Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
die gute Nachricht: In Potsdam wurde vor zwei Tagen eine neue Synagoge eröffnet. Die erste Gemeindesynagoge in der Landeshauptstadt nach der Zerstörung der ursprünglichen, die erst durch die Nazis geschändet wurde und dann im Krieg zerstört. Lebendiges jüdisches Leben in der Landeshauptstadt, das ist ein gutes Zeichen. Potsdam war ja zuletzt die einzige unter den Landeshauptstädten in Deutschland, in der es nicht wieder eine Synagoge gab. Das ist nun anders, dafür hat das Land Brandenburg viel getan, und ich bin darüber sehr froh. Vier jüdische Gemeinden teilen sich in einem Nutzungskonzept dieses neue Zentrum, das durch Schönheit und Schlichtheit besticht. Der Bet-Raum ist lichtdurchflutet, hell, klar und voller Anmut. Es war ein wunderbarer Moment, als Rabbiner und Gemeinde mit vielen Gästen gemeinsam den Augenblick besungen haben, in dem diese Synagoge eröffnet wurde: froh und herzlich.
Allerdings: der Moment ist nicht unbeschwert. Dazu sind die Zeiten zu furchtbar. Alle Redenden erinnerten auch an den 7. Oktober, der schwarze Schabbat, wie er in der jüdischen Gemeinschaft genannt wird, der Tag, an dem so viele Jüdinnen und Juden an nur einem Tag ermordet wurden wie nie seit der Schoah. Morgen ist das exakt 9 Monate her und zugleich jeden Tag präsent: Ein grausames Verbrechen. Noch immer werden Geiseln von der Hamas festgehalten, darunter Kinder. Der Krieg, der aus diesem 7. Oktober erwachsen ist und, der schreckliches Leiden über so viele Unschuldige in Gaza gebracht hat, so viele Zivilisten getötet, auch so viele Kinder, begleitet uns seitdem. Es ist ein Schmerz, der unsere Zeit durchzieht.
Zur Synagoge gehört auch eine Sicherheitsschleuse und Scheiben aus Panzerglas. Sie sind nötig, denn der Antisemitismus hat nicht nachgelassen mit dem 7. Oktober, im Gegenteil. Die antisemitischen Vorfälle und Angriffe sind in den Monaten seitdem nach oben geschnellt. Das ist beschämend, absolut unerträglich: Es gibt Menschen, die die Angegriffenen zu Schuldigen erklären und jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger angreifen, so dass sich viele nicht mehr trauen, ihre jüdische Identität in diesem Land offen zu zeigen.
Umso mehr ist der 4. Juli ein guter Tag für unser Land und unsere Gesellschaft, die Eröffnung der wunderschönen Synagoge mitten in Potsdam. Das sage ich bewusst als Christ und Repräsentant der Kirche, die ihre tiefe innere Verbundenheit mit den jüdischen Geschwistern in ihrer jüngeren Geschichte erst neu hat begreifen müssen. Wer jüdisches Leben angreift, greift uns alle an. Jüdisch und christlich, das ist viel näher als du denkst, lautet gerade eine Kampagne der evangelischen Kirche. Gut, dass die Potsdamer Synagoge jetzt da ist. Nahe. Und mitten unter uns. לחַיִּים (Lechaim), sagt man auf Hebräisch, wenn man miteinander anstößt. לחַיִּים, auf Deutsch: zum Leben.