17.11
2024
08:50
Uhr

Die Schlange vor dem Berghain

Ein Beitrag von Lukas Hetzelein

Weltweit berühmt und sagenumwoben – für einen Berliner Club ist das keine Übertreibung: das Berghain in der Nähe des Ostbahnhofs. 

Menschen aus der ganzen Welt kommen dorthin, um zu feiern – die Nacht zum Tag zu machen – und umgekehrt. Von Freitagabend bis Montagmittag ist der Club durchgängig geöffnet. Die größte Hürde: der Türsteher!

Endlich drinnen ist es strengstens verboten, Fotos zu machen. Kein Wunder also, dass es viele Spekulationen und Mythen darüber gibt, was in dem ehemaligen Hochbunker passiert. 

Heute möchte ich mir mit Ihnen die Schlange vor dem Berghain ansehen. Da ich nur 10 Gehminuten entfernt wohne, beginnt mein Sonntagsspaziergang oft mit: „Wie lange die Schlange vorm Berghain wohl heute ist?“. 

In dieser unglaublich langen Schlange stehen Menschen jeden Alters, unterschiedlicher Herkunft, meist sehr ähnlich gekleidet: Schwarz. In keinem Fall Alltagskleidung!

Soweit so unspektakulär. Was mich aber jedes Mal wieder irritiert: es herrscht eine eigenartig ernste Stimmung. Es wird nur leise gesprochen, kaum gelacht – nur nicht schon in der Schlange dem Türsteher auffallen, scheinen sie zu denken. Und das, obwohl sie eine Party vor sich haben, mit Tanzen, Ausgelassen sein, die Nacht zum Tag machen. 

Jedes Mal wieder erinnert mich dieses Bild an die Prozession bei einer Beerdigung, bei der schwarz gekleidete Menschen den Sarg oder die Urne zum Grab begleiten. Auch hier stellt sich die Frage: Was kommt danach? Gibt es Grund zur Hoffnung? Erwartet mich hinter der Tür etwas Vielversprechendes, etwas Freudiges, etwas Schönes – oder vielleicht gar nichts? 

Von Jesus stammt das Wort: „Ich bin die Tür. Wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden.“ 

Auch wenn man es den Menschen in der Berghainschlange nicht ansieht: Sie sind in der Erwartung einer besonderen Zeit, einer Zeit der Freude, sie wollen dem Alltag entfliehen und das Leben feiern. Für sie besteht die größte Hürde darin, am Türsteher vorbeizukommen. 

An der Tür, von der Jesus spricht, gibt es keine strengen Türsteher, und die Party, die dahinter kommt, geht weitaus länger als von Freitag bis Montag – das hoffe ich zumindest.