Es ist Sommerzeit in Berlin und Brandenburg. Als ich kürzlich über den Sinn des Verreisens nachdachte, kam mir eine Idee. Ein Aspekt, der das Reisen auszeichnet, ist der Ortswechsel. Am Urlaubsort - sei es am Meer, in den Bergen oder in einer spannenden Stadt - können wir vom Alltag abschalten. Es gelingt uns viel leichter, ganz in der Gegenwart zu sein und damit auch Gott, der immer gegenwärtig ist, bewusster in unserem Leben wahrzunehmen.
Solche Orte, die uns in eine andere Umgebung eintauchen und damit die Gegenwart neu erfahren lassen, gibt es auch in unserem alltäglichen Umfeld. Als ich mich vor ein paar Tagen abends an der S-Bahn-Haltestelle umblickte und die vielen, oft ungeduldig wartenden Menschen um mich herum wahrnahm, habe ich mich einmal bewusst hingesetzt und genauer hingeschaut. Da war der Mann mit Anzug und Laptoptasche, das Handy am Ohr. Vermutlich auf dem Weg nach Hause, aber doch noch ganz in der Arbeit versunken. Da war das wartende junge Pärchen, vielleicht auf dem Weg ins Kino oder in einen der vielen Berliner Parks? Eine Frau ging umher und bettelte. Ob sie wohl einen Platz hat, an dem sie schlafen kann?
Es hat mich plötzlich sehr berührt, Teil dieses prallen Lebens an diesem Bahnsteig zu sein. Wo fahren die Menschen hin, wo kommen sie her? Freuen sie sich auf den Abend? Wartet jemand auf sie? Einigen sieht man die Sorgen an. Der bettelnden Frau gebe ich einen der Äpfel, die ich auf dem Weg zur Haltestelle noch besorgt hatte und schenke ihr ein Lächeln. Sie lächelt zurück und wünscht mir einen schönen Abend.
Es gibt unzählige Haltestellen, die wir täglich passieren, ohne diese Orte in ihrer Besonderheit wahrzunehmen. Sie sind geprägt vom Vorübergehen vieler Menschen, die kürzer oder länger warten, bis sie ihre Reise, ihre Lebensreise fortsetzen können. Orte des Innehaltens. Vielleicht kommen auch Sie heute an einer Haltestelle vorbei und folgen dem Impuls, innezuhalten - um wahrzunehmen, was es dort zu entdecken gibt.