31.12
2024
19:04
Uhr

Alles hat seine Zeit Gedanken zum Jahreswechsel

von Angelika Obert

Orgel: Von guten Mächten

Sprecher
Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;  pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;  abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit, weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit. Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.

Autorin
Sätze, die Vielen vertraut sind, aus dem biblischen Buch Kohelet, auch bekannt als Prediger Salomo. Jüdische Weisheitsliteratur, entstanden im 4. Jahrhundert vor Christus, als es noch keine Uhren und keine Terminkalender gab. Als man solche Worte wie Zeitmanagement und Lebensplanung noch nicht kannte und sich von ständigem Wandel, von Fortschritt und Beschleunigung nichts träumen ließ. Vielleicht gerade darum wirken diese Sätze immer wieder beruhigend auf mich. Sie schaffen einen Raum, den ich mir sonst nicht so leicht zugestehe: Alles hat seine Zeit.
Dabei ist es doch ein melancholischer Text, der davon spricht, dass alle Mühe nichts bringt, weil nach der Zeit des Pflanzens doch wieder eine Zeit des Ausreißens kommt und nach der Zeit des Sammelns eine Zeit des Verlierens. 
Davor haben sich die Menschen auch damals schon gefürchtet. Auch sie wünschten sich die gute Ernte, das sichere Haus, die ewige Liebe und andauernde Gesundheit. So wie wir uns das jetzt wünschen: ein gutes, ein erfolgreiches, ein gesundes neues Jahr. Und sie haben sich genau wie wir die Sicherung ihres Wohlergehens nicht nur gewünscht, sie haben sich dafür auch abgemüht. So wie wir uns immerfort mühen, mögliches Unheil und Verluste zu vermeiden und es in der Kunst der Vorsorge- und Vorsichtsmaßnahmen auch schon sehr weit gebracht haben. Aber das ändert nichts am Herzklopfen und der diffusen Bangigkeit, wenn wiederum ein neues Jahr noch unbeschrieben vor uns liegt – eine Zukunft, in der es auch ganz anders kommen kann als gewünscht und geplant. Wir haben es nicht in der Hand – das gilt wohl jeden Tag, aber an der Silvesterschwelle wird es besonders merklich. Darum gibt es heute Abend ja auch so viel Böllerkrach - die Gespenster der Angst werden immer noch ganz archaisch verjagt. 
Der Prediger Salomonis macht es etwas anders. Er glaubt nicht daran, dass sich vermeiden lässt, was wir gern vermeiden würden: das Aufhören des Erfolgs, die Tage der Niederlage und des Verlusts. Er bestreitet, dass die Mühe, es immer noch besser zu machen, zu mehr Sicherheit führt. Er behauptet: Auch das Andere hat seine Zeit, das Weinen und Klagen, das Streiten und Verlieren. Auch das wird immer wieder kommen. Das klingt nicht optimistisch und trotzdem irgendwie tröstlich für mich. Jedenfalls entlastend. Es befreit mich von dem Druck, das Kommende im Griff haben zu müssen. Von der Pflicht, mich immerzu ums Glattgehen zu mühen. Immerzu Angst zu haben, es könne etwas aufhören, weniger werden, kaputt gehen. Alles das hat auch seine Zeit. Es gehört dazu. Wird auch im kommenden Jahr dazugehören und keine verlorene Zeit sein. Und dazu fällt mir dann auch schon ein kleiner Text von Rilke ein, der sich im Auf und Ab seines Lebens immer wieder ermunterte, die schweren Stunden nicht zu fürchten:                                        

Sprecher: 
Man muss nie verzweifeln, wenn einem etwas verloren geht, ein Mensch oder eine Freude oder ein Glück; es kommt alles noch herrlicher wieder. Was abfallen muss, fällt ab; was zu uns gehört, bleibt bei uns, denn es geht alles nach Gesetzen vor sich, die größer als unsere Einsicht sind und mit denen wir nur scheinbar im Widerspruch stehen.  

Erste Musik: Pete Seeger, Turn, turn, turn

Sprecher
Aufstehen hat seine Zeit , duschen hat seine Zeit, frühstücken hat seine Zeit, auf den Bus warten hat seine Zeit, Smartphone checken hat seine Zeit, arbeiten hat seine Zeit, Emails beantworten hat seine Zeit, einkaufen hat seine Zeit, aufräumen hat seine Zeit, fernsehen hat seine Zeit, schlafen gehen hat seine Zeit.

Autorin
Zwischendurch gucken wir wohl immer mal auf die Uhr. Aber wir erleben unsere Gegenwart nicht als Uhrzeit, sondern als eine Kette von Tätigkeiten. Die meisten wiederholen sich Tag für Tag – sind längst zur Routine geworden. Ein vertrautes Gehäuse, in dem ich mich nahezu blind auskenne. Dass mir nichts dazwischenkommt, wünsche ich mir oft am Morgen. Und frage an manchen Abenden dann doch: Soll das nun alles gewesen sein? Immer nur derselbe Trott? Lauter Tage, die zwar voll, aber nicht erfüllt sind? 
Das, was ich alltäglich als mein Leben wahrnehme, kann mir im Nachhinein dann wie „gar kein Leben“ erscheinen – wie Leerlauf. Immer wieder gerate ich in solche Phasen, von denen es am Abend nichts weiter zu sagen gibt, als dass ich einiges geschafft und erledigt habe. 
Diese Wattezeiten der immer gleichen alltäglichen Verrichtungen – bei Virginia Woolf  heißen sie „moments of non-being“, Momente des Nicht-Seins, die sie unterscheidet von den „moments of being“, den Seins-Momenten, die sich ereignen, wenn etwas Unerwartetes die Routine unterbricht. Darum will sie die Überraschungen, die zufälligen Begegnungen, die ungeplanten Widerfahrnisse gerade nicht vermeiden, sondern viel mehr suchen. Das Leben, findet sie, spüre ich da am stärksten, wo ich mich nicht schon auskenne. Da werde ich erst richtig wach. 
Die „moments of being“, die Augenblicke erfüllter Zeit, kann ich mir nicht vornehmen. Aber ich kann ihnen wohl Raum geben, ihnen nachspüren – und sie in meinem Tageslauf willkommen heißen.     Es kann der Augenblick sein, in dem aus einem Gespräch mal mehr wird als der Pingpong der schnellen Reaktionen – der Augenblick, in dem im Miteinander sich Nähe auftut.  Es kann aber auch ein einsamer Augenblick sein, in dem ich mich erreichen lasse von der Schönheit eines Anblicks. Doch auch die unangenehmen Augenblicke des Erschreckens – wenn etwas kaputt- oder verloren geht - sind ja Momente des Wachwerdens: Warum habe ich nicht aufgepasst? Und die schmerzlichen Stunden des Streits öffnen mir die Augen dafür, dass man die Dinge eben auch ganz anders sehen kann als ich sie gesehen habe. „Moments of being“ sind nicht nur die Zeiten des Glücks.  

Sprecher:
Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit. Herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit, Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.


Autorin
Was mir nun auffällt: Im Text des Predigers geht es gerade nicht um allerhand Tätigkeiten, mit denen wir unsere Zeit verbringen. Es geht vielmehr genau um diese „Moments of being“, die Augenblicke des Lebendigseins, die wir doch immer dann besonders erleben, wenn etwas beginnt oder aufhört. Alles, was wir zum ersten Mal tun, ist mit intensiver Aufmerksamkeit verbunden. Und jeder Abschied auch. Der erste Kuss – ganz gewiss ein „moment of being“, aber – wer es erlebt hat, weiß es – der endgültige Abschied von einem Menschen, der mir nah stand, vielleicht noch mehr. 
Und nun frage ich mich, ob die Zeiten, in denen das Leben nur ein bloßes Vor-sich-Hinmachen ist, nicht auch dadurch so wattig werden, weil ich bei den steten Wiederholungen das Anfangen und das Aufhören zu wenig beachte. Immer nur so eins ins andere fließen lasse. Wenn auch im Alltag das Anfangen und das Aufhören seine Zeit hätten, ein bewusstes Anfangen und ein bewusstes Aufhören wären – das könnte meiner Zeit wohl mehr Fülle geben. Und dazu gehört wohl, dass es dazwischen eine Pause gibt – wie ja auch der Atem eine winzige Pause macht zwischen dem Ausströmen und dem Einströmen der Luft. Die Pause, in der Ruhe einkehren darf und mit der Ruhe auch der Raum für ein neues Erleben. Das wird nicht aus jeder Alltagsverrichtung eine erfüllte Zeit machen, aber kann den Trott doch in ein Gehen verwandeln. So nehme ich ins neue Jahr wiederum mit das schöne Gedicht von Dorothee Sölle, das mir die Unterbrechung nahe legt:        

Sprecher(in):
Du sollst dich selbst unterbrechen.
Zwischen Arbeiten und Konsumieren
Soll Stille sein und Freude
Dem Gruß des Engels zu lauschen:
Fürchte dich nicht!

Zwischen Aufräumen und Vorbereiten
Sollst du es in dir singen hören
Das alte Lied der Sehnsucht:
Maranata, komm, Gott, komm!

Zwischen Wegschaffen und Verplanen
Sollst du dich erinnern
An den ersten Schöpfungsmorgen
Deinen und aller Anfang
Als die Sonne aufging 
Ohne Zweck,
Und du nicht berechnet wurdest in der Zeit,
Die niemandem gehört
Außer dem Ewigen. 

Zweite Musik: Der du die Zeit in Händen…

Sprecher
Ich habe keine Zeit, du hast keine Zeit,
er, sie, es hat keine Zeit.
Rentner haben erst recht keine Zeit.
Kinder haben auch keine Zeit.
Nur wer keine Zeit hat, steht mit beiden Beinen im Leben 

Autorin
Wo kommt es nur her, dieses Gefühl, nie genug Zeit zu haben? Obwohl es doch so viel Zeit sparendes Gerät gibt und im Vergleich zu früher ja auch mehr Freizeit. Aber zugleich sind auch die Ansprüche immerfort gestiegen an das, was es zu leisten gilt, um mithalten zu können im Wandel der Zeit. Es reicht ja nicht, dass ich meine Arbeit tue, ich muss auch neue Projekte anstoßen. Den Output vermehren. Ständig gibt es neue Erkenntnisse, ich muss mich weiterbilden. Ich muss was für meine Fitness tun und für mein Aussehen und das Aussehen meiner Wohnung. Es geht immer noch besser und was gestern schick war, ist heute veraltet. Die Kinder müssen nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern auch reiten, Ballett und Geige – sie sollen ja ihre Chancen haben. Und die Alten, die ja keine Alten sein wollen, müssen auch immerzu etwas vorhaben, müssen rüstige Alte sein, viel beschäftigt. Erst wer nichts mehr zu tun hat, ist richtig alt. Und das will keiner sein.  
Schwierig nur, dass die Dinge um uns herum immer schneller veralten: die Forschungsergebnisse, die Heilmethoden, die Kochrezepte, die Computerprogramme, die Mobiltelefone sowieso. Die Dinge haben keine Dauer mehr, wir hecheln ihnen hinterher. So hat es der Soziologe Hartmut Rosa trefflich auf den Punkt gebracht:

Sprecher
Es scheint, als sei alles um uns herum ständig in Bewegung, als stünden wir gleichsam auf einem Abhang, der erdrutschartig in die Tiefe gleitet; wer nicht pausenlos nach oben rennt, sein Wissen aktualisiert, neue Kleider kauft, die neueste Software installiert, die Nachrichten verfolgt, den Körper trainiert, das Freundesnetz pflegt, kann seinen Platz nicht halten und wird von der über ihn hinwegrollenden Zeit begraben.                                             

Autorin
Zeitmanagement will gelernt sein. Wer sich alles schön einteilt, wird auch für das Wesentliche Zeit finden, lautet das Versprechen. Man muss es sich nur vornehmen: Zeit für die Partnerschaft, wenigstens 20 Minuten am Tag, Zeit für mich, wenigstens einen Abend die Woche, Zeit für die Kinder, wenigstens am Wochenende, Zeit für Gott, fünf Minuten am Tag. So höre ich hier und lese ich da. Und bin auch immer wieder geneigt, es zu glauben: Alles würde besser, wenn ich nur die Zeiten dafür einplante.
Nur dass geplante Zeit doch immer den Charakter einer Aufgabe bekommt, die eben auch noch vollbracht werden will. Und ich dann doch bezweifle, ob sich das Wesentliche in den Terminkalender eintragen lässt. 
Wie viele andere habe auch ich mir für das kommende Jahr vorgenommen: Ich werde mir Zeit nehmen für die Freundinnen, für den Sport, für die Kultur und natürlich auch für die Spiritualität. Aber im Grunde weiß ich schon: für die „moments of being“,
für die erfüllen Augenblicke kommt es nicht darauf an, dass ich mir Zeit nehme, sondern dass ich mir Zeit lasse. Nicht so viel manage, sondern lieber verweile, vielleicht sogar bummele, jedenfalls langsamer werde. So langsam, dass wirklich alles seine Zeit hat – das Sehen, das Hören, das Fühlen. So langsam, dass Aufmerksamkeit möglich ist und innere Sammlung. Ich glaube doch nicht, dass irgendein Mensch 20 Minuten Zeit von mir möchte – er möchte gehört werden, verstanden werden, gesehen werden. Mir Zeit zu lassen, das ist für mich oft schwieriger als mir Zeit zu nehmen. Es steckt so tief in mir drin, dass ich dafür doch gar keine Zeit habe. Mir Zeit zu lassen, das scheint geradezu verboten zu sein – wenn es doch vielleicht bedeutet, nicht mehr auf der Höhe zu sein und alles zu schaffen. Mir Zeit zu lassen, das muss ich mir immer erst erlauben – und höre dabei auch auf dieses Postskriptum von Eva Zeller:  

Sprecher(in)
Was ich noch sagen wollte.
Wenn ich dir einen Tipp geben darf –
ich meine, ich bitte dich
um alles in der Welt
und wider besseres Wissen:
Halte dich nicht schadlos,
zieh den kürzeren.
Lass dir etwas entgehn.

Dritte Musik: Bob Dylan  Times are changing            

Sprecher

Alles hat seine Zeit
Erinnern an die Liebe
Erinnern an die Schöpfung
Erinnern an die Endlichkeit
Erinnern an das Böse
Erinnern an die Befreiung

Autorin
Die Erinnerung braucht ihre Zeit, weil das Vergangene nicht einfach vorbei ist. Es hinterlässt seine Spur in Seele und Gehirn. Im Erinnern wird unser Leben zu einer Geschichte, wissen wir, wer wir sind. Im religiösen Sinn ist das Erinnern auch die Quelle der Hoffnung: So wie Gott einst Israel aus Ägypten befreite, so wird er immer wieder der Befreiende sein. Daran erinnert das jüdische Pessachfest. So wie auf den Karfreitag der Ostermorgen gefolgt ist, wird immer wieder Auferstehung sein. Das vergegenwärtigen wir uns zu Ostern. Die jüdisch-christliche Hoffnung ist eine Erinnerungshoffnung. 
Lange hatte das Vergangene fraglos Geltung. In der Moderne erst wurde es abgewertet zugunsten des Neuen und Kommenden. Die Generationen vor uns haben an den Fortschritt geglaubt, an die neue Zeit und den neuen Menschen – was sich in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts dann als schrecklicher Irrtum erwies. So sind wir, was den Fortschritt angeht, inzwischen wieder kleinlaut geworden und empfinden den immer schneller werdenden Wandel eher als Bedrohung.  Allenthalben ist zu merken, wie gern wir uns nun in einer Gegenbewegung wieder der Vergangenheit zuwenden. Immer neue Gedenkorte werden geschaffen und kein Jahr vergeht ohne einen besonderen Erinnerungsschwerpunkt. Das Gedenken hat eine ganze Menge Raum unter uns bekommen und manche sagen, es sei zu viel. Das viele Erinnern nähme uns die Energie, die Herausforderungen der Zukunft ins Auge zu fassen.  Aber es ist wohl so, dass wir gerade in einer immer kürzer werdenden Gegenwart den Echoraum der Erinnerung brauchen, die unser Denken und Fühlen vertieft. 
Und wie ist es mit den eigenen Erinnerungen? Auch da hat das Bedürfnis ja zugenommen, festzuhalten, was gewesen ist. Die eigene Lebensgeschichte zu bannen. Jedenfalls viele, viele Fotos zu machen – nicht nur im Urlaub, sondern bei jeder Gelegenheit. Oft wird das Foto überhaupt zuerst gemacht, noch bevor der Kuchen gegessen oder die Kirche betrachtet ist. Es scheint, als ob das Dokument, das gespeichert werden kann, wichtiger ist als das eigene Erleben. Die Erinnerung muss dingfest gemacht werden. Wir fürchten wohl, dass sie sonst schwindet im Strom der immer neuen Ereignisse. 
Aber was ich dann doch nicht dingfest machen kann, sind jene „moments of being“, die Augenblicke erfüllter Zeit, die mich unversehens treffen – und als Bilder erhalten bleiben nur im Innenraum der Seele. Nicht der Eiffelturm, sondern der Lichtstrahl auf dem Küchentisch, der nasse Asphalt an einem Novemberabend. Welche Bilder bleiben mir vom vergangenen Jahr, wenn ich die Augen schließe? Wenn ich ihnen Zeit lasse? Es werden dann immer mehr... und ich merke: Zwölf Monate sind doch eine kleine Ewigkeit.  „Gegenwart“ hat Günter Eich sein Gedicht vom Erinnern genannt, das manchmal auch einfach im Schlaf geschieht:                                                            

Sprecher
In das Leben, das ich eben führe,
schwemmt der Schlaf vergessene Dinge an,
Wiesen strömen durch die Türe,
an das Fenster klopft der Kobold an.

Was ich alles schon vergangen wähne,
jener Sommer, jenes Angesicht,
jener laue Wind und jene Träne,
sie vergehen nicht. 


Vierte Musik: Turn, turn, turn - Pete Seeger

Sprecher
Alles kommt noch! Denn das Leben
hat sein Letztes nie gegeben.
Nie! Man darf sich nur nicht weigern
und es wird sich immer steigern.
Dieses Warten dir bewahre.
Reichtum ist’s aus Kindertagen.
Über viele, viele Jahre
Wird’s dich sanft hinübertragen.
Wieviel Tage auch vergangen –
denk: Es hat erst angefangen. 

Autorin
Vollmundige Verse! Man merkt schon, dass Felix Salten sie für ein Poesiealbum geschrieben hat und in Sektlaune. Aber die soll heute Abend ja auch die Oberhand gewinnen. Und er hat ja auch Recht: Wir haben immer noch etwas zu erwarten vom Leben. Auch wenn Vieles schon hinter uns liegt. Vielleicht sogar gerade dann, wenn wir uns nicht mehr so mühen müssen, etwas aus uns zu machen, wenn wir die Zeit nicht mehr so genau planen, nutzen, im Griff haben müssen. Gerade dann können sie ja kommen, die „moments of being“ – die erfüllten Augenblicke in der Begegnung, in der Betrachtung, in der Erinnerung. Die tiefere Einsicht. Die endliche Versöhnung. Die Freude an den einfachen Dingen. Dass alles noch kommt, wir Christen glauben es über den Tod hinaus. Was uns nicht davon abhält, das Leben hier auf der Erde zu lieben mit all seinen manchmal so schweren und manchmal so schönen Seins-Momenten. 
„Alles hat seine Zeit“ – heißt es beim Prediger Salomo und er schließt seine Betrachtung mit Sätzen, die Sie sich heute Abend bitte zu Herzen nehmen mögen. Ich werde es auch tun:

Sprecher
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich zu sein und sich gütlich zu tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei allen seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 


Fünfte Musik: Joni Mitchell, Both Sides Now