30 Jahre ist es her, das Massaker von Srebrenica: Zwischen dem 11. und dem 19. Juli 1995 wurden über 8.000 muslimische Bosniaken ermordet – Väter, Söhne, Brüder. Ihre Namen stehen auf Grabsteinen, ihre Familien noch immer verwundet.
Heute möchten wir ihrer gedenken. Wir Christen können nicht schweigen zu diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir glauben an das Evangelium, das uns zur Nächstenliebe aufruft.
Das Massaker von Srebrenica gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es widerspricht allem, wofür wir als Kirche stehen: der Würde jedes Menschen, der Geschwisterlichkeit über alle Grenzen hinweg, dem Frieden, den Gott für alle Menschen will. Die Täter von damals machten aus Nachbarn Feinde, aus Menschen Objekte des Hasses. Sie zerstörten nicht nur Leben, sondern das Vertrauen ganzer Gemeinschaften.
Die Botschaft der Liebe, wie sie im Evangelium steht, gilt allen Menschen – Christen, Muslimen, Juden; Menschen jeden Glaubens oder ohne Glauben. Sie verpflichtet uns, die Würde jedes Menschen zu achten und zu schützen.
Deswegen gedenken wir heute nicht nur der Opfer von Srebrenica, sondern aller Menschen, die unter Gewalt, Hass und Ausgrenzung leiden. Wir denken an alle, die heute vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen.
Es ist wichtig, wachsam zu sein für die Zeichen, die dem Hass vorausgehen: wenn Menschen zu „den Anderen" gemacht werden, wenn Nachbarn plötzlich als Feinde gelten, wenn Lügen über Menschengruppen verbreitet werden.
Wer das Gedenken wach hält, wer anderen von Srebrenica erzählt, wer sich gegen Hass und Ausgrenzung stellt, der schenkt Hoffnung. Ich bitte Sie daher: Nehmen Sie sich Zeit für das Gedenken und vielleicht noch mehr die Zeit, anderen Menschen von der Verantwortung zu erzählen, die wir alle tragen.
Das Gedenken an Srebrenica ist kein Blick zurück in Resignation, sondern ein Auftrag für heute: Nie wieder soll geschehen, was damals geschah. Nie wieder sollen Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Zugehörigkeit verfolgt und ermordet werden.
Möge Gott die Verstorbenen in seinen Frieden aufnehmen und uns alle zu Friedensstiftern machen.
Ich wünsche Ihnen morgen einen gesegneten Sonntag.