Beteiligte:
Orgel: Domkantor Matthias Bensch
Liturgie+Predigt: Pfarrer Teja Begrich
Lektorat: Simone Dülfer
Predigt I zu 1Mo 21, 8-20
Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist und der da war und der da kommen wird und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Nein, liebe on Air und vor Ort - Gemeinde,
nein, Namen sind nicht Schall und Rauch.
Namen stehen für Wirklichkeiten und Welten, sie zeigen Herkunft und Heimat, Sehnsucht und Versprechen. Namen erzählen ganze Geschichten.
Sie bestimmen das Leben. Michaelis. So heißt unser Tag heute im kirchlichen Kalender.
Michael. Das ist hebräisch und heißt übersetzt: Wer ist wie Gott?
Eine rhetorische Frage. Denn die einzig mögliche Antwort darauf ist: Niemand!
Niemand ist wie Gott. Und darum hat Gott auch keinen Namen, aber das gehört hier nicht her. Hier und heute brauchen wir Namen. Denn sie erzählen die Geschichte dahinter.
Wir haben von ihnen schon gehört. Sara, Abraham, Hagar, Isaak und Ismael.
Die Geschichte von einem Rausschmiss. Die Geschichte von zerrüttendem Bande von Familie und Liebe. Die Bibel ist kein Buch von glücklichen oder gar perfekten Familiengeschichten.
Eine Familienaufstellung machen wir aber dennoch nicht.
Ein Gottesdienst ist ja keine Psychotherapie.
Wenngleich dieser Abraham mich wirklich irre macht.
Da hört er eine Stimme, die sagt, er soll auf Sara hören. Und so jagt er Hagar und Ismael in die Wüste. Damit hört das „Stimmen hören“ Abrahams aber nicht auf, im nächsten Kapitel geht das weiter: Die Geschichte von der Beinahe - Opferung Isaaks. Da geht dieser Abraham einfach los und will seinen Sohn schlachten, weil er eine Stimme hörte, die ihm das sagte, das ist doch nicht zu fassen. Welche Väter machen so etwas? Ich hoffe jedenfalls, dass meine Frau mich zurückhält, wenn ich eine Stimme höre und daraufhin, meinen Sohn schlachten will.
Aber gut, das ist heute auch nicht dran, wir bleiben erst einmal hier: bei Abraham und Sara, und Abraham und Hagar und Ismael und Isaak. Das hört sich ganz schön nach Kommune an: ein Mann mit zwei Frauen, Kindern dazu – wer meint das biblische Familienbild wären Vater, Mutter, Kind, dem seien diese Kapitel im 1. Buch Mose ans Herz gelegt. Diversität ist biblisch gesehen ein alter Hut.
Nicht einfach damals schon: Also Hagar und Ismael: ab in die Wüste! Warum?
Weil Ismael lachte, über oder mit Isaak. Dabei hat Isaak das Lachen doch schon im Namen. Er lacht – das bedeutet Isaak nämlich übersetzt.
Und damit ist schon mal klar: der Stammvater Israels hat das Lachen bereits im Namen.
Vielleicht hat die jüdische Religion darum auch so wunderbar viel Humor. Von einer Religion ohne Humor sollte man sich eh fernhalten.
In der Wüste nun verirrten sich Hagar und ihr Junge. Und nur die Bibel weiß, wo es war: bei Beerscheba.
Hagar konnte das Sterben ihres verdurstenden Sohnes nicht mitansehen, vor allem konnte sie seine Schreie nicht hören - und ließ ihn allein. Gott aber hörte. Er hörte die Schreie Ismaels. Dass Gott ihn hört, hat der Knabe schon im Namen, denn Ismael heißt: Gott hört. Und er hörte auch die Schreie einer verzweifelten Mutter.
Also Gott hörte - und schickte einen Engel.
Was ist dir, Hagar? Fragt der Engel.
Als ob er das nicht schon wüßte! Wenn Gott mit den Menschen redet, dann liebt Gott es Fragen zu stellen.
Die erste Kommunikation zwischen Gott und Mensch – schon sie beginnt mit einer Frage. Im Paradies: Wo bist du, Adam? Und kurz darauf zu Eva: Was hast du getan?
Dabei kennt Gott längst die Antwort. Die Fragen sind nur für uns.
Sie geben uns die Möglichkeit, uns zu erklären, zu argumentieren, ins Denken und Nachdenken zu kommen. Uns zu entlasten. Uns eben so alles Schwere einfach mal von der Seele zu reden.
Die Fragen sind dabei das entscheidende, oder meinen Sie Günter Jauch, wäre mit Antworten berühmt geworden? Also noch einmal die Frage:
Was ist dir, Hagar? Fürchte dich nicht!
Vor dem Engel übrigens fürchtet sich Hagar nicht, den kannte sie bereits. Als sie schwanger war, wurde sie nämlich schon einmal in die Wüste geschickt, fünf Kapitel zuvor, da schickte Gott ihr auch einen Engel. Schon einmal war sie am Ende und kam aus der Wüste zurück ins Leben.
Also Hagar ist eine Engelsexpertin. Sie weiß, wann sie kommen.
Erwarten tut sie sie dennoch nicht. Wer glaubt schon an Engel?
Der Engel aber kommt und verheißt Leben.
Hagars und Ismaels Leben endet nicht in der Wüste.
Als wollte er sagen: Gott hat noch etwas vor mit euch.
Steht auf und lebt!
So ist das:
Der Engel rührt einen an zum Leben!
Steh auf und trink! Dein Lebensweg geht noch weiter.
Gott hat noch etwas vor mit dir!
Wenn einen der Engel anrührt, kommt das Leben in Bewegung! Und Gott ist ein Liebhaber des Lebens! Deshalb brauchen wir Engel, um in Bewegung zu geraten. Der Engel kommt, wenn es nach menschlichem Vermögen nicht mehr weiter geht, wenn das Herz in Scherben liegt und ein Zusammenfügen der Splitter in weite Ferne gerückt ist, dann kommt der Engel!
Jedenfalls in der Bibel. Und in der Musik.