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Rom hat viele Bezeichnungen: Ewige Stadt, Haupt der Welt, Stadt der tausend Kirchen, der Apostel und frühchristlichen Märtyrer. Die dreieinhalb Millionenstadt am Tiber ist auch bekannt für chaotischen Verkehr und massenweise Touristen. Rom ist zu allen Zeiten einen Besuch wert. Aber alle 25 Jahre gibt es einen besonderen Anlass. Dann wird ein Heiliges Jahr ausgerufen, das bedeutet, es gibt eine feierliche Einladung des Papstes, die Stadt zu besuchen, und zwar nicht als Tourist, sondern als Pilger, sagt Klaudia Höfig, Katholikin aus Berlin:
Klaudia Höfig:
Heiliges Jahr in Rom heißt… es ist ja das Motto „Pilger der Hoffnung“, und der Papst sagt, in einer Welt, in der uns so viel runterzieht, braucht es Menschen, die Hoffnungsboten sind, braucht es Menschen, die sagen, egal wie schlecht die Welt ist, wir haben eine Hoffnungsbotschaft, die uns weitergehen lässt, die uns auch über das was Dunkel ist, hinaussehen lässt.
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Von Zeit zu Zeit besondere Jahre auszurufen, hat eine lange Tradition. Bereits im frühen Judentum gab es alle 50 Jahre ein sogenanntes „Jobeljahr“, wie es auf hebräisch heißt. Daraus wurde im Deutschen das Jubeljahr. In einem solchen besonderen Jahr wurde vom König ein pauschaler Schuldenerlass für alle gewährt. Wer beim Nachbarn in der Kreide stand, dem wurden die Schulden gestrichen und er konnte wieder bei Null beginnen. Eine ähnliche Bedeutung hat auch das katholische Heilige Jahr, erläutert Pfarrer Lutz Nehk, der schon öfter mit Schulklassen nach Rom gepilgert ist:
Lutz Nehk:
Das heilige Jahr findet alle 25 Jahre statt und ist gedacht als ein Jahr, wo man sagt, wir machen jetzt mal wieder nen klaren Schnitt. Überlegen, was wichtig ist, was unwichtig ist, und das Heilige Jahr ist auch eine Klärung des Verhältnisses zu Gott und den Mitmenschen.
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Eine Romreise zur Gewissenserforschung und um zu sich selbst zu kommen. Dazu, sagt Lutz Nehk, gehört ein geistliches Programm:
Lutz Nehk:
Auf jeden Fall sollte bei dieser Zeit in Rom ein ganz klares Pilgerprogramm dabei sein. Touristisch ja, aber Pilgerprogramm heißt, dass es auch einen religiösen Schwerpunkt hat. Und eben auch durch diese Heilige Pforte gehen, also das Durchschreiten dieser Pforte …in die Kirche hinein in einen auf Gott bezogenen Raum, heißt ja gerade, dass ich darüber nachdenke, wie ist mein Verhältnis zu Gott, wie ist mein Verhältnis zu Mitmenschen, was muss ich ändern.
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Eine sogenannte Heilige Pforte gibt es in mehreren Kirchen Roms. Die sind normalerweise fest verschlossen oder sogar zugemauert:
Lutz Nehk:
…und die wird nur für das Heilige Jahr geöffnet damit Pilger also ganz bewusst durch diese Pforte in die Kirche hineingehen. Und wenn man etwas bewusst tut, dann denkt man immer über sich nach.
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Viele Rompilger wollen auch den Papst live zu Gesicht bekommen. Die beste Gelegenheit dazu ist die Teilnahme an einer Audienz des Heiligen Vaters auf dem Petersplatz, immer mittwochs:
Lutz Nehk:
Das auf jeden Fall, würde ich auf jeden Fall sagen dass man sich da um Karten bemüht, kostenlos, die gibts zuhauf, man muss nur sagen, dass man sie haben will, und da kann man dann am Mittwoch teilnehmen. ….Und wer nicht am Mittwoch da ist sondern am Sonntag, der kann dann das Angelusgebet mit dem Papst am Petersplatz mitmachen.
Musik: Kansas City / Wilbert Harrison
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Das Heilige Jahr in Rom wurde an Weihnachten mit einem besonderen Ritus eröffnet: Dreimal klopfte der Papst von außen an das Portal des Petersdoms, woraufhin die schwere Bronzetür geöffnet wurde. Ein Jahr lang können Pilger aus aller Welt nun diese Pforte durchschreiten und über die Worte des Papstes nachdenken:
“Am Geburtsfest des Herrn…. bereiten wir uns darauf vor, gläubig die Hl. Pforte zu durchschreiten. Verankert in Christus dem Felsen unseres Heils, erleuchtet durch sein Wort ….überschreiten wir die Schwelle dieses heiligen Gotteshauses und treten ein in die Zeit der Barmherzigkeit und der Vergebung, damit jedem Mann und jeder Frau der Weg der Hoffnung geöffnet und erschlossen sei, der nicht enttäuscht….Oremus.”
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Eine weitere Besonderheit: auch in einem römischen Gefängnis hat der Papst symbolisch eine Pforte eröffnet. Nicht um die Gefangenen zu befreien, sondern um damit ein Zeichen der Aufmerksamkeit für die Gefängnisinsassen zu setzen. Auch sie bräuchten Vergebung und Hoffnung. Im Zusammenhang mit dieser Geste schlägt der Papst den Regierungen weltweit vor, zum Heiligen Jahr Amnestien zu gewähren. Das italienische Justizministerium hat bereits angeboten, während des Heiligen Jahres besondere Resozialisierungsmaßnahmen für Inhaftierte anzubieten.
Musik: Kansas City / Wilbert Harrison
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Das Heilige Jahr in Rom möchte dazu einladen, sich auf die Suche nach etwas Heiligem zu machen. Ob und wo man das in Rom finden kann, weiß der Berliner Dompropst Tobias Przytarski, der die Stadt als Student kennengelernt hat:
Tobias Przytarski:
Das Heilige, glaub ich, kann man zuspitzen auf „die Heiligen“. Ich kenne keine andere Stadt in der Welt, wo man so vielen Heiligen an so vielen Orten begegnen kann. Angefangen von den Aposteln, die da beerdigt sind, den frühen Christen in den Katakomben, bis in die Neuzeit. Also, so unglaublich viele Weisen kann man da kennenlernen, wie man als Christ da überzeugend gelebt hat. Und das macht für mich den großen Reiz dieser Stadt aus.
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Und selbst jemand, der mit Religion und Glauben nicht viel am Hut hat, kann von einer Reise nach Rom profitieren, sagt der Berliner Dompropst:
Tobias Przytarski:
Er hat natürlich ganz viele Orte, die man besuchen kann und die dann auch vielleicht ein bisschen wirken. Selbst wenn man jetzt mit dem Christentum nichts zu tun hat: die alten Basiliken aus der Antike, das sind ja großartige Orte, wo man nicht nur die abendländische Geschichte kennenlernt, sondern tatsächlich eben auch Menschen begegnet.
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Vor einigen Jahren waren mehr als 1500 Pilgerinnen und Pilger aus Berlin und Brandenburg in Rom, aus Anlass einer großen Bistumswallfahrt. Christoph Kießig war damals als Pilgerleiter dabei. Und obwohl sein Fahrzeug aufgebrochen und Dinge entwendet wurden, hat er die Reise in guter Erinnerung:
Christoph Kießig:
Wir haben eine wunderbare fantastische Dankeswallfahrt zum 25jährigen Mauerfall gemacht, als Berliner Katholiken, die ja aus Osten und Westen stammen, (und) für mich auch Wallfahrt 2.0, ne neue Art und Weise des Miteinanders, frei und doch irgendwie zusammen und eingebunden in unser Bistum und die Weltkirche. Das war für ganz viele Leute ein unvergessliches Erlebnis.
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Rom ist eine Stadt, in der man sensibler wird für religiöse Themen, wo man auf ganz besondere Weise angerührt werden kann. Auch deshalb wird sie von vielen aufgesucht, egal ob sie religiös sind oder eher nichtkirchlich:
Christoph Kießig:
Diesen Ort, diese alte Stadt, die auch so alt mit Kirche verbunden ist, zu erleben, die Tradition, die eigenen Wurzeln, die Geschichte so hautnah zu erleben, das ist schon was tolles. Wenn man so an die Heiligenlegenden denkt usw. und dann ist da alles vor Ort und ist da passiert, das hat schon ne große Ausstrahlung und dann diese Weltkirche zu erleben. Da sind ja aus aller Herren Länder Menschen, die immer noch dieselbe Hoffnung und denselben Glauben haben und teilen.
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Und dann gab es noch ein besonderes Highlight für die Pilgerschar aus Brandenburg und Berlin: ein Besuch in den Vatikanischen Gärten hinter dem Petersdom, wo der Papst wohnt und wo normalerweise Touristen keinen Zugang haben. Dafür gab es einen bestimmten Grund: um für den Fall der Mauer und die friedliche Revolution von 1989 zu danken, führte eine Kerzenprozession zu einem großen Berliner Mauerteil, das im Vatikan aufgestellt ist:
Christoph Kießig:
Das Stück steht schon lange da aber wir haben eine kleine Prozession durch die vatikanischen Gärten machen dürfen. War auch ein harter Prozess mit allen möglichen Verantwortlichen im Vatikan, und da haben wir ne Lichterprozession zu diesem Mauerteil gemacht, das wahrscheinlich damals in der Wendezeit von Berlin nach Rom gekommen ist.
Musik: Somewhere over the Rainbow – Israel Kamakawiwo’ole
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Wer ein besonderes Pilgererlebnis sucht, kann in Rom die sogenannte 7-Kirchen-Wallfahrt machen. Dazu gehören der Petersdom, St. Paul vor den Mauern, die Basilika Santa Maria Maggiore, die Lateranbasilika sowie drei weitere Gotteshäuser, die an frühchristliche Märtyrer erinnern. Warum es gerade sieben Kirchen sind, erläutert der Pfarrer von Brandenburg an der Havel, Matthias Patzelt, der ebenfalls viel Erfahrung mit Romwallfahrten hat:
Matthias Patzelt:
Das hat sich im Laufe der ersten Jahrhunderte entwickelt. … wahrscheinlich waren es am Anfang sieben Kirchen, die sich herauskristallisiert haben, also die vier päpstlichen Basiliken, und dann Kirchen, die mit der frühen Zeit des Christentums verbunden sind. Also der Hl. Sebastian, der Hl.Laurentius, das sind die großen Heiligen der Stadt Rom. Und dann natürlich die Hl. Helena, die die Reliquien aus dem Hl. Land geholt hat, da hat man eigentlich schon die sieben Heiligtümer Roms.
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Man darf sich das spirituelle Unterwegssein zu den sieben Hauptkirchen Roms allerdings nicht allzu romantisch vorstellen. Die Strecke ist mehr als 20 Kilometer lang – und sie führt fast immer über das harte Straßenpflaster der Stadt, durch bebaute Gebiete und verkehrsreiche Zonen.
Matthias Patzelt:
In Wirklichkeit gibt’s zwar ein paar grüne Wiesen, aber man hat in Rom halt das ganze Leben, die ganze Geschichte. Man läuft durch Industrieviertel, durch runtergekommene Stadtviertel, durch ganz beschauliche Gassen in Trastevere, also es ist eigentlich ein Spiegel unseres Lebens, das wir da durchlaufen.
Autor:
Dementsprechend steht für die Pilger nicht Sightseeing im Vordergrund. Sie verstehen die ungewöhnliche City-Tour, die an einem Tag zu bewältigen ist, als eine geistliche Weggemeinschaft. Der gemeinsame Pilgerweg soll anregen, über den eigenen Lebensweg nachzudenken. Unternehmungslustigen Pilgern, die sich der alten Wallfahrtstradition anschließen wollen, gibt Pfarrer Patzelt folgenden Rat:
Matthias Patzelt:
Also das erste Mal würde ich vielleicht nicht allein gehen. Es ist gut wenn man jemand hat wo man sich gegenseitig etwas stützt. In technischer Hinsicht ist eigentlich nicht viel vorausgesetzt: ordentliches Schuhwerk, Trinken gibt’s in Rom an jedem Brunnen, essen muss man auch nicht groß mitnehmen. … Ich denke in geistlicher Hinsicht sollte man etwas vorbereitet sein, dass man sich vielleicht überlegt, was nehme ich auf so ne Wallfahrt mit: gibt’s ne Frage? Gibt’s ein Anliegen? Gibt’s Menschen, die mir am Herzen liegen? Gibt’s vielleicht Zweifel, die ich mit mir rumschleppe? Es ist ja das kostbare dieses Weges, dass man viele Eindrücke hat durch die verschiedenen Teile Roms, die sich tiefer einbrennen, als wenn man jetzt so ne Bustour macht, oder mit dem Fotoapparat von einer Kirche in die andere huscht. Einfach dieses Schauen auf diese Orte der Gnade, das wird nachhaltig uns immer prägen, wenn wir uns auf solche Wege einlassen.
Musik: Somewhere over the Rainbow – Israel Kamakawiwo’ole