08.06
2025
10:00
Uhr

Pfingsten in der Luisenkirche

Im rbb radio3-Gottesdienst übertragen wir am 08. Juni 2025 ab 10 Uhr live aus der Luisenkirche in Berlin-Charlottenburg. Der Gottesdienst steht unter dem Motto: "Begeisterung schafft Verständnis" Gott spricht nicht nur eine Sprache – sein Wort ist vielsprachig und vielfältig wie seine Schöpfung. Darum soll es im Gottesdienst gehen: Gott spricht zu uns in unterschiedlichster Weise. Wir versuchen das abzubilden, mit verschiedenen Musiksprachen, und mit Texten, die Sprachen erleben lassen und dem Erlebten hinterherdenken. Die Predigt hält Pfarrerin Anne Hensel. Musikalische Leitung hat Kantor Jack Day.

Mitwirkende:
Luisenkantor Jack Day, Orgel und Klavier  •   Henk Verhoef, Orgel  •   Projektchor der Luisenkirche  •   Chorleitung: Raymond Hughes
Charles du Vinage, Lesungen  •  Pfarrerin Anne Hensel, Liturgie und Predigt

 

Predigtabschnitt 1 

Das hatten sie sich anders vorgestellt. 

Sie saßen da, ratlos und mutlos und planlos. 

Um sie herum ein Fest. Aber danach war ihnen nicht zumute. 

Sie fühlten sich überfordert mit dem, was draußen war. Waren noch zu erschöpft und zu sehr mit dem Vergangenen beschäftigt. Außerdem ging es ihnen zu schnell. 

Die Entwicklungen der letzten Zeit hatten sie verunsichert. 

Kenne ich irgendwie, kommt mir bekannt vor. Gerade im Moment. 

Stimmengewirr. Nicht klar erkennbar, was woher kommt. 

Oder erkennbar, aber nicht verständlich. Vielleicht sogar absurd. 

Ratlosigkeit gegenüber den Geschehnissen und Entwicklungen. Das Gefühl, nichts tun zu können. 

Reaktionen, wie ich sie kenne, wie viele sie erleben: 

Türen zu, nichts Fremdes oder Neues hereinlassen. Mich einigeln mit meiner Ratlosigkeit. 

Ein bisschen Sicherheit zuhause gibt das und Geborgenheit, wenn man die Welt draußen lässt. Am besten gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt. 

Sei es, weil man sie nicht ertragen kann und einfach nur hilflos und ratlos ist. 

Oder sei es, weil man nur für die kleine, eigene Welt eine Lösung hat. Die aber nur funktioniert, wenn die Türen zu sind. 

Und auch das geht nur begrenzt. Aber erstmal beruhigt es. 

Viele suchen jetzt diese Zuflucht im Rückzug ins Private – das hat vor kurzem eine Studie in unserem Land herausgefunden. 

Ein bisschen Sicherheit und Geborgenheit. Die vertrauten Gesichter. Petrus und Jakobus, Johannes und Bartholomäus und wie sie alle hießen. Was machen wir jetzt? Mitfeiern draußen? Es ist ja eigentlich auch unser Fest, mit all den anderen. 

Jesus hätte das wahrscheinlich gewollt. Aber uns fehlt die Energie zum Feiern. Wir sind müde und erschöpft. 

Die Fenster verdunkelt, damit wir vom Fest nicht zuviel mitbekommen. Bleiben wir drinnen, bis es vorbei ist. 

Musik: Orlando Gibbons (1583-1625): Come, Holy Ghost 

Come, holy Ghost, the Maker, come; Take in the souls of thine thy place; 

Thou whom our hearts had being from, Oh, fill them with thy heavenly grace. 

Thou art that comfort from above, The highest doth by gift impart; 

Thou spring of life, a fire of love, And the anointing spirit art. 

Evangelium: (Johannes 14,15-19.23-27) 

Einleitung (AH) 

Sie sind drinnen. Türen zu. Und dann? Einer erinnert die anderen: Er hatte doch was gesagt… 

Jesus hatte uns angekündigt: Auch wenn ich weg bin, bin ich doch da. In anderer Form, anders. 

Er wollte uns erinnern. Wahrheit erkennen lassen. Und uns trösten. Wisst ihr noch? 



Lesung (CDV) 

Jesus sprach: Ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: 

den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. 

Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 



Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. 

Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. 

Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. 


Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, 

und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. 

Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. 

Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. 

Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. 

Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, 

der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. 

Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. 

Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.  



Liedansage (AH): ): Der Heilige Geist wird euch alles lehren und euch trösten… 

Komm, du Geist des Lebens! den der Vater senden wird! 

Wir singen davon. Aus dem Evangelischen Gesangbuch, Nr. 134. 

Gemeindelied EG 134: Strophe 1 Frauen, Strophe 2 Männer, Strophe 5 Alle 


Predigtabschnitt 2 

Sie sind drinnen. Türen zu. Alles gut? Brauchen wir nicht doch was anderes? 

Trost: ja. Das tut schon sehr gut. Er hilft. Aber das allein lässt noch nicht rausgehen. Was braucht es noch? 

Inspiration? Motivation? Feuer? Mutig, stark, beherzt - rief uns der letzte Kirchentag in Hannover noch vor ein paar Wochen zu. 

Brennt für die Sache Jesu. Für den Frieden, für alle Menschen. 

Gegen Lähmung und Angst. Gegen gesellschaftliche Kälte und Gleichgültigkeit. 

Und dann kommt plötzlich frischer Wind in die Sache. Vielleicht hat Jakobus ein Fenster aufgemacht. Sie geraten in Bewegung. Es wird ihnen warm ums Herz. Und sie verstehen plötzlich, was Sache ist. Ihnen fallen Worte ein, die sie vorher nie in den Mund genommen hätten. Vielleicht sind sie durch die Ohren gekommen, vielleicht direkt ins Herz gefallen. 

Sie gehen aus sich hinaus. Und aus dem Haus. Sie wachsen über sich selbst hinaus. Über ihre Herkunft, ihre Sozialisation, ihr kleines begrenztes Verstehen hinaus. Durchbrechen alle Denkschemata und engen Gedankenräume. Alles wird weit. Wes das Herz voll ist, dem läuft der Mund über! Die Ohren und die Herzen weit geöffnet für das, was um sie herum geschieht. Sie verstehen plötzlich. Und sie können demgemäß reden und handeln. 

Lied: Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft (SJ 26) 


Predigtabschnitt 3 

Irgendwie sprechen sie aber doch nicht eine Sprache. Sondern ganz viele. 

Aber wir haben ja jetzt andere Mittel. KI. Künstliche Intelligenz! 

Google Translate kann Worte in jede Sprache der Welt übersetzen. Dafür brauchen wir keinen Gott, keinen Geist mehr. 

Das machen die Macher jetzt selbst, solch einen Sprachturm von Babel. 

Und Antworten geben auf meine Fragen - das kann ein guter Chatbot auch. Wunderbar! 

Oft genug und lange genug trainiert mit Daten aus aller Welt… 

Er überprüft: was könnte als nächstes Wort gefragt sein oder sich eignen? 

Ein Chatbot kennt sogar meine persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben, wenn ich häufiger mit ihm rede – er „weiß“ genau, was ich hören will… und tut mir den Gefallen, er erhört mein Rufen und erklärt mir, was ich nicht verstehe... 



Moment. 

Der Theologe Ahmad Milad Karimi schreibt: „KI ist alles, aber nicht intelligent.“ 

KI denkt nicht, sondern sie rechnet. Die Antworten sind nicht erfahrungsbasiert, sondern Rechenleistung. 

KI versteht nicht, sondern ahmt nach. Und gründet nicht auf Empathie, sondern auf Wahrscheinlichkeitsrechnung. 

Alles keine Zuwendung eines mitfühlenden Gegenübers, sondern eine programmierte bestmögliche Dienstleistung. 



Moment nochmal. 

Ich will nicht diese wunderbaren Hilfstools verteufeln. 

Es ist absolut großartig, dass ich mich mit Menschen verständigen kann, deren Sprache ich nicht spreche. 

Dass wir einander helfen können mit Hinweisen in völlig fremden Kontexten. 

Nur: Ich kann mich dabei nicht unbedingt darauf verlassen, dass ich verstanden werde bzw. verstehe – oder dass es richtig übersetzt wird (denn ich habe ja keine Kontrollmöglichkeit!) 

Da können sehr merkwürdige Missverständnisse aufkommen – die ich vielleicht gar nicht merke! 



Es ist auch großartig, dass mir Google und Co. viele Fragen beantworten können und unendlich viele Informationen bereithalten. 

Die nicht einzelnen vorbehalten sind, sondern auf die viele Menschen Zugriff haben. 

Aber es ist mir eminent wichtig zu merken und zu unterscheiden: mit wem rede ich eigentlich? Und wer redet mit mir? 

Ist es ein menschliches Gegenüber? Ist es Gott? Ist es ein persönliches, mitfühlendes, zugewandtes Wesen? 

Oder ist es ein Rechenprogramm, eine künstliche menschengemachte Intelligenz? 

Was versteht mein Gegenüber von mir, und was verstehe ich von ihm oder ihr? 



Und: ich möchte mich immer wieder daran erinnern, was mir zugesagt ist: 

der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit ist in denen, die Gott lieben. Er wird auch mich leiten. 

Darum kann ich mich trauen raus in`s Leben – auch wenn es noch so verwirrend ist und durcheinander. 

Viele Babels – aber immer wieder auch ein Stück vom Paradies. 

Viel Unverständliches – aber immer wieder auch Verständnis und Verstehen. 

Und der Friede Gottes, größer als unsere Vernunft und Intelligenz, 

bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.