Wenn der November beginnt, ist Zeit, mal wieder auf den Friedhof zu gehen. Die Gräber winterfein zu machen und die Lieben warm einzudecken mit Tannengrün.
Wenn der November beginnt, beginnt für viele eine Zeit voller Erinnerungen an jene, die sie verloren haben und manche staunen, wie lange Schmerz dauert und wie viele Tränen ein Mensch haben kann. Ich bin überzeugt, dass im November mehr Tränen fließen als sonst im Jahr, und ich wünsche allen Weinenden, dass ihre Tränensaat aufgeht, so wie Antje Naegeli es
beschreibt:
„Du magst suchen und suchen. Letzte Antwort auf die Frage nach dem Leid wirst du nicht finden in dieser Welt. Doch suche das Geheimnis zu ergründen, woran es liegt, dass Menschen versteinern unter ihrer Leidenslast, verhärten und verbittern und anderen wird das schmerzdurchpflügte Herz zum Acker. Die Tränensaat geht auf zu Güte, Verstehen und Erbarmen.“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesegnete Nacht, mit oder ohne Tränen.
Quelle: „Tränensaat“ von Antje Sabine Naegeli, abgedruckt in: Christian Buchholz & Thomas Mäule (Hrsg.): Eine Seelenapotheke. Texte zum Abschied vom Leben, Göppingen 2019, S. 45.