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22.09
2024
08:40
Uhr

Landtagswahlen in Brandenburg

Zu Gast: Martin Vogel, Länderbeauftragter EKBO

Barbara Manterfeld-Wormit
Bei mir zu Gast. Heute ist der Beauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg, Pfarrer Martin Vogel. Lieber Herr Vogel, schön, dass Sie da sind als Pfarrer. Was hat man da eigentlich in der Politik zu suchen, frage ich da gleich mal am Anfang.

Martin Vogel
Unsere Landeskirche, die ja die Gemeinden in den Brandenburger Dörfern vertritt, hat entschieden, dass es ein kleines politisches Büro geben soll, was die Kontakte zu Politik und Verwaltung pflegt, damit wir ansprechbar sind. Wenn es Belange gibt, wie zum Beispiel die Frage, dass die Friedhöfe anders organisiert werden müssen, damit es also ein Ansprechpartner gibt. Darüber hinaus ist es tatsächlich auch so, dass es sehr, sehr viel miteinander zu besprechen birgt in einer Gesellschaft, in der wir nur gemeinsam bestimmte Dinge voranbringen können.

Barbara Manterfeld-Wormit
Es war ein stattlicher Pfarrer in Potsdam, wenn ich richtig recherchiert habe. Was hat Sie persönlich bewogen, dann auf diese Stelle, auf dieses besondere Amt zu wechseln?

Martin Vogel
Na ja, das war ein wenig so, dass mich zwei Leute angesprochen haben, ob ich mich nicht darauf bewerben möchte. Dann habe ich etwas hin und her überlegt und die schönen Zettel geschrieben. Also was spricht dafür, was spricht dagegen? Und am Ende habe ich mich beworben und bin jetzt tatsächlich nach wie vor sehr, sehr froh, diese Aufgabe auch mit Leben erfüllen zu können.

Barbara Manterfeld-Wormit
Das wäre meine nächste Frage gewesen, ob Sie es bereut haben, diese Entscheidung damals. Denn ich vermute mal, dass sich diese Arbeit, dieses Aufgabenfeld auch ziemlich verändert hat in den letzten Jahren.

Martin Vogel
Also ich habe das tatsächlich noch keinen Tag wirklich bereut. Darüber hinaus ja, ich nehme wahr, dass vieles schneller geworden ist. Das hat was mit den digitalen Medien zu tun und auch mit der Taktung bestimmter Aufgabenfelder. Aber nach wie vor ist es so Da, wo Menschen miteinander ins Gespräch kommen, irgendwie auch ein bisschen Resonanz entsteht und man merkt, zusammen kommen wir weiter als jede Organisation in der Gesellschaft, allein, als Person, allein.

Martin Vogel
Dann merkt man, dass auch der Funken überspringt und Leute Freude haben miteinander was für das Bundesland Brandenburg zu bewerkstelligen.

Barbara Manterfeld-Wormit
Jetzt ist ja Ihr Titel Länder Beauftragter in Berlin und Brandenburg relativ sperrig und lang. Was würden Sie denn jetzt jemandem sagen, der Sie fragt, was Sie machen? Wie kann man das in einem Wort zusammenfassen? Sind Sie in erster Linie Pfarrer? Sind Sie eher Lobbyist? Sind Sie Netzwerker? Sind Sie Seelsorger?

Martin Vogel
Ich versuche es so zu beschreiben, dass ich das kleine politische Büro unserer Kirche bin, und das kann man sich vielleicht vorstellen wie so ein Netz Knotenpunkt. Also ganz viel Informationen landen bei mir mit der Frage Wir wollen am 13 August 1 Gedenkveranstaltung machen, wo kann man das machen? So, dann überlegen wir zusammen und WUMS ein Treffer. Die Sacro Heilands Kirche, die mitten auf dem Todesstreifen stand, ist am Ende dann der Ort, an dem die Gedenkveranstaltung stattfindet.

Martin Vogel
Oder aber die Leute sagen Wir wollen über die Fragen, die die Polizistinnen und Polizisten umtreiben, reden. Habt ihr da so ein Notfallseelsorger? Mit wem kann man da reden? Also ich bin auch so ein bisschen so eine Art Auskunfts Büro für die Leute von außen, die manchmal nicht so genau wissen, an welcher Strippe muss ich dann ziehen, wenn ich jetzt da aus dem evangelischen Kosmos also das Ergebnis rauskriege und umgekehrt, merke ich auch, dass ich manchmal innerhalb unserer Kirche gerne erkläre, warum bestimmte Entscheidungen in der Politik so und so angefasst werden, was da vielleicht manchmal auch ein Hintergrund, eine Rolle spielt.

Martin Vogel
So, und dann kommt man ein Stück zusammen weiter in der Diskussion oder man merkt auch, da passt was nicht zusammen, denn wir sind ja nicht miteinander verheiratet und eins, sondern wir sind wirklich sehr eigenständig. Als evangelische.

Barbara Manterfeld-Wormit
Kirche. Jetzt haben Sie mehrmals gesagt Ihr kleines Büro, wo findet man denn dieses kleine Büro?

Martin Vogel
Ja, das ist manchmal in meinem Rucksack und viel unterwegs im Land Brandenburg. Aber tatsächlich haben wir in Berlin in unserem evangelischen Zentrum ein Büro, eine Mitarbeiterin im Sekretariat und ein ganz feiner Kollegen der Fördermittel. Beratung für unsere Gemeinden macht. Das ist es.

Barbara Manterfeld-Wormit
Und Fördermittel? Wer kann so was beantragen?

Martin Vogel
Na zum Beispiel können Kirchengemeinden tatsächlich auch Fördermittel beantragen, wenn sie ihre Kirche sanieren wollen, die denkmalgeschützt ist? Oder aber sie haben vielleicht die Idee, eine Kita energetisch auf Stand zu bringen, so dass sie also Energie auch effizienter einsetzen, eine Solaranlage aufs Dach tun wollen. Auch da gibt es Förderprogramme. Und Dr. Johann Wagner, mein Kollege, berät die Gemeinden dann.

Martin Vogel
Also so ganz leicht ist das jetzt auch nicht, so ein Antrag auszufüllen. Da braucht man ein bisschen Unterstützung.

Barbara Manterfeld-Wormit
Aber es ist ja schon wichtig, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt. Ich glaube, das ist vielen gar nicht so präsent, dass man bei der Kirche auch sich um so etwas bemühen kann und wird.

Martin Vogel
Auch nachgefragt und gibt auch tatsächlich wirkliche Erfolgsgeschichten.

Barbara Manterfeld-Wormit
Herr Vogel, daneben sind Sie eben tatsächlich auch immer noch Pfarrer und es gibt auch geistliche Angebote für Politiker und Politikerinnen. Was genau?

Martin Vogel
Also absolut mein Lieblingsbeispiel ist tatsächlich das gemeinsame Advents Lieder Singen im Brandenburger Landtag. Vor der letzten Plenarsitzung versammeln sich die Abgeordneten nicht nach SPD, CDU, Grüne. Und so weiter, sondern sie stellen sich zusammen. Und dann wird geschaut Singst du, singst du Sopran? Ich brumme ein bisschen ab in den, in den Bass und dann singen die Abgeordneten miteinander 20 Minuten Advents lieder, bevor die letzte Sitzung beginnt.

Martin Vogel
Und das ist nicht so, dass ich das jemandem aufdrängte, sondern das machen sie sehr gerne. Und wir bereiten das vor und laden Posaunen Bläser ein, die das begleiten. Darüber hinaus gibt es tatsächlich vor jeder Plenarsitzung eine kleine ökumenische Andacht katholisch, evangelisch zusammen. Und das wird von den Abgeordneten tatsächlich auch erbeten, denen das wichtig ist. Und für die machen wir das sehr gerne.

Barbara Manterfeld-Wormit
Herr Vogel, heute ist ja ein ganz besonderer Tag. Es sind Landtagswahlen in Brandenburg und mit Sorge, mit Spannung wartet man die ersten Hochrechnung ab. Mit welchem Gefühl sind Sie heute Morgen aufgestanden?

Martin Vogel
Na, eine gewisse Aufregung. Als Brandenburger, der ja selbst dann auch eine neue Landesregierung bekommen wird. Ich hoffe sehr, dass es eine stabile Demokratie geprägte neue Landesregierung geben wird, denn es steht ja tatsächlich wahnsinnig viel auf dem Spiel. Dieses Land hat sich in meinen Augen in den letzten gut 30 Jahren wahnsinnig nach vorne entwickelt. Aber die Aufgaben und Herausforderungen sind einfach auch wirklich groß und wir brauchen da erfahrene, versierte Menschen, die das politische Handwerk verstehen und ihre Wahlkreise im Parlament vertreten und damit ja auch die Menschen und auch unsere Kirchengemeinden.

Martin Vogel
Insofern hoffe ich arg, dass es am Ende eine gute neue Landesregierung geben wird.

Barbara Manterfeld-Wormit
Was sind in Ihren Augen die größten Herausforderungen? Sie sind selbst Brandenburger. Sie leben in diesem Land ganz, ganz lange schon. Was? Was sind die großen Themen?

Martin Vogel
In meinen Augen ist nach wie vor in einem Flächenland wie Brandenburg die Frage, wie das Leben in den ländlichen Räumen möglichst gut gestaltet werden kann. Eine wirklich Herausforderung. Es ist einfach doch noch mal ganz anders, ob wir im Speckgürtel leben oder aber in einem kleinen Ort in den Randlagen. Und da sind großartige Menschen, die finde ich, auch gesehen werden müssen und die Rahmenbedingungen brauchen für die medizinische Versorgung, die Verkehrsanbindung.

Martin Vogel
Wo man schauen muss, was passt dahin. So, darüber hinaus haben wir das mit dem Fachkräftemangel als eine echt große Geschichte. Auch da gibt es tolle Ansätze und aus meiner Sicht muss das weiter befördert werden und die guten Geschichten müssen auch stärker multipliziert werden.

Barbara Manterfeld-Wormit
Was wäre so eine gute Geschichte?

Martin Vogel
Na ja, beispielsweise ein Hotel in Templin, in dem die Hotel Besitzerin schon mehrere Azubis die Flüchtlinge waren bei sich ausgebildet hat und sagt Ich habe mit denen wahnsinnig gute Erfahrungen gemacht. Also klar, es gibt eine Woche Probearbeit, wir schauen genau, was das dann ist, ob es passt oder nicht. Aber dann stehen die zusammen und schaffen das Miteinander mit guten Ergebnissen.

Barbara Manterfeld-Wormit
Ist Kirche auch ein Ort, der gerade diese guten, besonderen Geschichten erzählen kann und sollte?

Martin Vogel
Ja, unbedingt. Wenn man daran denkt, wie viele Menschen, die aus der Ukraine aus schrecklichen Gründen fliehen mussten, hier erste Netzwerke hatten. Auch Einzelpersonen, die ansprechbar waren. Dann denke ich, dass die wichtige Integrationslotsen waren. Und ich freue mich immer da, wo also eine Gemeinde die Türen aufmacht und eben Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben und andere, die aus Gründen des Kriegs oder so hierher kommen mussten, dass die da sich andocken können.

Barbara Manterfeld-Wormit
Das Thema Flüchtlinge ist ja ein ganz großes im Moment. Herr Vogel, ich würde doch gerne noch mal auf einen Beschluss zu sprechen kommen, den die evangelischen Kirche hier in Berlin und Brandenburg vor nicht allzu langer Zeit auf einer Synode gefasst hat. Nämlich ein Beschluss, dass die Mitgliedschaft in der AfD nicht vereinbar ist mit einem kirchlichen Amt, und zwar nicht nur mit einem hauptamt hauptamtlichen, bezahlten Amt, sondern eben auch mit einem kirchlichen Ehrenamt.

Barbara Manterfeld-Wormit
Was hat dieser Beschluss für eine Wirkung gehabt im Land Brandenburg?

Martin Vogel
Ich bin sehr dankbar, dass unsere Synode das ziemlich klar gezogen hat. Und vielleicht muss man einmal sagen In unseren Gottesdiensten in unseren Gemeinden ist jede Person herzlich willkommen und da wird auch nicht geschaut, in welcher Partei bist du eigentlich? Also, um es mal ganz deutlich zu sagen Auch jemand, der in der AfD Mitglied ist, ist in unseren Gottesdiensten herzlich willkommen.

Martin Vogel
Gleichzeitig haben wir Leitungs Ämter vor Ort Gemeindekirchenrat. Und da möchten wir doch sehr klar, dass Menschen die Gemeinden leiten, bei denen überdeutlich ist, dass sie sich auf dem Boden auch unserer christlichen Grundhaltung bewegen. So, und bei der AfD erleben wir leider zunehmend, dass doch ganz schön viel Hass und Hetze ausgekippt wird in der Form, wie sie kommunizieren. Und wir können uns nicht vorstellen, dass man das überein bekommt in einer Person.

Martin Vogel
Also insofern gibt es eine offene Hand und eine klare Grenze.

Barbara Manterfeld-Wormit
Also Sie haben es angesprochen Kirche versteht sich grundsätzlich als offen. Jeder kann kommen. Sie haben vorhin Advent angesprochen. Laden Sie da auch AfD Mitglieder ein? Singen die da auch Weihnachtslieder mit?

Martin Vogel
Also es ist tatsächlich so Wenn wir im Landtag Veranstaltungen machen, gelten die allen Abgeordneten und zum Beispiel zur Andacht kommt ab und zu auch eine Person aus der AfD Fraktion. Also das finde ich auch völlig okay. Wir haben jetzt allerdings gerade kurz vor der Wahl noch mal eine Sitzung im Landtag erlebt, bei der die AfD einen Antrag gestellt hat, dass ukrainische Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber keine öffentlichen Feste und Veranstaltungen mehr im Land Brandenburg betreten dürfen.

Martin Vogel
Das ist also Ihr Ansinnen. Das halten wir nun für wirklich falsch. Und insofern können wir uns nicht vorstellen, dass Menschen dieser Partei Leitungs Verantwortung in unseren Gemeinden übernehmen. Das Mag sich vielleicht ändern, aber momentan ist das unsere Haltung.

Barbara Manterfeld-Wormit
Und das ist genau dann auch Aufgabe für Sie, dass Sie so etwas eben auch kommunizieren. Die Haltung der Kirche und auch die Ablehnung an bestimmten Stellen, wo quasi eine rote Linie deutlich überschritten ist. Sie haben die Stimmung angesprochen im Land, das, was Sie beschrieben haben Häme, Hetze, die Sprache, die sich verändert. Das geht ja nicht nur von der AfD aus.

Barbara Manterfeld-Wormit
Das erlebt man insgesamt in dieser Gesellschaft. Was könnte aus Ihrer Sicht Kirche dazu beitragen, dass sich der Ton insgesamt in unserer Gesellschaft vielleicht doch wieder etwas verändert in Richtung mehr Menschlichkeit, mehr Rücksichtnahme, mehr Wertschätzung?

Martin Vogel
Also ich denke schon, dass wir dafür werben können, Gespräche offen zu führen und gerade nach Formaten zu suchen, wo Menschen mit ganz unterschiedlichen Haltungen zueinander kommen und sich miteinander austauschen. Und auch für eine Kultur zu werben, bei der es ja vielleicht auch ein Stück normal ist, mit großen Differenzen erst mal in ein Gespräch zu gehen und aber eben auch einzuüben.

Martin Vogel
Ich höre der anderen Person zu. Ich versuch erst mal zu verstehen, was sie da so umtreibt. Bevor ich das aber urteile und mir ganz schnell ein Bild mache und sofort weiß, wie das ja alles überhaupt richtig ist. Und da denke ich auch, dass wir auch selber selbstkritisch durchaus durch solche Gesprächs gänge viel lernen können.

Barbara Manterfeld-Wormit
Was ist Ihr größter Wunsch für dieses Land, in dem Sie leben? Für das Land Brandenburg?

Martin Vogel
Ich wünsche mir mehr Zuversicht und mehr Menschen, die Freude daran haben, sich aktiv einzubringen in Parteien, in Vereinen, in unseren Kirchengemeinden. Denn hier gibt es so viele großartige Personen, dass mir dann, wenn ich daran denke, gar nicht so bange um unser Land ist.