01.11
2025
08:40
Uhr

Allerheiligen

Heilige des Alltags

Heute Morgen, um 10 Uhr werde ich in der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale einen besonderen Gottesdienst feiern. Einen Fernsehgottesdienst an Allerheiligen – dem Fest aller Heiligen. Vielleicht mögen Sie ja um 10 Uhr einschalten – in der ARD oder hier vor Ort mit uns feiern. Es würde mich freuen.

Wir werden den Gottesdienst auf dem Bebelplatz beginnen. Ein Ort, der wie kaum ein anderer in Berlin von der Zerbrechlichkeit und der Unantastbarkeit der Menschenwürde erzählt. Denn genau hier, auf diesem Platz, wurden vor 92 Jahren Bücher verbrannt. Der Geist und die Kultur, das freie Wort – und damit die Würde des Menschen – wurden symbolisch ins Feuer geworfen. Das Mahnmal der leeren Bücherregale unter Glas erinnert uns jeden Tag daran.

Und direkt daneben steht unsere Kathedrale. Sie ist für mich ein steinernes Gegengewicht. Ein Ort, der daran erinnert, dass es immer Menschen gab, die für genau diese Würde eingestanden sind. Menschen wie der selige Dompropst Bernhard Lichtenberg. Mitten in der dunkelsten Zeit hat er in dieser Kathedrale öffentlich für die verfolgten Juden gebetet. Er hat die Würde seiner Mitmenschen verteidigt und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. 1943 starb er auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau.

Er ist einer dieser Heiligen, an die wir heute denken. Heilige sind für mich vor allem Menschen, die die anderen liebevoll wahrgenommen und geachtet haben. Die hingeschaut haben, wo andere wegschauten. Die ihre Stimme erhoben haben, wo andere schwiegen. Die die Würde im Gesicht ihres Gegenübers erkannt haben – egal, woher jemand kam oder was er glaubte.

Das ist die Botschaft von Allerheiligen: Wir alle sind zur Heiligkeit berufen. Nicht zu einer abgehobenen Frömmigkeit, sondern dazu, die Würde zu achten – unsere eigene und die der anderen.

Würde beginnt mit einem aufmerksamen Blick im Alltag. Dem Blick, der im Obdachlosen den Bruder sieht. In der dementen Nachbarin die Schwester. Im nervigen Kollegen das geliebte Kind Gottes.

Die Heiligen haben das verstanden und danach gehandelt. Lassen Sie uns heute, an Allerheiligen, ihrem Beispiel folgen und selbst zu Heiligen des Alltags werden.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Wochenende.