Wir waren in Amsterdam, ein Kind war krank, das andere hatte Bewegungsmangel, geregnet hat es auch... Also waren wir im Hallenbad. Unversehens nicht in einem touristischen Spaßbad, sondern an einem Ort voller einheimischer Eltern, einem Schwimmkurs. Ich kann kein Holländisch, aber da hätte ich es sofort gelernt, denn ich habe genau verstanden, was die Eltern gesagt haben: „Nicht rennen!“ Weil nämlich alle Eltern angesichts der rutschigen Fliesen im Schwimmbad das gleiche sagen.
Ein Jahr später, es muss in Österreich gewesen sein, lauschte ich unfreiwillig, wie eine Teenagerin ihre Mutter mit Maulen und Nörgeln überschüttete. Ich verstand nichts, und doch alles. „I feel you“, dachte ich. Weil nämlich Teenager-Töchter schwierig sind und die Mütter und Väter der Welt ganz schön gute Nerven brauchen.
I feel you – ich kann dich so nach- und mit-empfinden; das denke ich öfter:
Wenn ich auf der Damentoilette neben mir Plastikverpackungen rascheln höre. Wenn am Bahnhof jemand dem Zug hinterherwinkt. Wenn jemand die Brille auf die Stirn schiebt, um die kleine Schrift auf dem Handy besser lesen zu können.
Vieles, was uns verbindet, erschließt sich erst auf den zweiten Blick:
Wir sind alle Kinder von irgendjemandem.
Wir haben Hunger. Unsere Körper tun manchmal nicht so, wie wir’s gern hätten. Wie lieben wen, wir warten auf wen, wir sind enttäuscht von wem, wir nehmen uns zu viel vor, wir überschätzen uns, wir sind glücklich, wenn wir doch mal was auf die Beine gestellt haben, und wenn wir geliebt werden und lieben dürfen, auch. Wir haben müde Füße und trockene Kehlen.
Manchmal sieht man es, manchmal hört man es, und manchmal fühlt man es.
Manchmal sehe ich die Menschen um mich herum an und bin nur genervt. Aber manchmal, ganz manchmal, da sitzt mir am Tisch oder in der Bahn eine Person gegenüber, und in der Art, wie sie sich konzentriert, wie die Stimme klingt oder der Blick schweift, ist einfach alles da:
Die Liebe und die Sehnsucht. Die Sorge und die Erleichterung. Die Freude und die Traurigkeit. Und manchmal auch dies: Dass auch Gott in Jesus Mensch wurde.