24.04
2025
06:50
Uhr

Woke

Sie müssen woke gewesen sein – die ersten Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung Jesu. Es war in den frühen Morgenstunden – an der Schwelle von der Nacht zum Tag, als alle anderen noch träge in den Betten lagen: müde und verzagt, voll Trauer und desillusioniert, weil alles so ganz anders gekommen war als geplant, als gewünscht, als erhofft. Mit diesem Gefühl: Hat ja alles eh keinen Zweck, ist ja alles furchtbar! bleibt man lieber liegen. Zieht die Decke über den Kopf und kneift die Augen zu. Das ist Bettflucht andersrum. Jeder von uns kennt sie: Kneifen vor dem Leben draußen. Rückzug. Für Maria von Magdala kam das nicht infrage: Sie war wach, als alle anderen schliefen. Sie raffte sich auf trotz tiefer Trauer. Sie wollte etwas tun. Stand auf, ging los halbblind vor Tränen. Sie ging trotzdem los, riss sich zusammen – was mag sie das für Kraft gekostet haben damals! Sie war „woke“ – sie war wachsam, aufmerksam. Und darum war sie tatsächlich die erste, die Ostern mitbekam, weil sie wach und durchlässig war für die ganz andere Wirklichkeit, die ihr im Garten am leeren Grab in Gestalt des Auferstandenen dann begegnete.

Woke – das ist so ein englisches Modewort, das manche heute gleich auf die Palme bringt. Dabei ist es gar nicht so neu: Seit den 30er Jahren schon dient es als Ausdruck für ein wachsames Bewusstsein gegenüber Rassismus und Diskriminierung. Stay woke – bleib wachsam! Sage Stopp bei rassistischen oder sexistischen Übergriffen und sozialer Diskriminierung.

Bleibe wach! Das könnte so ein Osterruf für unsere Zeit sein. So wie die ersten Christen sich mit diesem Ostergruß begrüßten: Der HERR ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden! 

Die österliche Freudenzeit, wie die Kirche sie kennt, dauert volle fünfzig Tage bies Pfingsten. Wie wunderbar, wir können sie brauchen. Menschen, die wach sind und ausgeschlafen. Die den Mut haben, aufzustehen und die Müdigkeit aus den Knochen zu schütteln und die Mutlosigkeit aus dem Herzen. Menschen, die durchlässig sind und bleiben für diese andere Wirklichkeit, die unsere toppt und überschreitet. Menschen, die durchlässig bleiben für Liebe und Gerechtigkeit, wie Jesus sie gelebt hat.