Farbenfrohe Drachen steigen am Himmel, umgeben von einem blauen Hintergrund. Einige Drachen sind in verschiedenen Formen und Größen gestaltet, während sie mit dem Wind tanzen. Der Ort wirkt lebhaft und festlich, ideal für ein Drachenflug-Event oder ein ähnliches Fest.
19.10
2025
08:40
Uhr

Das Tempelhofer Feld

Ein Beitrag von Alexander Höner

Sie liegen da wie zusammengerollte Lakritzschnecken: riesige Heuballen mitten in Berlin. Ich gehe spazieren und habe das Gefühl, aufm Land zu sein. Wie jedes Jahr um diese Zeit sind die größten Wiesenflächen Berlins gemäht und das Gras zu großen Rundballen gepresst worden. Ich blicke über das Tempelhofer Feld und atme aus. Wie schön, die Weite. Ich liebe diesen Ort. Seine Natur und die Start- und Landebahnen. Ja, vor allem die beiden. Eine gehe ich hinauf, die andere wieder hinunter. Ungefähr ne Stunde dauert das. Und meistens bin ich nicht allein. 

Ich biete Seelsorge-Gespräche beim Spazierengehen an. Weil es sich beim Gehen leichter sprechen lässt, gerade über die schweren Sachen. Man muss sich nicht in die Augen schauen und ist doch nah beieinander, und hat den Blick frei bis zum Horizont. Keine Häuserwand sperrt einen ein, die Gedanken sind frei.

Der Wind bläst kräftig. Wie im Leben auch. Wenn einer stirbt, den man liebt. Oder wenn scheinbar alle sich gegen einen verschwören, nichts mehr klappt. Gegenwind. Wenn es sich so anfühlt, dass das Leben seine normale Sortierung verliert. Liebeskummer, Geldsorgen, Einsamkeit. Alles habe ich schon gehört – auf dem Weg über die Start- und Landebahn. „Wenn sie jetzt, wenn sie jetzt einfach losrennen, die Arme ausbreiten und fliegen könnten, wohin würden sie dann fliegen?“ Bei der Frage bleiben die meisten kurz stehen, überlegen, schließen manchmal die Augen. „Weit weg, ganz weit weg“ sagen einige, „wo es wieder leichter ist“. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. 

Und dann? Gehen wir weiter. Einmal Startbahn rauf und Landebahn runter. Sich etwas von der Seele reden, damit nicht alleine bleiben. Den Kopf und den Blick frei kriegen und sehen, dass auch mitten in Berlin die Erde den Himmel berührt. Besonders hier auf dem Tempelhofer Feld. Klar: Nicht alles ist am Ende des Spaziergangs wieder gut, aber es ruckelt sich manches zurecht, fühlt sich nicht mehr ganz so schwer an. Sorgen, Kummer, Ängste, Ärger etwas aufgerollt. Leben sortiert. Seele hält wieder zusammen – wie die Heuballen auf dem Feld. 

„Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Die Bibel, Psalm 31