Mein Ort ist weg: Meine Bushaltestelle wurde verlegt. Ich stehe morgens auf der Straße, da wo sonst mein Weg in den Alltag beginnt und warte – vergeblich. Das Wartehäuschen leer. Kein Mensch weit und breit. Kein Bus mehr, der hält. Ich brauche erst ein paar Minuten um zu begreifen, was Sache ist, dann sehe ich das Schild, das darauf hinweist: Hier hält wegen Straßenarbeiten bis auf weiteres nix mehr. Stattdessen 150 Meter weiter in Fahrtrichtung. Ich setze mich in Bewegung. Leicht überfordert, denn gerade morgens brauche ich meine gewohnten Abläufe, finde mich noch nicht zurecht in der schnellen Stadt. Es braucht immer ein wenig, bis Körper und Geist wach sind und sich dem Tempo der Großstadt angepasst haben. Jetzt stehe ich also da an der Ersatzhaltestelle, die eigentlich gar keine ist: Es gibt keine Bank und kein Wartehäuschen. Nicht mal einen Baum, der Schatten spendet. Gerade jetzt in den heißen Sommermonaten ist das ja ganz wichtig. Gerade für die älteren Fahrgäste, die nicht mehr so gut stehen können: ein Plätzchen zum Ausruhen, ein kleines Stück Schatten, bis der große Gelbe, auf den man gewartet hat, kommt und einen mitnimmt. Hier ist nix. Nur heißer Asphalt. Und tatsächlich steht da eine alte Dame, sichtlich angestrengt und wacklig auf den Beinen. Wie lange es dauert, kann keiner jetzt sagen, wo Busausfälle und Verspätungen zum Berliner Alltag gehören. Das Einzige, was ihr Halt gibt, ist ein orangefarbener Abfalleimer der BSR, der am Laternenpfahl klebt. Kein Zustand, denke ich, doch da kommt der Bus – Gott sei Dank!
Am nächsten Morgen weiß ich, wo`s lang geht, und laufe direkt die 150 Meter weiter geradeaus zur Ersatzhaltestelle – und staune nicht schlecht: da hat tatsächlich ein netter Nachbar oder eine aufmerksame Hausgemeinschaft ‘ne Palme im Topf hingestellt, daneben ein paar Balkonstühle zum Rasten. Ich bin gerührt. So wünsche ich mir unsere Stadt: mit fürsorglichen Blicken für den Nächsten und Mut zum selber anpacken. Jede von uns kann dazu beitragen, dass Berlin ein Ort zum Wohlfühlen ist.
„Gastfrei zu sein vergesst nicht, denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt." Die Bibel, Hebräerbrief 13.