Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
bald ist Aschermittwoch – Ende der Karnevalszeit, wir sind da ja in Berlin und Brandenburg eher, sagen wir: am Rande. Damit beginnt auch die Passionszeit. Sieben Wochen oder, von Aschermittwoch an, ziemlich exakt 47 Tage bis Ostern. Das ist seit jeher die Zeit des Fastens. Heute, wo zum Glück keiner mehr wie früher noch damit verbindet, dass das Fasten eine gute Position gegenüber Gott bewirken sollte -, heute erfreut sich die Erfahrung immer größerer Beliebtheit, dass Verzicht innere Reinigung und ein neues Lebensgefühl erzeugen können. Sieben Wochen ohne Schokolade oder Alkohol schafft nicht selten eine innere Unabhängigkeit, die im Dauerstress verloren gegangen ist.
Seit 40 Jahren gibt die evangelische Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ dieser Zeit mit einem speziellen Motto und entsprechenden Aktionen einen besonderen Anstrich. Das Motto lautet in diesem Jahr: Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik. Ich finde, das ist – wie oft bei solchen Dingen mit sicher mehr als einem Jahr im Voraus ausgewählt – doch sehr passend gerade jetzt. Luft holen in einer aufgewühlten, immer wieder von Dauerempörungen bestimmten Zeit. Dass jemand, bevor er zur nächsten Schimpftirade oder Wutrede über das Scheitern der Ampel, die ungelösten Probleme, die angebliche Unfähigkeit von „denen da oben“ oder auch nur den Nachbarn, doch bitte einmal Luft hole, wünsche ich mir. Und wenn man es dann selber tut, spürt man sofort, dass es bei solchen Parolen eigentlich nie darum geht oder gehen kann, dass man es anderen verordnet, sondern nur und als erstes für sich selber gelten lässt. Alles andere wäre ja auch zynisch: Wer wollte den Menschen in der Ukraine wohl vorschlagen, mal sieben Wochen Luft zu holen. Keine Panik, bitte! Nichts lieber als das täten sie gewiss, allein: der furchtbare Krieg Putins endet nicht und zum Krieg kommt jetzt auch noch der Verrat durch die Trump-Regierung dazu. Da ist unser langer Atem des Beistehens gerade besonders gefragt.
Also: das Motto der Fastenaktion ist zuallererst ein Vorschlag für uns selbst, nicht zuletzt, weil Luft holen meist dazu führt, dass etwas unterbrochen wird, von Redeschwall bis Gedankenkarussell. Luft holen und dann, das Eingefahrene unterbrechend, neu aufeinander hören und zugehen. Das ist mehr als dran nach einer Wahl, die uns doch sorgenvoll auf ein im Wählen scheinbar geteiltes Land schauen lässt. Allein der Blick von Berlin nach Brandenburg zeigt das. Der Blick umgekehrt genauso. Also: Luft holen und das Miteinander wieder in den Blick nehmen ist angesagt. Das soll sich dann, einmal eingeübt, wahrlich nicht auf die Zeit bis Ostern beschränken. Freiheit, die sich einstellt, will immer von Dauer sein. Wissen wir doch in der teilungserfahrenen Metropole ziemlich gut. Zeit zum Luftholen Ihnen und einen gesegneten Sonntag!