Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
Eine Erinnerung aus fernen Kindertagen will ich mit Ihnen teilen. Unser Lieblingsausflugsziel war eine Burg. Mit Zwischenhalt an einer Eselstation. Und dann kam schon über den Bäumen des dunklen Waldes das riesige mittelalterliche Tor. Legendenumwoben waren die majestätischen Burgmauern und haben mich verzaubert. Dass vor hunderten von Jahren hierher ein Mönch entführt worden war und über denselben Hof gegangen sein muss, dass dieser Mönch, gerettet vor Häschern, ausgerechnet hier eine andere dunkle, eine teuflische Gestalt getroffen haben sollte, hatte meine kindliche Phantasie angekurbelt. Der versteckte Mönch war damals Martin Luther. Dieser Entführungs-Krimi mit einem vorgetäuschten Gewaltverbrechen zum Schutz des Kirchenkritikers ist über 500 Jahre her.
Schon vor Luthers Geburt hatte die Sehnsucht nach echten Veränderungen gewissermaßen in der Luft gelegen. Schon etliche vor ihm hatten versucht, Reformen in Gang zu setzen. Dann machte der spätere Wittenberger Lehrer seinem Ärger über kirchliche Missstände öffentlich Luft. Dessen Thesen trafen wie ein Blitz, etwa mit der Frage: Warum soll man für etwas mit Geld bezahlen, was man von Gott doch geschenkt erhält? Freiheit nämlich von meinen Fehlern, einen neuen Anfang, geliebt und getragen von Jesus Christus. Wenn Gott so radikal entgegenkommend ist, wenn Gott jedes Geschöpf so kompromisslos liebt, wie es die Bibel im Alten und Neuen Testament erzählt, warum sollte man sich dann bei Gott mit ein paar Talern freikaufen? Das hat Luther umgetrieben, mehr noch als den Umbau einer kirchlichen Organisation. Erst mit einem neuen Blick auf die Beziehung zu Gott konnte er neu zu leben beginnen.
In wenigen Tagen also erinnern wir in evangelischen Gemeinden an die Reformation, auch die Risse und die gottlosen Kriege, die folgten. Und die nicht erfüllten Erwartungen auf bessere Zeiten, etwa unter den Bauern. Auch, wenn mir so vieles an der historischen Gestalt Luthers fremd bleibt, sehe ich auch die Anfänge einer nochmal neu entdeckten Sicht auf Gottes Liebe. Eine Liebe, die nicht bezahlt werden möchte. Hilft das in einer zumutungsreichen Zeit, in der persönlich und in unserer Gesellschaft alles laufend schwieriger zu werden scheint? Viele wissenschaftlichen Studien sagen ja, dass Menschen, die sich ganz auf dieses große Ja Gottes zu ihrem Leben – komme was da wolle – verlassen, dass die in der kleineren Zahl seien. Vielleicht war das ja auch nie so ganz anders. Vielleicht kommt es ja Gott auch nicht auf großen Zahlen an. Vielleicht kommt es auf Menschen an, die ihr Gottvertrauen gern mit anderen teilen, komme, was da wolle.