Manchmal habe ich das Gefühl, ganz Berlin ist eine große Galerie. Immer wieder begegnet mir StreetArt unterschiedlichster Form. Als für mich ein großer Neuanfang anstand, las ich an einem Stromkasten den Spruch „Schwierige Straßen führen oft zu wunderschönen Zielen“. Auf dem Weg zu einer Hochzeit fiel mir ein Plakat in die Augen mit der Aufforderung: „Feier, was du liebst“. Und als ich dieses Jahr eine Woche in London war, enthüllte Banksy gerade jeden Tag ein neues Tierbild.
Ja, ich weiß, solche „Dekorationen“ sind auch Sachbeschädigung. Und nicht jede würde ich als Kunst bezeichnen. Aber oft verwandelt StreetArt, also Straßenkunst, alltägliche Wege in Entdeckungstouren.
Am Lausitzer Platz in Kreuzberg: An einer sonst sehr unscheinbaren Häuserwand prangen hoch oben 4 Punkte. In den Grundfarben des Vierfarbdrucks: Cyan, Magenta, Gelb, Schwarz. Einmal entdeckt, finde ich diese Punkte immer wieder. 862 Mal gibt es sie in Berlin, sagt mir das Internet. Sie sind meist etwas erhaben auf Häuserwände angebracht, über Augenhöhe. An Orten, wo sie nicht leicht entdeckt und auch nicht leicht wieder entfernt werden können. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es gar nicht immer nur Punkte sind. Manchmal Quadrate, Zahnräder, oder sogar Obelix, der die Punkte trägt wie sonst seine Hinkelsteine.
Für mich sind diese vier Punkte tatsächlich Straßen-Kunst. Nicht wegen ihrer tiefgründigen Aussage. Sondern einfach, weil sie im Kontrast stehen zu manch trostloser Wand, an die sie angebracht sind Und sie öffnen mir die Augen für die verborgene Schönheit der Straße. Wenn ich gedankenverloren herumlaufe, dann lassen sie mich innehalten. Ich bleibe stehen, bin überrascht und denke mir „Ach, hier sind sie auch?“ und gehe weiter. Danach bin ich plötzlich etwas aufmerksamer. Ich sehe die Häuser um mich herum neu. Entdecke Farben und Schattierungen. Und stelle fest, dass das Leben gar nicht so grau ist, wie es oft scheint. Und ich erinnere mich, dass Jesus einmal sagte:
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Die Bibel, Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 10 Vers 10.