16.02
2025
08:40
Uhr

Hermannplatz

Wo Chaos und innere Ruhe aufeinandertreffen

Ein Beitrag von Lissy Eichert

Wer mich fragt, was mein Lieblingsplatz in Berlin ist, so wäre es der Hermannplatz – sicher nicht! 

Menschen strömen von allen Seiten auf dieses Pflasterkarree. Der Platz ist von großen, fast immer verstopften, Straßen umzingelt. Vier Buslinien und zwei U-Bahnlinien treffen aufeinander – bringen im Minutentakt noch mehr Menschen und nehmen andere von hier fort. Und als wäre dies nicht genug: Während der rush hour werden auch noch Marktstände aufgebaut. Der Hermannplatz ist manchmal so voller Leute, dass selbst die Tauben Schwierigkeiten haben, eine Ecke für sich zu finden.

Das Wahrzeichen ist „das tanzende Paar“, eine Bronzestatue in der Mitte des Platzes. Obwohl die mit Spanplatten verrammelte Dauerbaustelle das neue Wahrzeichen des Platzes zu werden droht. Ein Schild verspricht einen frisch sanierten U-Bahneingang. Gib die Hoffnung nicht auf, Neukölln!

Ja, auf dem Hermannplatz ist immer was los: Polizei, Demos, Bettler, Dealer, Hipster… Ein Anziehungspunkt für praktisch alle, bei denen das Wort „Idylle“ Ängste auslöst. Schmutz und Müll - wo ich auch hinschaue. Zack!, und schon wieder wirft jemand seinen leeren Tetrapak in die nächste Ecke! Der Hermannplatz ist meine persönliche spirituelle Herausforderung, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen! 

Am Marktstand steht eine Dame, wie ein Fels, unberührt von der Brandung und lässt sich einige Kohlköpfe zeigen. Wie macht sie das bloß? Irgendwie hat sie das raus: Mitten im Leben den ruhigen Moment finden. 

Ich versuche das auch. Und plötzlich gefällt es mir, hier mitten im Trubel auf dem Hermannplatz zu stehen. Ich stehe mittendrin im quirligen Leben und bin innerlich ruhig. In diesem Moment fürchte ich mich nicht, in der anonymen Masse überrannt zu werden. Bin ganz bei mir. Und bei Gott. 

Plötzlich muss ich schmunzeln. In der Ruhe liegt also doch die Kraft. Der Himmel ist blassblau, sonnenhell. Mein Herz fühlt sich leichter an. Denn mir kommt beim Blick in den blassblauen Himmel diese Bibelstelle in den Sinn: „Du bist ein Gott, der nach mir schaut“ (Gen. 16,13).