Heute will ich hoch hinaus! Ich will die Luft spüren, wie sie mir ums Gesicht pfeift. Will in die Sonnen blinzeln. Ich bin hoch motiviert, will Berge erklimmen, meiner Höhenangst zum Trotz. Nur fehlt mir ein Berg, der sich wirklich erklimmen lässt. Das geht nicht so wirklich im Urstromtal Berlin. Also suche ich nach einer passenden Alternative.
Und finde sie prompt in einem Parkhaus in Neukölln. Das klingt jetzt ziemlich unromantisch für jemanden, der Berge und Natur sucht, aber es ist nicht irgendein Parkhaus. Mitten drin im trubeligen Neukölln, wo heute am Feiertag der Verkehr etwas langsamer geht als sonst, steht gegenüber vom Rathaus Neukölln – ein großes Einkaufscenter mit Läden, Kino und eben auch einem Parkhaus auf den oberen Etagen.
Beim Bergsteigen erreicht man ja oft einen Zustand der Klarheit, hat eine bessere Sicht oben, damit man das Nahe gut erkennen kann, braucht man eben auch Weitsicht, die in Berlin oft fehlt. Weitsicht brauchten auch die Jünger Jesu nach der Kreuzigung ihres Lehrers damals, die Nachricht von seiner Auferstehung hatte noch nicht die Runde gemacht. Und einige von ihnen machen sich auf den Weg, mit dabei der Auferstandene, unerkannt...
An diese Ostergeschichten denke ich und gehe nun rein in die Neukölln Arcaden, lasse die Karl-Marx-Straße hinter mir und schließe die Tür. Bumm... da bleibt der Lärm schon draußen. Zusammen mit meinen Freunden gehe ich zum Fahrstuhl. Und wir fahren hoch, in die oberste Etage. Das Parkhaus sieht aus wie jedes andere Kaufhaus-Parkhaus, wir laufen durch die heute am Feiertag leeren Hallen hin zur Ausfahrt. Da führt ein Weg nach oben, man hört Musik, die vielen Menschen, das Klingen der Gläser. Und dann sind wir da.
Der Klunkerkranich ist seit über 10 Jahren ein Kulturdachgarten mit Bar und Terrasse, wo aus viele kleinen und großen Kübeln der Frühling sprießt. Ein Ort für Kultur und Zusammensein. Und für mich heute frei sein! Wie eine Oase ist es hier oben, mittendrin in Neukölln, das hier doch so fern ist. Wenn einmal alles zu viel wird, hilft Weitblick. Der Blick über Berlin, den Fernsehturm, aber auch die vielen kleinen Häuser und die Menschen, die wie Ameisen durch diese Stadt wimmeln. Da werden schnell auch meine Probleme ganz klein. Auch das ist Ostern.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Die Bibel, Matthäus Evangelium 5, 14.