vielleicht als Hauptberuf, aber das war zu teuer. Wir standen damals also vor der Wahl, ja was tun wir eigentlich – auch in Kombination mit unserer Familie. Wir hatten damals schon vier Kinder und wie wollen wir das kombinieren? Und wir haben gesagt, wir wollen eigentlich ein Leben haben, wo wir auch mit unseren Kindern leben können. Dass wir vielleicht viel arbeiten müssen, aber gerade in der Landwirtschaft ist es ganz normal, dass Kinder da dabei sind. Weil wir leben hier am Hof und für uns war die Entscheidung: Ne, wir verfolgen diesen Weg, dass wir nur noch Landwirtschaft betreiben möchten, aber das hieß dann einfach Auswandern in ein anderes Land.
Moderation
Seitdem ist viel passiert. Bei ihm persönlich und auf dem Hof. Heute lebt und arbeitet der 56-jährige Niederländer mit seiner Frau und vier Kindern auf dem Bauernhof Weggun. Zwei Kinder sind schon ausgezogen. Zwei Vollzeitkräfte und Hündin Jule gehören ebenso zum Hof, wie die 14 Saison-Arbeitskräfte, die gerade im Hochsommer mitarbeiten.
Für brandenburgische Verhältnisse ist es ein recht kleiner Betrieb, mit 38 Hektar Land, 3,5 Hektar Beerenobst – also Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren - ca. 900 Legehennen und 100 Schafen.
Obwohl er mal konventionelle Landwirtschaft in den Niederlanden studiert hat, betreibt Frank van der Hulst seinen Betrieb bio-dynamisch. Die Unterscheidung zwischen konventionell und bio lehnt er allerdings ab. Für ihn gibt es gute und schlechte Landwirtschaft – die Zertifizierung sieht er kritisch. Wenn er über seine Idee der Landwirtschaft spricht, wird er nachdenklich. Denn es ist sein Lebensthema:
Frank van der Hulst
Es ist eine Art „Respekt haben“ vor der Gesamt-Schöpfung. Wo wir als Mensch Teil dieser Gesamtschöpfung sind. Wir haben die Illusion gehabt als Mensch, dass wir außerhalb der Schöpfung leben – aber wir sind Teil dieser Schöpfung. Aber mit einer besonderen Verantwortung. Das macht uns Menschen anders, aber immerhin sind wir Teil der Schöpfung. Und dieses Bewusstsein macht, dass wir einfach Respekt haben für das Ganze und auch nicht die Arroganz haben zu denken, dass wir das alles gestalten können. Wir können da leben, in dieser Schöpfung leben, und so mitgestalten, dass die Schöpfung auch an die nächste Generation übertragen werden kann.
Musik
Die Schöpfung als Großes ganzes. Ihr Gleichgewicht wieder herzustellen oder zumindest in Kleinen zu suchen, das treibt Frank van der Hulst an. Und so pflanzt er Hecken und Bäume – nicht primär für sich, sondern für nachkommende Generationen und für die ökologische Stabilität.
Stolz erzählt er mir, dass er bei sich nicht spritzen muss, da sich Nützlinge und Schädlinge auf natürliche Weise die Waage halten.
Und dann da ist noch Frank. Er selbst ist auch Teil der Schöfpung – Teil eines großen Ganzen. Das ist ihm schon früh klar. Aber was ist seine Rolle im Leben? Und wie ist das mit Gott? Schon als Kind hat Frank van der Hulst viel über die großen Fragen des Lebens nachgedacht. Aufgewachsen ist er in einem calvinistischen Elternhaus in den Niederlanden. Evangelisch, eher verkopft, wenig Bauch und Herz.
Frank van der Hulst
Und schon als Kleinkind fand ich es sehr schwer z.B. zu beten. Weil ich hatte immer das Gefühl, da wird eine intellektuelle Leistung gefragt. Und da konnte ich wirklich nichts mit anfangen, weil es mangelte natürlich immer an meinen Fähigkeiten, was sinnvolles zu sagen oder zu bitten. Und immer das Gefühl, dass es überhaupt nicht reicht, was ich denke, tue, sage. Und dass es auch so wenig Verbindung hatte mit der Alltäglichkeit von Menschen. Ich sah auch nicht bei anderen Menschen, die sehr involviert waren – vielleicht war es da, aber ich hab es nicht gesehen – was das für eine Bedeutung hatte in ihrem Alltag. Was bedeutet das, dass ich in die Kirche gehe, dass ich glaube? Aber die Bedeutung fängt doch erst an am Montag! Und das war immer eine große Frage. Schon als Kleinkind habe ich mir die Frage gestellt, was es für einen Unterschied macht? Weil ich habe damals auch gesehen: Es gibt Kinder, die nicht in die Kirche gehen. Sind das schlechte Menschen? Nein, überhaupt nicht! Gibt es in der Kirche nur gute Menschen? Nein, überhaupt nicht! Aber was ist dann der Unterschied?
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Der Glaube am Montag. Die Alltagsrelevanz – das ist sein Thema. Als Jugendlicher hatte die Kirche keine Antworten auf seine Fragen. Er beschloss nicht mehr hinzugehen. Und doch dachte er immer weiter über die Fragen nach. Und die Sehnsucht nach Gott ließ ihn nicht los. Im Laufe der Zeit gab es verschiedene Momente, die für ihn wichtig wurden. Ein Wesentlicher zu Studienzeiten in Amsterdam.
Frank van der Hulst
Und da kam noch eine Erfahrung dazu – das war in der Studentenpastoral der Jesuiten in Amsterdam – die mich gelehrt haben, dass ich mit meinem ganzen Sein glaube. Und dass manchmal in der Stille Gottes Geist wirkt. Und wenn ich bete, dass das ein Gespräch ist. Und woran kann man ein gutes Gespräch erkennen? [Es geht darum] erstmal richtig gut zuzuhören. Und Stille zu schaffen, um zu zuhören. Und das war wirklich wahnsinnig, was das bedeutet hat! Erstmal zu hören, gucken, schauen, verweilen… Das war eine richtig große Veränderung in meiner Gottesbeziehung! Weil dann eröffnet man sich erstmal für das Wirken Gottes im Alltag. Und das hat noch immer nichts zu tun mit Kirche! Das hat nichts zu tun mit einer Messe am Sonntag. Das hat mit dem Alltag zu tun, mit der Natur, mit Menschen, mit Beziehungen, mit was auch immer… Und das war wirklich entscheidend für mein Glaubensleben.
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Frank van der Hulst konvertierte, wurde katholisch. Als Konvertit hat er sich jedoch nie gefühlt. Eher angekommen. In der katholischen Kirche.
Frank van der Hulst
Für mich war eine… - um mich auch der Kirche wieder zuzuwenden – war eine Erfahrung nicht hier… Aber eine Erfahrung in 2014 war ich unterwegs in der Ukraine als Wahlbeobachter. Und da war ich in einer Messe der latainischen, katholischen Kirche, soz. Unsere kath. Kirche in Charkiw. Und die Stadt war voll mit Flüchtlingen aus der Ukraine, aus dem Donbass und die haben wirklich gebetet für die armen Menschen in Aleppo! Und da habe ich gedacht: Seht euch eure Lage an, wo ihr selbst seid! Und wofür beten die? Für die armen Menschen in Aleppo! Und da waren auch Menschen, die mich einfach angesprochen haben und wir haben da geredet. Und das hat sich wie zu Hause angefühlt. Und ich habe gedacht: Genau! Das ist meine Kirche! Egal, wie es aussieht. Diese Verbundenheit, diese Gemeinsamkeit, dieses gemeinsam Sein, das ist meine Kirche. Das ist meine katholische Kirche. Das war das Ende des Versuchs „Kann ich glauben ohne Kirche?“ Nein, das kann ich nicht.
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Seit diesem Erlebnis wurde der Wunsch in ihm immer stärker, das Gefühl eine geistliche Heimat gefunden zu haben, auch formal zu bestätigen. Daher möchte Frank van der Hulst nun katholischer Diakon im Nebenamt werden. Es ist eine Weiheamt in der katholischen Kirche – er darf dann auch Taufen, Beerdigen und Hochzeiten feiern, ist vielfach eine Unterstützung für den Priester einer Pfarrei. Aber um „höhere Dienste“, Macht oder Einfluss geht es ihm nicht.
Frank van der Hulst
Aber für mich ist die Weihe tatsächlich ein Schritt, ein „Ja-Sagen“, ein Bejahen von dieser Idee, dass man gemeinsam Glauben gestaltet. Und auch einfach zu sagen „Ich bin da“.
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Vater, Ehemann, Biobauer, Unternehmer, Arbeitgeber, Katholik – Rollen und Aufgaben hat Frank van der Hulst eigentlich genug. Dennoch möchte er Diakon werden, sich weihen und in den Dienst nehmen lassen. Für den Bio-Landwirt aus der Uckermark ist es der richtige Schritt auf dem Weg, dem Frank näher zu kommen, der ganz bei sich ist, der ganz „Frank“ ist. Im Einklang mit der Schöpfung Gottes, die ihm so am Herzen liegt. Seine Familie unterstützt ihn so gut es geht.
Frank van der Hulst
Und ja, ne die sind einverstanden, dass ich das mache. Aber mit der Zeitbelastung, das ist nicht immer lustig, das weiß ich auch. Aber sie schaffen auf jeden Fall die Möglichkeit. Aber die Krux, wie ich das mache, insgesamt, ist genau wie ich das jetzt auch mache mit dem Leben als Vater und dem Leben als Landwirt. Wenn ich die komplett trenne voneinander, wäre das nicht machbar. Weil es gibt Wochen, da arbeite ich 60 Stunden. Würde ich das in einer anderen Lage machen, z.B. in einem Büro weit weg, dann bin ich 60 Stunden oder mit Fahrzeit sogar 80 Stunden pro Woche nicht da für meine Familie. Aber das ist nicht Realität, wie sie bei uns ist. Hier läuft und fließt alles durcheinander. Es sind keine getrennten Welten. Auch bei 60 Stunden pro Woche Arbeit im Sommer – dennoch esse ich drei mal pro Tag mit meinen Kindern. Oder meine Kinder machen mit und wir machen gemeinsam Sachen. So, alles fließt durcheinander. Und erst das macht es möglich. Und genau so wird das auch sein, mit meinem Diakon-Sein. Weil es ist nicht so, dass ich jetzt nichts mache ich der Kirche. Aber alles fließt durcheinander und hat miteinander zu tun. Weil ich bin da als Frank. Und Frank ist halt Vater, ist halt Landwirt und ein gläubiger Mensch. Und das sind keine getrennten Welten, sind keine getrennten Aufgaben. Ich kann nicht sagen: „Jetzt bin ich Vater und bin kein Landwirt mehr“ oder „Jetzt bin ich Landwirt und kein Vater mehr“. Nein, das hat alles miteinander zu tun. Weil man einfach Gott finden kann in seinem ganzen Leben. Egal ob das Familie ist oder Arbeit oder in der Kirche oder keine Ahnung… Gott lässt sich überall finden und Gott sucht uns auch in dieser Vielfalt der Lebensrealitäten. Und das möchte ich anderen Menschen auch vermitteln.