Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
das Pfingstwunder, das wir diese Tage feiern - die Gabe des Heiligen Geistes - hat etwas im Schlepptau, was alltäglich scheint, und doch ein echt großes Wunder ist: dass Menschen einander verstehen. Wie sehr das Gegenteil der Regelfall scheint, missverstehen, falsch verstehen oder gar nicht erst zuhören - das kennen wir aus Partnerschaften und gesellschaftlichen, politischen Debatten: Jeder bleibt in seiner Blase. Und selbst da noch dominiert, was wir bisweilen tief in uns empfinden: niemand versteht uns, manchmal nicht mal wir selber.
Ganz anders da das Pfingstwunder der Bibel: Die Jünger Jesu reden mit einem Mal in den unterschiedlichsten Sprachen, von denen sie selber nicht einmal wussten, dass sie sie können. Die ganze antike Welt ist auf einmal kein Sprachwirrwarr mehr, sondern ein einziger Verständigungsraum und ja, ein ganzer Verständniskosmos. Das ist so unglaublich, dass die Spötter damals meinten, das könne eigentlich nur Alkohol als Ursache haben, aber es ist nicht Sprit, der das wirkt, es ist Gottes Spirit, Gottes Geist. Eigentlich gar nicht so abstrakt, wie das Fest so oft scheint: mit Taube als Zeichen für diesen geheimnisvollen Geist.
Wie geht diese pfingstliche Verständigung? Das wüssten wir dann doch gerne, möchten es verstehen. Und stoßen auf Dinge, die wir schon ahnten: Es liegt am Hinhören, am sich einlassen, am nicht gleich aburteilen, am Nachempfinden und in die Schuhe, in die Gedankenwelt und in die Sprache des anderen gehen. Genau das hat Jesus getan. Das war seine Botschaft: Achtsamkeit für den Nächsten – genauso wie für mich selbst, Suchen nach Frieden, nach dem, was nicht als erstes trennt, sondern verbindet. Ach, wie sehr brauchen wir ein solches Pfingstwunder heute bei allem Unfrieden, aller Unerbittlichkeit, den vielen Angriffen und Verletzungen, die alle Gräben weiter vertiefen. Wir brauchen ein Pfingstwunder in dieser Welt, ein neues Verstehen im Sinne dieses Geistes. Und ich bin mir sicher: Es gibt ihn in dieser Welt – hier zum Beispiel:
Ich war diese Woche in Polen, in Wroclaw, Breslau. Wir haben unsere Partnerkirche besucht. Und ich sage Ihnen: nach unserer deutschen Geschichte ist das ein Wunder, dass wir uns so verstehen, dass sie uns herzlich die Hände ausstrecken, dass sie unsere, meine Sprache sprechen, dass sie offen erzählen, wie das ist jetzt mit Präsidentenwahl und den allgegenwärtig spürbaren Umbrüchen, und dass wir gemeinsam ein Europa sind und bleiben wollen – auch für die Menschen, die da kommen. Und dann fällt dieser Satz: Die Menschheit gehört zusammen. Das immer neu zu spüren und zu leben: eine Welt – wir gehören doch zusammen! - das ist Pfingsten.
Ich wünsche Ihnen von Herzen dieses Wunder des Verstehens in nah und fern. Frohe Pfingsten!