12.04
2025
08:40
Uhr

Maßvoll bleiben

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer, 
Zufall oder nicht: Die letzte Regierung ging vor dreieinhalb Jahren am Nikolaustag an den Start. Leider gab es nur wenig Süßes. Die nächste Regierung startet, so sieht es jetzt aus, nach Ostern. Und wir tun gut daran, uns von religiösen Überhöhungen fern zu halten. Dann lieber eine Chance geben und gucken, wo der Hase lang hoppelt. Verantwortung übernehmen, wie es sich die Regierung selber in guter Weise vorgenommen hat. Es wird ja ganz schön viel erwartet gerade – alles oder nichts von der neuen Koalition. Nicht ganz ungefährlich, finde ich: Von nationalen Erweckungen ist in Deutschland schon zu viel geredet worden, in die Abgründe, die daraus folgten, schauen wir noch heute. Etwas weniger Überhöhung des Ganzen scheint mir ratsam: 
Die Evangeliumserzählung zum morgigen Palmsonntag gibt dazu ein Bild, das sich in unser kollektives Gedächtnis eingegraben hat. Hosianna, rufen die Menschen Jesus zu, als er in Jerusalem einzieht, Hosianna, Du bist der, der alles richtet, politisch, gesellschaftlich, du bist in allem unsere Rettung, Hosianna. Was für eine übergroße Erwartung. Nur ein paar Tage später schreien vermutlich vielfach dieselben Leute: Kreuziget ihn. Weil es nicht so geworden war, wie gedacht, erwartet und gewollt. – 

Dieser Weg vom Hosianna zum Kreuziget ihn ist, wie wir wissen, oft sehr kurz. Nicht selten gehen wir mit anderen Menschen, vor allem mit Politikerinnen und Politikern so heftig um. Projizieren in sie alle unsere Wünsche. Und reagieren erbarmungslos, wenn die – wir wussten es eigentlich vorher – überzogenen Erwartungen unerfüllt bleiben müssen. Hören wir auf damit, sage ich. Palmsonntag lehrt uns das. Bleiben wir maßvoll, nicht übersteigert. Unterscheiden wir gut zwischen falscher Überhöhung und vertretbarer Erwartung – bleiben wir menschlich: Auch Politiker sind Menschen, mit Fehlern, den richtigen Weg gerade in Zeiten- und Epochenwenden mehr suchend als wissend. Wer das auch anderen zugesteht, kann ja auch viel besser kritisieren. Kritik, Widerspruch, Schärfe in der Auseinandersetzung, im demokratischen Diskurs, soll gerade so sein. 

Und wie ist das nun mit Jesus? Er ist ja der Messias, tatsächlich der Retter. Aber anders als erwartet. Er kommt nicht mit Gewalt und Pomp, er reitet auf einem Esel ein. Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Zepter ist Barmherzigkeit – singen und sagen wir, ja, richtig, am ersten Adventssonntag. Da wird die Geschichte von morgen auch gelesen, die Einzige im Kirchenjahr, die wir zweimal hören. Wegen der Sehnsucht, dass Jesus kommt. Und so wichtig ist es, dabei festzuhalten: Jesus befreit anders als erwartet. Er ist unterwegs auf dem Weg von Vergeben und Verzeihen. Das ist seine Haltung. Sie täte, ja sie tut uns allen gut.