09.02
2025
08:40
Uhr

Abteibrücke

Ein Beitrag von Alexander Höner

„Sylvia & Schnitte“, dickes weißes Herz drum. Das Vorhängeschloss leuchtet knallrot in der Wintersonne. Unter mir im Wasser trotzen einige tapfere Enten der Kälte. Ich stehe auf der Abteibrücke. Sie überspannt einen Teil der Spree und verbindet den Treptower Park mit der Insel der Jugend. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke bis ganz nach oben. Der Wind ist frisch.

In einer so trubeligen und dichten Stadt wie Berlin suche ich immer nach Orten, an denen ich weit gucken kann. Und es zieht mich zum Wasser. Ich komm‘ aus‘m Norden und muss manchmal so tun, als wenn ich am Meer stünde. Sonst würde ich verrückt werden. Und der Scheitelpunkt der Abteibrücke ist so ein Ort. 

Okay, die Spree ist nicht die Ostsee, aber die Aussicht von da oben ist schön. Ich schaue Richtung Westen, am Horizont zeichnet sich der Fernsehturm ab. Weite, Unendlichkeit. Ob Sylvia & Schnitte genau deshalb ihr Liebesschloss hier an die Brüstung gehängt haben – wegen der Weite und wegen der Unendlichkeit? Vielleicht als ein Versprechen, dass die Liebe niemals zu eng wird und unendlich andauert?

Ich schaue auf das rote Schloss. Eigentlich ja auch ein komisches Symbol für die Liebe. Solche Schlösser hängen sonst vor hölzernen Brettertüren im Keller. Ich denk da eher an „Düster, eingesperrt“. Und Sylvia & Schnitte? Woran haben die wohl gedacht? Für immer und ewig und dann ab mit dem Schlüssel ins Wasser? Gemeinsam über die Brücke in die Zukunft? Ein toller Ort, um sich das zu versprechen: Dass wir beieinanderbleiben, egal was kommt. Dass wir uns daran immer erinnern, an unser Versprechen, an unseren Traum. Und den Blick in die Weite niemals vergessen.

Am Freitag ist Valentinstag. Vielleicht kommt Sylvia mit der Akku-Flex vorbei, weil alles anders gekommen ist. Viel schöner wäre es natürlich, wenn Sylvia & Schnitte zusammen wieder hierher kommen, zu ihrem roten Schloss mit Herz und sich an ihr großes Versprechen erinnern und sich etwas schon erfüllt hat und mehr Liebe da draußen wartet auf Sylvia und Schnitte und Dich und mich in dieser Stadt. Das wäre doch eine wunderbare Valentinstradition.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Die Bibel, Psalm 31.