Es gibt Orte in der Stadt, da bin ich eigentlich nur, wenn ich Besuch von auswärts habe und meinen Gästen Berlin von seiner besten Seite zeigen will. Was man dann halt so macht. Kudamm und Gedächtniskirche, Museumsinsel, Bergmannkiez, Unter den Linden Reichstag und bei schönem Wetter eine Dampferfahrt. Ich gebe gerne damit an, wie viel Grün Berlin zu bieten hat, wie viel Weite und Geschichte und das alles auch direkt am Wasser. Die Pfaueninsel zum Beispiel. Der große Kurfürst ließ hier einmal eine Kaninchenzucht starten. Später kam ein Schloss dazu. Hier lustwandelte die bei den Berlinerinnen und Berlinern so beliebte, früh verstorbene Königin Luise. Hell leuchten die weißen Türme ihres Schlosses schon von weitem zwischen dem alten Baumbestand hervor, wenn man vom anderen Ufer rüberschaut. Und wenn man Glück hat, hört man auch die Pfauen schreien, die tatsächlich auf der Insel frei herumlaufen und in der Paarungszeit stolz ihre Räder auf den Wiesen schlagen. Nur die Männchen versteht sich. Als Kind war ich glücklich, wenn ich bei Ausflügen irgendwo auf den Wegen eine bunte Feder fand. Jedes Mal also, wenn ich da bin mit Besuch, denke ich: "Wie herrlich. Hier kommst du ganz bald wieder her." Einfach so, ist ja nicht weit.
Und tatsächlich, einmal bin ich früher Morgen mitten in der Woche los. Mit dem Bus ab Bahnhof Wannsee bis zur Anlegestelle Pfaueninsel. Dann mit der Fähre rüber zur Insel. Die erste legt um 10 Uhr ab. Ich hatte einen Picknickkorb dabei und war tatsächlich die erste, die einen Fuß auf die Insel setzte. Die paar anderen, die auf der Fähre waren, schlugen andere Wege ein. Und so war ich allein, oben beim Schloss, auf einer steinernen Bank mit Blick auf die Havel. Der Wind rauschte in den Bäumen, das Wasser glitzerte, der Himmel war knallblau. Nur Segelboote zogen ihre Bahn. Ich, die Kaffeetasse in meinen Händen, sah auf dieses legendäre Panorama. Was für ein Geschenk. Wie herrlich ist Berlin, wie wunderbar die Schöpfung. Es braucht so wenig, um glücklich zu sein. Dafür stehe ich gerne früher auf. Dürfte ich eigentlich gar nicht verraten, diesen Ausflugstipp, sonst wird es ja gleich wieder voll. Aber Glück will geteilt werden. Genau wie der Stolz auf meine Stadt. Also Wecker stellen, die erste sein bei der Fähre und dann wieder entspannt zurück, ehe die Touristenschwärme sich über Insel und Pfauen ergießen. Einen wunderschönen Monat Mai.
„Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre."
Die Bibel, Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 15.