Mitwirkende:
Liturgie und Predigt: Pfarrerin Anne Hensel
Orgel und Klavier:Jack Day
Lesungen: Chalres du Vinage
Evangelium 1. Abschnitt: Lukas 1,39-40
Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.
Predigtabschnitt 1: Maria auf dem Weg
Da ist sie auf dem Weg.
Eine junge Frau, eigentlich noch ein Mädchen,
so im Alter unserer Konfirmandinnen, kaum erwachsen, vielleicht noch pubertär.
Im Alter, wo man auf der Suche ist nach Orientierung
und nach dem, was so im Leben kommen mag.
Ja, zugegebenermaßen war das damals anders.
Aber auch Maria hatte das wohl anders geplant.
Nun war sie, noch unverheiratet, schwanger.
Mit Vorfreude auf das Kind, und doch auch voller Sorge.
Sie ist auf dem Weg.
Will zu ihrer Freundin und Cousine Elisabeth.
Denn die ist auch schwanger.
Vielleicht um sich Rat zu holen, Gemeinschaft zu finden.
Elisabeth ist schon wesentlich älter, wahrscheinlich gut über 40, eine echte Risikoschwangerschaft.
Mit ihr wird sie über vieles reden können (wie das Frauen so tun).
Ein weiter Weg voller Strapazen, dazu noch in ihrem Zustand!
Auf der anderen Seite des Gebirges wohnt Elisabeth.
Im Lied (das wir gleich singen) ist aus dem Gebirge ein Wald voller Dornen geworden.
Ein Weg mit Hindernissen und Widerständen.
Kennst du das auch?
Eine neue Situation ist in dein Leben getreten, von außen.
Eine neue Aufgabe, eine neue Idee, eine neue Verantwortung.
Beruflich oder privat, etwas, das dein Leben grundlegend verändern wird.
Was dich mit Vorfreude erfüllt, aber auch mit Sorge und Angst.
Passt es, bin ich die Richtige, ist es nicht eine Nummer zu groß für mich?
Kann ich das überhaupt? Werde ich die anderen nicht enttäuschen?
Werde ich es bewältigen können?
Und der Weg dorthin ist auch noch schwer.
Viele Hindernisse, die wie ein Gebirge vor mir liegen.
Schluchten, enge Passstraßen, Serpentinenstrecken, Auf und Ab, schwindelerregende Höhen und Tiefen.
Abenteuerlich. Ich kann noch gar nicht sehen, was da alles kommen mag.
Hinter jeder Kurve kann ein neues Hindernis, eine neue Gefahr lauern.
Der Weg erscheint mir auch wie mit Dornen und Widerständen gepflastert,
an denen ich hängenbleiben kann oder mich sogar verletzen.
Gefährlich ist dieser Weg, risikoreich.
Aber ich soll ihn gehen, das fühle ich.
Also gehe ich los.
Mutig voran... oder lieber doch nicht?
Zweifel plagen mich und Ängste. Habe ich eine Wahl?
Maria geht los. Sie bleibt nicht zu Hause sitzen, bis das Kind kommt. Sondern sie macht sich auf den Weg.
Sie setzt sich den Hindernissen aus, Gebirge und Dornen, sie umgeht sie nicht.
Der Weg hat es in sich.
Und mit Maria passiert etwas unterwegs.
Denn das Bewältigen dieses Weges und dieser Hindernisse hilft.
Es verwandelt, auch die Widerstände. Da entwickelt sich etwas.
Die Dornen tragen Rosen, sagt das Lied.
Das Bedrohliche bekommt ein ermutigend schönes Aussehen.
Wobei die Dornen Dornen bleiben – aber sie sind leichter zu ertragen.
Singen wir davon: Maria durch ein Dornwald ging
Lied: Maria durch ein Dornwald ging
Predigtabschnitt 2: Elisabeth in Erwartung und Hoffnung
Die andere Frau, sie ist ungefähr so alt wie ich, denke ich.
So mittel, aber jedenfalls nicht mehr jung.
Eigentlich hatten sie es sich so schön vorgestellt:
Zacharias, ihr Mann, Priester, in einem wundervollen Beruf:
Den Menschen Gottes Wort ansagen, ihnen Hoffnung und Mut zusprechen,
aber auch Orientierung geben. Sagen, was gut ist. Was sie tun sollen.
Und für sie, Elisabeth, sollte es so sein: möglichst viele Kinder großziehen, ein vorbildliches Familienleben führen,
den Kindern Hoffnung und Mut zusprechen und Orientierung geben.
Und dann geht dieser Lebensplan nicht auf.
Denn es kamen keine Kinder.
Zu ihrem Leben sollte aber dazugehören, Kinder zu haben.
Das war selbstverständlich, unabdingbar.
Nicht nur für die Altersversorgung, sondern für das ganze Selbstverständnis.
Die Weitergabe nicht nur der Lebensweisheit und der Liebe an andere Menschen,
sondern auch der Gene – die Generativität – die Eigenschaft Nachkommen zu zeugen, sich fortpflanzen zu können...
Für manche Menschen ist das bis heute so, selbstverständlich und ausschließlich.
Ich höre das als kinderlose Frau auch manchmal, und es tut mir weh.
Vorwürfe von Egoismus oder Geiz, von falscher Selbstverwirklichung
oder fehlendem Verantwortungsbewusstsein oder was auch immer…
Dabei kann es für Kinderlosigkeit ganz verschiedene Gründe geben.
Und jede Frau sollte für sich selbst entscheiden dürfen, ohne Vorwürfe und ohne Bewertung.
Um dieses Recht, diese Selbstbestimmung wird bis heute diskutiert und gekämpft.
Für Elisabeth war das damals anders:
ohne Kind konnte sie kein anerkanntes und vollgültiges Mitglied der Gesellschaft sein.
Und das hatte sie alle Hoffnung verlieren lassen.
Jetzt aber war das Unglaubliche und völlig Unwahrscheinliche geschehen:
Gott hatte ihr die Hoffnung zurückgegeben,
er hatte sie guter Hoffnung gemacht –
sie wurde schwanger.
Angefüllt mit Vorfreude, freudiger Erwartung und unendlicher Dankbarkeit.
Und dann kommt Maria zu ihr…
die voller Gedanken ist, die den Weg übers Gebirge gewagt hat, die sich von ihr Rat und Beistand erhofft.
Instrumentales Intermezzo zu „Maria durch ein Dornwald ging“
Evangelium 2. Abschnitt: Lukas 1,40-45
Maria kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.
Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe.
Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach:
Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!
Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.
Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.
Predigtabschnitt 3: Zwei Frauen begegnen sich guter Hoffnung
Maria will nicht warten bis das Kind zur Welt kommt,
sie geht los, macht sich auf den Weg, zu Elisabeth.
Sie sucht also menschliche Nähe,
sie will teilen und mitteilen, was ihr geschieht.
Auf dem Weg schon geschieht eine Menge.
Und dann kommt sie an, bei der Freundin, und wird nicht nur warm empfangen, sondern erkannt.
Denn Elisabeth weiß es schon.
Sie hat ein „Bauchgefühl“,
ihr ungeborener Sohn hat sie schon in freudige Erregung versetzt,
hat ihr gleichsam aus dem Inneren mitgeteilt: ihr beide seid guter Hoffnung,
Gott hat sie in euch gesetzt.
Ihr sollt sie austragen, diese wunderbare gute Nachricht,
diese Botschaft für die Welt – die Orientierung, die Wärme, die Zukunft, die Liebe:
das, was Gott für alle Menschen will.
Sichtbar und deutlich an Menschenkindern, die in die Welt kommen.
Johannes und Jesus, die Söhne von Elisabeth und Maria
werden beide von Gott erzählen und Menschen Orientierung geben,
Sie werden durch ihr Leben zeigen, was Gott will
und - was wir dazu tun können.
Der Anfang dazu ist: Guter Hoffnung sein. Wie Maria und Elisabeth.
Was hat Gott in dich gesetzt? Was hat er in dir angelegt, was wachsen kann?
Welches gute Bauchgefühl ist dein Hoffnungszeichen?
Welche Vorfreude trägst du aus? Kannst du sie entdecken – trotz Gebirge und Dornen?
Instrumentales Intermezzo zu „Es kommt ein Schiff geladen“
Evangelium 3. Abschnitt: Magnificat (Lukas 1,46-55)
Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.
Predigtabschnitt 4: Ein Lied voll Freude, Hoffnung und Kraft
Wie kann sie nur SO singen?
Klangvoll, kraftvoll, laut bricht es aus dem Mädchen heraus, das Lied. Ein Trotzlied, ein Siegeslied, ein Triumphlied. Das ist kein gefühlvoll-kitschiger Weihnachts-Singsang für die Seele wie beim Rudelsingen im Stadion, aber es ist doch nicht minder tröstlich und unendlich kraftvoll.
Eigentlich ist viel mehr Elisabeth darin als Maria, denn es spricht so viel Lebenserfahrung aus diesem Lied.
Von Maria mag aber die jugendliche Kraft kommen und der fast pubertäre Trotz.
Ein Trotzdem gegen allen Augenschein – etwas, das vielleicht auch uns anstecken mag:
Sehen wir doch so viel in der Welt, was gegen Hoffnung spricht - oder was Hoffnung im Keim ersticken will.
Was Angst vor der Zukunft macht – Krieg, Krisen, Klimawandel; Unsicherheit, Unbeständigkeit, Unzuverlässigkeit…
Dagegen: Ein riesiges Trotzdem und ein unbedingtes Ja zur Zukunft.
Wie kann sie nur so singen?
„Wenn wir aufhören zu hoffen, wird die Welt zugrunde gehen“, sagte die Philosophin Susan Neiman im Deutschlandfunk, sie spricht deshalb sogar von einer „Pflicht zur Hoffnung“.
Es gibt aber immer weniger empirische Gründe zur Hoffnung. Was wir sehen, spricht fast alles dagegen.
Der logische Menschenverstand - begrenzt auf realistische Zahlen, Daten und Fakten -, kann nicht zur Hoffnung aufrufen.
Aber Maria singt. Denn sie ist guter Hoffnung. Sie ist erfüllt mit Leben und mit Zuversicht.
In ihr ist etwas, das wachsen will und das Lebensraum und Zukunft beansprucht.
Und sie weiß dabei, dass - auch gegen allen Anschein - Gott das geben kann und geben wird.
Dass seine Möglichkeiten alles übersteigen,
was wir uns vorstellen, ausmalen, planen und mit dem Verstand begreifen können.
Das hat sie erfahren und davon hat sie gehört, in der Vergangenheit.
Sie singt diese Erfahrungen aus sich heraus, und sie erzählt aus dem reichen Schatz der Glaubensgeschwister, aus der Geschichte Israels: Gott hat die Gefangenen befreit, er hat die Schwachen geschützt, die Gedemütigten aufgerichtet, den Verfolgten Zuflucht gegeben.
Gott rettet und erlöst und wird dies auch in Zukunft tun – für dich und mich so wie für die, die vor uns waren.
Vertrau darauf! Amen.