Vor ein paar Tagen bin ich mit meiner Familie auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gewesen. Das erste Mal seit dem Anschlag vor acht Jahren. Ich habe versucht, den Gedenkort am Boden meiner Tochter zu erklären. Mit den Jahren ist die Angst an diesem Ort kleiner geworden. Jetzt ist die Wunde wieder aufgerissen.
Auch durch die Stadt Magdeburg geht nun ein Riss: furchtbar und tief. Er geht quer durch das Land und meine Seele, auch meine Weihnachtsvorfreude hat einen Riss bekommen. Eigentlich kann man gar nichts dazu sagen – nur beten für die Toten und Verletzten, denken an die Familien, Nachbarn und Freunde der Opfer. Danken den Rettungskräften und Polizistinnen, die all das aushalten müssen und helfen.
Der goldene Riss auf dem Breitscheidplatz – man läuft darüber im Alltag. Abseits von den Weihnachtsbuden liegen Blumen auf den Stufen, viele zerzaust, daneben vom Wind umgeblasene Lichter. Der Ort sieht manchmal ganz schön trostlos aus – nicht so aufgeräumt wie jetzt kurz nach dem Gedenken zum Jahrestag.
Ein Riss geht durch die Welt. Er steht für Tod und Verletzlichkeit und Sterben, ohne die Leben nicht zu haben ist. Aufgefüllt mit einer goldenen Legierung auf den Stufen am Breitscheidplatz. Heißt für mich: Trostlos soll der Ort nicht bleiben, der Riss soll sich eines Tages wieder schließen, wenn er auch sichtbar bleiben wird.
Wenn Sie dort sind, vielleicht legen Sie Blumen dorthin, stellen eine Kerze auf oder heben die umgefallenen Lichter wieder auf. Nehmen Sie sich kurz Zeit: Eine Minute des Gedenkens für die Opfer von damals und die Opfer jetzt in Magdeburg. Jede Stadt hat eine Seele. Unsere Städte sind jetzt in besonderer Weise verbunden.
Ich glaube, auch das ist Weihnachten: sich mit Menschen im Leid verbinden. Ein Licht anzünden in tiefster Dunkelheit und Traurigkeit. Dafür sorgen und daran glauben, dass die Welt nicht trostlos bleibt.
„Das Volk, das im Finstern wandert, sieht ein helles Licht, und über denen, die wohnen in Finsternis, wird es hell.“
Die Bibel, Worte des Propheten Jesaja, Kapitel 9.