25.05
2025
08:40
Uhr

Der Alte St. Jacobi - Friedhof

Es summt und brummt und tiriliert und flattert vor sich hin.

Ein Beitrag von Lissy Eichert

Ich soll es mir schon mal bequem machen – auf dem gefürchteten Zahnarztstuhl. Der sonnige Tag will gar nicht recht zu meinem Arzttermin passen: Wurzelkanalbehandlung. Ein Windzug schiebt den Vorhang am Fenster zur Seite und gibt den Blick frei auf den Alten Sankt Jacobi Friedhof. Ich muss lachen. Der Besuch wird nicht auf dem Friedhof enden, oder? Die letzte Ruhestätte direkt gegenüber hat etwas Humorvolles und zugleich etwas Ernstes. Auf meinen Zahnarzt wartend, komme ich ins Nachdenken über die großen Lebensfragen, über das Woher und das Wohin.

Der bange Moment geht vorüber. Mit einer betäubten Backe und Dankbarkeit über die kompetente und mitfühlende Hilfe verlasse ich die Praxis - und tauche ein in eine andere Welt! Gleich nachdem ich den prächtigen Torbogen des alten Friedhofs durchschreite, vorbei an den weißen Säulen des Friedhofsgebäudes, öffnet sich der Innenhof mit einer mannshohen Christusstatue. Die Gestaltung erinnert an einen römischen Tempel im antiken Stil. Es gibt eine kleine Kapelle, ein Blumenlädchen und sogar ein Café. Mich aber zieht es zu den ungemähten Rasenflächen, den Büschen und Bäumen und den verschlungenen Ecken mit wild wuchernden Pflanzen, richtigen Schönheiten! Die Grabstätten sind teilweise unter dichtem Bewuchs versteckt. Dazwischen immer wieder mein Favorit: die wilden Stiefmütterchen. Kleine Kämpfernaturen! Dieser Friedhof ist eine Farbenpracht für die Augen und ein Orchester für die Ohren! Es summt und brummt und tiriliert und flattert vor sich hin. Je weiter ich mich hineinbegebe, desto mehr tritt der Neuköllner Straßenlärm in den Hintergrund. Auf dem Alten Jacobi Friedhof pulsiert ein anderes Leben: Verwitternde Gräber weisen auf die Endlichkeit hin und gleichzeitig wächst die Pflanzenpracht unendlich dagegen an. Ruheort für die Rastlosen. Seelenort für die Suchenden. Hier komme ich zur Ruhe, tatsächlich. Und erinnere mich an den letzten Tweet von Papst Franziskus[1], wenige Stunden vor seinem Tod am Ostermontag: „Christus ist auferstanden! In dieser Botschaft ist die ganze Bedeutung unserer Existenz umfasst, die nicht auf den Tod, sondern auf das Leben zuläuft.“

 


[1] Auf X lautete der letzte Tweet von Papst Franziskus: „Christus ist auferstanden! In dieser Botschaft ist die ganze Bedeutung unserer Existenz umfasst, die nicht auf den Tod, sondern auf das Leben zuläuft.“