Seit meiner Kindheit ist es ein Ort voller Magie und Faszination. Ich glaube, wenn ich dort Geburtstage feiern könnte, hätte ich‘s schon getan. Als Kind waren es für mich immer ganz besondere Samstage, wenn wir dort hinfuhren. Oft hatte mein Vater monatelang gesammelt, denn einfach so wollte er sein kostbares Wochenende da nicht verbringen, das musste sich schon richtig lohnen, das Warten in der Schlange vor dem BSR Recyclinghof. Der Kofferraum voll mit Altpapier, dem aussortierten Nadeldrucker oder sonst einem Technikgerät, vielleicht noch ein paar leere Dosen und was man sonst noch so zuhause stehen hatte, was nicht mehr gebraucht wurde und zu viel Platz im Keller nahm. Ich weiß noch genau: Bevor wir losfuhren, wurde zuhause noch in den allerletzten Ecken gesucht, wahrscheinlich auch ein Erbe der 80er Jahre: Recyceln, eine meiner Kindheitserinnerungen.
Diese kindliche Begeisterung packt mich immer noch, wenn ich heute zum Recyclinghof an der Behmstraße laufe. Am Schwedter Steg mache ich einen kurzen Stopp, ich bin aus der Puste. Hier lohnt es sich kurz Durchzuatmen: Der Blick auf den Fernsehturm ist frei und unverbaut. Über diese Brücke habe ich schon einige Stücke aus meiner Wohnung zur BSR geschleppt. Einmal, als ich mit meinem damaligen Mitbewohner die Spülmaschine mühselig über die 200 Meter lange Brücke zur Behmstraße zog, wurden wir von einem Fremden angehalten, der uns kurzer Hand seine Hilfe anbot. Nach einigem Hin und her, schulterte er – fast leichtfüßig – unsere alte, verschmierte Spülmaschine und trug sie bis zur BSR in den Recyclinghof hinein. Dann drehte er sich im Gehen nochmal um, zwinkerte mir zu und sagte nur: „Man sieht sich!“
Ich habe ihn seitdem nie mehr gesehen, aber die Geschichte trägt für mich zum Zauber dieses Ortes bei, den viele sicher gar nicht zauberhaft finden. Der Ort, an den ganz Berlin seine alten Sachen schleppt. Dinge, die uns einmal gut gedient haben. Der Recyclinghof ist ein Ort der Übergänge und Neubeginne: Das Alte lassen wir dort, um Platz zu schaffen für Neues in unserem Leben. Ich glaube, wenn die Container reden könnten, sie würden uns erzählen von vergangenen Lieben und Leben, von Wohnungen, die bewohnt und schließlich aufgelöst und verlassen wurden, von Abschied, aber auch vom Neuanfang: von neuen Ideen und Plänen, die so viel Platz haben in dieser Stadt.
Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
Die Bibel. 2. Korintherbrief Kapitel 5.