Mitwirkende:
Liturgie+Predigt: Pfarrerin Aljona Hofmann
Lektorinnen: Matilda Abendroth (Lektorin 1), Nina Brothun (Lektorin 2), Ada-Julie Görne (Lektorin 3)
Kirchenmusik: Kantor Oliver Vogt (Leitung und Orgel), Solistin (Irene Schneider - Alt), Violine (Susanne Herzog)
Musik:
Predigt
Da stehen sie nun - verdattert, ratlos und allein.
Jesus ist weg, einfach weg. Was wird denn jetzt aus ihnen?
Die Jünger haben es nach seiner Auferstehung schon gespürt: er gehört nicht mehr zu dieser Welt, auch wenn er sich in den 40 Tagen nach Ostern immer wieder gezeigt hat.
Er tauchte plötzlich bei ihnen auf, Wände und verschlossene Türen stellten kein Hindernis dar. Er redete und aß mit ihnen, erzählte von Gott und seiner Verbindung mit ihm - und verschwand dann wieder, um sich auch anderen zu zeigen.
Aber was ist jetzt? Ist er jetzt ganz und gar weg? Sie verstehen nicht.
Arie „Ach bleibe doch“ - Teil I
Ach, bleibe doch, mein liebstes Leben. Ach, bleibe doch, mein liebstes Leben, ach, fliehe nicht, fliehe nicht so bald von mir …
Die Jünger verstehen nicht. Und wieder einmal brauchen sie andere, die ihnen erklären, was das zu bedeuten hat.
Zwei Gestalten in weißen Gewändern sind zur Stelle und fragen: „Was steht ihr da rum und schaut zum Himmel? Dieser Jesus wird wiederkommen … „
Schon zu Ostern waren da welche, die vermittelt haben. Damals wollten die beiden Gestalten von den Jüngern wissen, warum sie denn den Lebenden bei den Toten suchen, obwohl er doch gar nicht mehr hier sein kann, weil er auferstanden ist! (Lk 24,1ff.)
Als ob das alles so logisch wäre.
Kein Wunder, dass sie immer wieder daneben liegen, wenn sie Jesus lokalisieren oder festhalten wollen. So wie auch Maria Magdalena, als sie den Auferstandenen am Ostermorgen anfassen und halten wollte. „Rühre mich nicht an!“, sagte Jesus da zu ihr. „Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.“ (Joh 20,11ff.)
II.
Hm. 40 Tage nach Ostern ist Jesus aufgefahren zum Vater - aber halten, anfassen kann ihn trotzdem niemand.
Und die Frage, ob Jesus die Seinen an Himmelfahrt verlassen hat, steht weiter im Raum.
Es gibt Erklärungen wie wir sie eben gehört haben: Er ist aufgefahren zum Vater, zurückgekehrt zu Gott. Zurückgekehrt in den Zustand, in dem er sich schon vor seiner Menschwerdung befunden hat; wieder eins mit Gott.
Doch das sind Erklärungen, die für uns heute wohl genau so fremd und mystisch klingen wie für die Jünger damals.
Die Sehnsucht nach dem Zusammensein mit Jesus, die Sehnsucht nach tröstender Nähe und Gemeinschaft können sie nicht stillen.
Arie: „Ach, bleibe“
Dein Abschied und dein frühes Scheiden bringt mir das allergrößte Leiden, ach ja, so bleibe doch, ach, so bleibe doch, ach ja, so bleibe doch noch hier…
Sonst werd ich ganz von Schmerz umgeben, ganz von Schmerz, von Schmerz umgeben. Ach bleibe doch, mein liebstes Leben … fliehe nicht so bald von mir!
III.
Was für ein anrührendes Sehnen und Flehen! Ja, es kann sehr weh tun, verlassen zu werden, allein zu bleiben und nicht weiter zu wissen. Da hilft es nur wenig zu hören, dass einem bald neue Kräfte zuwachsen und es eine Zukunft geben wird.
Der Schmerz ist jetzt da, und er ist groß. Die Lücke ist groß.
Verlassenheitsgefühle gehören also zum Ursprung des Himmelfahrtstages - auch wenn wir heute an vielen Orten fröhliche Menschen sehen können, die den freien Tag zusammen genießen.
Doch es gibt da auch viel Einsamkeit und Traurigkeit unter den Menschen, mehr, als es vielleicht den Anschein hat.
Fragen tauchen auf, die schon die Jünger in ihrem Verlassenheitsgefühl beschäftigten:
Was wird werden? Wo finde ich Halt und Orientierung? Wo Trost und Ermutigung in dunklen Stunden, in Krankheit, im Alter, bei Kummer? Wo Gemeinschaft, die trägt?
Und hier und da wird auch heute noch die Frage nach Gott laut.
IV.
Eine Antwort auf dieses Fragen versuchen uralte biblische Worte aus dem 1. Buch der Könige im Alten Testament.
An Jesus war da noch lange nicht zu denken. Und mit Himmelfahrt direkt haben diese Worte auch nichts zu tun. Aber wohl mit dem Gott, zu dem Jesus aufgefahren ist - mit Gott und der Frage nach seiner Anwesenheit, wenn man ihn braucht und sucht.
Sie werden es gleich hören: Dieser Suche wird hier etwas ganz Sichtbares und Handfestes entgegengestellt: Ein Gotteshaus. Der neu errichtete Tempel in Jerusalem.
Er steht als Zeichen für das große Versprechen, dass Menschen Gott begegnen können, auch wenn sie ihn nicht sehen. König Salomo, der Sohn des legendären Königs David, hatte den Bau des Tempels in Auftrag gegeben. Nach nur 7 Jahren Bauzeit war er fertig und konnte von Salomo feierlich eröffnet werden. Hören Sie, wie das in der Bibel beschrieben wird:
Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände zum Himmel aus und betete:
Herr, Gott Israels! Es ist kein Gott wie du, weder oben im Himmel noch unten auf der Erde.
Du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten. Du hältst denen die Treue, die vor dir mit ganzem Herzen ihr Leben führen.
Du hast das Versprechen gehalten, das du deinem Knecht, meinem Vater David, gegeben hast. Hier und heute hat deine Hand erfüllt, was dein Mund versprochen hat.
Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, der Tempel, den ich gebaut habe?
Herr, mein Gott, wende dich aber deinem Knecht zu, höre sein Gebet und sein Flehen! Ich flehe dich an! Höre die Worte des Gebets, das dein Knecht heute vor dir spricht!
V.
Liebe Gemeinde! Der König Salomo ist klug und weiß: „Gott ist nur ein Gebet weit von uns entfernt.“ Deshalb streckt er seine leeren Hände vor dem Altar zum Himmel und betet. Demütig und bescheiden bittet er Gott um seine Gegenwart und weiß zugleich, wie vermessen das ist, worum er den großen Gott bittet.
Der Tempel soll eine Wohnung Gottes sein?
Salomo macht sich nichts vor: Gott ist nicht automatisch und selbstverständlich da, weil ihm ein schicker Tempel gebaut wurde. Gott ist da, weil Menschen ihn bitten und weil er von sich aus den Menschen nahe sein möchte.
Dafür beschränkt der große Gott sich selbst. Freiwillig. Und wird so fassbar für uns: Im salomonischen Tempel. Im Menschen Jesus, der unser Leben und Arbeiten, unser Leiden und Sterben mit uns geteilt hat. Und auch in meinem Leben, wenn er es will.
Weil wir Menschen glauben, dass Gott sich fassen lässt, schaffen wir heilige Orte, haben wir heilige Zeiten und Feste, vollziehen heilige Handlungen und sprechen dabei eine besondere Sprache. Nicht als Selbstzweck, sondern weil wir damit über diese Welt hinaus auf den Gott verweisen möchten, der Himmel und Erde gemacht hat.
So glauben wir, dass Gott uns in einem Stück Brot und einem Schluck Wein nahe ist, in den Tropfen des Taufwassers, im Säugling und im Morgenrot.
Ich glaube, dass Gott mich sieht, wenn ich in der Kirche eine Kerze anzünde und mich hört, wenn ich ihn stumm bitte, bei der kranken Freundin zu sein. Ich vertraue darauf, dass Gott da ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Oder wenn wir gemeinsam singen oder wenn ich gesegnet werde.
Es ist unbegreiflich, dass ich zu dem großen Gott, den aller Himmel Himmel nicht umfassen können, „Du“ sagen und glauben darf, dass er mich hört und sieht
Und auch jetzt, wenn wir diesen Gottesdienst feiern, hoffen wir auf Gottes Gegenwart: hier in der Gethsemanekirche und zugleich dort, wo Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, sich gerade befinden: am Küchentisch oder unterwegs im Auto oder im Pflegebett.
Es ist ein Wunder, über das wir nur staunen können. Dass der große Gott uns heute Morgen die Ehre erweist und uns besucht.
Was wir dafür tun können ist, auf Empfang zu sein und Gott in unser Herz einzulassen, damit er in uns Wohnung nehmen kann, damit wir seine Tempel werden.
VI.
Liebe Gemeinde! Die Jünger und Jüngerinnen damals brauchten eine Weile, um das zu verstehen. Sie sind dafür ihren eigenen Weg gegangen: Vom Gefühl des Verlassenseins hin zur Erfahrung, dass es keine christusfreien Räume gibt.
Der Heilige Geist hat ihnen dabei geholfen und vermittelt. Der kam zu Pfingsten über sie. Er kam mit der Gotteskraft, die verbindet und Menschen ermutigt, an die Gegenwart Gottes in der Welt zu glauben. Und seitdem machen Menschen immer wieder die Erfahrung, dass Himmel und Erde sich berühren, wo wir im Geist Jesu miteinander leben, zusammen feiern und einander helfen.
So wünsche ich uns einen Himmelfahrtstag, an dem wir spüren: Jesus ist da, Gott ist da, drinnen und draußen, in unseren Kirchen und Häusern, in unseren Herzen und im Freien – überall! Auch da, wo wir ihn vielleicht gar nicht vermuten. Amen