Oft denken wir über unsere Reaktionen nicht nach – wir tun einfach das naheliegende: Wenn es regnet, ziehe ich die Kapuze auf den Kopf. Spann den Schirm auf, stell mich unter oder bleibe zu Hause. Da denke ich gar nicht groß drüber nach. Aber ich könnte auch: Die Schuhe ausziehen und tanzen.
Und immer wieder bin ich beeindruckt von den Menschen, die aus RE-Aktion Aktion machen. Die auf das offensichtlich naheliegende anders reagieren. Die nicht nur tanzen, sondern die Böses in Gutes verwandeln. Weiß Gott, wo sie die Kraft dafür hernehmen.
Wie Mevlüde Genc, die gesagt hat: Meinen Hass kriegt ihr nicht. Ihr bekommt das Gegenteil!
Heute vor 32 Jahren; in der Nacht zum 29. Mai 1993 war es, damals war es der Freitag zum langen Pfingstwochenende und zuvor war im Parlament heftig um das Asylrecht gestritten worden. Auch damals war in den Medien von „Überfremdung“ die Rede.
In dieser Nacht haben in Solingen vier Rechtsextreme einen Brandanschlag verübt. Auf das Haus der Familie Genc. Dabei starben zwei ihrer Töchter, zwei ihrer Enkelinnen und ihre Nichte. Gürsün İnçe war 27, Hatiçe Genç (18), Gülüstan Öztük (12 Jahr jung), Hülya Genç (sie war 9) und die kleine Saime Genç (war vier).
Ihr Sohn, Bekir, wurde so stark verletzt, dass sein Leben bis heute von Krankenhausaufenthalten bestimmt ist.
Es gibt einen Koranvers, der lautet schlicht: „Antworte mit etwas Besserem.“ (Sure 41, Vers 34) Mevlüde Genç kannte ihn sicher. Diese warmherzige Mutter der Familie, eine kleine Frau mit Kopftuch, hatte irgendwoher die Kraft genommen zu sagen: „Nur die Versöhnung überwindet den Hass.“ Seither setzte sie sich dafür ein. Unermüdlich. Zwei Jahre nach dem Anschlag nahm sie die deutsche Staatsbürgerschaft an.
Wir antworten auf das, was uns begegnet. Darin besteht unsere Freiheit. Wir reagieren auf Ereignisse, für die wir nichts können. Wann immer wir können: Mit etwas Besserem.