Die Schule in meinem Kiez ist schon ziemlich alt, geschichtsträchtig sozusagen, vor 100 Jahren wurde sie gebaut und hat schon einiges mitgemacht. Anfangs geprägt vom Reformpädagogen Paul Hildebrandt, der sich in seiner Arbeit viel für die Selbstbestimmung von Schülern eingesetzt hat. Heute bin auch ich auf dem Weg dorthin, nicht als Schülerin (die Zeiten sind vorbei), sondern um mein Recht auf Teilhabe wahrzunehmen. Die Klassenzimmer sind vorbereitet für ein großes Ereignis – die Stühle von den Tischen auf den Boden geholt. Heute wird kein Schulsprecher wird gewählt, sondern die Regierung unseres Landes.
Als ich mit 16 das erste Mal meine Wahlbescheinigung bekam, war ich stolz wie Bolle. Endlich gehörte ich dazu, durfte mitentscheiden, mein Kreuzchen setzen, damals noch in Neukölln zu meiner ersten Kommunalwahl. Ich weiß noch, wie aufregend ich es fand mit meinen Eltern und älteren Geschwistern loszulaufen, zusammen gingen wir durch die Straßen, immer mehr Menschen schlossen sich unserem Zug an. Als ich dann mein Kreuzchen machte und aus der Kabine trat, war das ein toller Moment: selber aktiv mitgewirkt zu haben.
Dieses Gefühl von damals probiere ich mir zu erhalten: Die letzten Wochen, die politischen Ereignisse und Debatten waren ja wie ein großes Stimmengewirr. Die einen schlagen vor taktisch zu wählen, andere wollen Protestwählen oder Veränderung. Und manche einfach, wie sie immer schon gewählt haben. Unentschlossenheit macht unsicher, was morgen kommt bleibt erstmal ungewiss. Die Spannung heute am Wahlsonntag ist kaum zu halten. Nur eins bleibt gleich: Was das Gute ist, muss am Ende jede und jeder für sich selbst entscheiden.
Wenn ich mich jetzt gleich auf den Weg mache zu meinem Wahllokal, der Schule am Falkplatz, vorbei am Pausenhof mit seinen Klettergerüsten und Spielflächen, auf denen sonst die Kinder toben und rennen, denke ich an sie. Schließlich stimmen wir für auch ihre Zukunft ab.
Prüft aber alles und das Gute behaltet.
Die Bibel, 1.Brief an die Thessalonicher, Kapitel 5.