Es war vier Uhr nachts. Ich lag im Schlafsack auf einer Isomatte und hörte ein leises Kichern: „Ruhe!“ rief meine Kollegin neben mir aus der Dunkelheit und ließ sich mit einem kräftigen Seufzer nach hinten plumpsen. Dann war es endlich still an diesem besonderen Ort in der Nacht mitten in Berlin.
Ich lag nicht unter freiem Himmel. Aber fast. Über mir spannte sich eine riesige Kuppel. Ganz oben in der Mitte eine weiße Taube aus Marmor umsäumt mit goldenen Strahlen und acht Engeln drum herum. „Mit dem Anblick kann man ruhig und getrost einschlafen“, dachte ich – wenn, ja wenn da nicht 16 pubertierende Jugendliche gewesen wären, die bis eben gerade Remmi Demmi gemacht hatten. Wir waren die erste Gruppe von Konfirmandinnen und Konfirmanden, die im Berliner Dom übernachtet haben. Ich war damals Pfarrer dort.
Ich weiß noch die erstaunten Gesichter meiner Kollegen, als ich die Idee vorgestellt hatte. Großes Erstaunen – viele Fragen: „Wo genau wollen sie denn schlafen, Herr Höner?“ Ich glaube die meisten hofften, dass ich den großen Gruppenraum im Visier hatte. Stattdessen antwortete ich: „Na, im Kirchraum auf der Südempore.“ Die Augen wurden noch größer. Dann fiel der Satz: „Wir hoffen, sie wissen, was sie da tun.“ Und wir bekamen die Genehmigung.
Los ging’s nachmittags mit gemeinsamem Kochen in der Küche im Nordturm. Nichts Spektakuläres. Spaghetti Carbonara. Danach Kinoabend. Nach ein paar Spielen dann um Mitternacht die berührende Andacht im Chorraum. Wir alleine i Dunkeln im riesigen Dom. Mit Liedern, Gebet und Segen. Alles nur mit Kerzen beleuchtet - nur wir, keine Besucher.
Da lag ich also im Schlafsack auf meiner Isomatte unter dieser riesigen Kuppel. Und obwohl kein Licht mehr an war, leuchtete der Dom irgendwie von Innen. Ich weiß auch nicht wie. Aber er leuchtete. Besonders die Pfingsttaube, die ihre weiten Schwingen über uns wie zum Schutz ausbreitete, strahlte über uns. „Das sollte eigentlich jeder Berliner einmal erleben dürfen“, dachte ich. Einmal im Berliner Dom unter der Taube übernachten. Einmal diesen Geist spüren: Geborgen wie im Drinnen und dabei doch wie unter freiem Himmel.
Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit.
Die Bibel, 2. Korintherbrief 3,17b